"Cristiano Ronaldo hat gelacht und gesagt, dass er müde ist": Deutschlands Saudi-Legionär Robert Bauer erzählt im Interview vom Duell mit CR7

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Cristiano Ronaldo, Neymar, Karim Benzema - und Robert Bauer: Im Zuge des Transfer-Rauschs wechselte vergangenen Sommer auch ein Deutscher nach Saudi-Arabien. Im Interview mit SPOX zieht Bauer ein Zwischenfazit.

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Der 28-Jährige erzählt vom Leben in der Wüste, seinem Gehalt, einem Laufduell mit Ronaldo und satten Stars. Mit seinem Klub Al-Tai befindet sich Bauer aktuell im Abstiegskampf, am Samstag kommt es zum Duell mit Top-Klub Al-Ahly um Roberto Firmino.

Herr Bauer, Sie sind im vergangenen Sommer nach Saudi-Arabien gewechselt. Mal ganz ehrlich: Welche Rolle hat das Geld gespielt?

Robert Bauer: Natürlich eine große, alles andere wäre gelogen. Wir Fußballer haben nur eine begrenzte Zeit, in der wir unseren Job ausüben können. Wenn man kein Spieler bei einem Top-Verein ist, muss man sich gut überlegen, wie man diese Zeit nutzt, um am Karriereende finanziell ordentlich aufgestellt zu sein. Ich habe schon in der Bundesliga gespielt und mir damit meinen Kindheitstraum erfüllt. Als die Möglichkeit kam, hier so viel zu verdienen, war der Wechsel für mich ein No-Brainer.

Sie haben in der Bundesliga für Ingolstadt, Bremen und Nürnberg gespielt. Wie viel mehr kassieren Sie prozentual in Saudi-Arabien?

Bauer: Es geht schon in Richtung doppeltes Gehalt im Vergleich zur Bundesliga. Ich habe aber auch schon bei Arsenal Tula in Russland mehr verdient als in Deutschland.

Sie sprechen sehr offen über das Thema Geld, anderen Profis fällt das nicht so leicht.

Bauer: Viele Spieler haben beim Thema Geld Angst vor der Reaktion der Fans. Deshalb versuchen sie so zu tun, als würden sie nur für die Liebe zum Verein spielen. Aber bis auf ganz wenige Ausnahmen ist bei keinem Spieler die Liebe zu einem Verein so groß, dass er dafür auf Geld verzichten würde.

Wie ist Ihr Wechsel nach Saudi-Arabien zustande gekommen?

Bauer: Ich war vorab schon länger mit einem saudi-arabischen Berater in Kontakt. Ein Jahr vor meinem Wechsel wollte mich ein Verein verpflichten. Der Wechsel ist aber geplatzt, weil ich damals noch bei VV St. Truiden in Belgien unter Vertrag stand und sich die Vereine nicht auf eine Ablöse einigen konnten. 2023 war ich ablösefrei, da hat es dann geklappt.

Wie hat Ihr Umfeld auf den Wechsel reagiert?

Bauer: Alle freuen sich für mich, dass ich gegen Stars wie Cristiano Ronaldo spielen kann. Nur meine Eltern sind traurig, weil ich so weit weg bin. Aber dass es ausgerechnet Saudi-Arabien geworden ist, war für sie kein Problem.

Robert Bauer: Von Deutschland über Russland und Belgien nach Saudi-Arabien

ZeitraumKlubSpiele
2014 bis 2016FC Ingolstadt43
2016 bis 2018Werder Bremen46
2018 bis 20191. FC Nürnberg24
2019 bis 2021Arsenal Tula (Russland)41
2021 bis 2023VV St. Truiden (Belgien49
seit 2023Al-Tai (Saudi-Arabien)19
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Mit einem Wechsel nach Saudi-Arabien lässt man sich als Fußballer gewissermaßen für ein autoritäres Regime instrumentalisieren. Die Menschenrechtslage ist kritisch, Homosexualität strafbar, Pressefreiheit besteht keine. Was entgegnen Sie Kritikern?

Bauer: Das ist ein schwieriges Thema. Generell würde ich jedem empfehlen, selbst nach Saudi-Arabien zu reisen und sich alles vor Ort anzuschauen. Wir im Westen denken, dass das Leben überall so laufen sollte wie bei uns. Dass unser westlicher Weg der einzig richtige ist. Meiner Meinung nach ist das der falsche Ansatz. Man sollte seine Scheuklappen runternehmen und anderen Kulturen gegenüber offener sein. Ich versuche, mir hier selbst ein Bild zu machen. Mit meinen einheimischen Teamkollegen habe ich schon viel über die Vorwürfe aus dem Westen gesprochen und sie nach ihrer Sichtweise gefragt. Sie sind der Meinung, dass sich seit der Machtübernahme von Prinz Salman 2017 vieles zum Positiven verändert hat.

Erleben Sie persönlich in Ihrem Alltag Einschränkungen?

Bauer: Bisher hatte ich keine Probleme. Ich bin tätowiert und laufe in Shorts herum. Das interessiert niemanden, außer manche Kinder. Die kommen oft näher und schauen sich fasziniert meine Tattoos an. Sowas kennen Sie sonst nur von anderen Fußballern aus dem Fernsehen. Ich empfinde die Leute hier als relaxed und zuvorkommend.

Ihr Klub Al-Tai ist in der Stadt Ha'il beheimatet. Eine halbe Million Einwohner, fernab der Hauptstadt Riad, mitten in der Wüste. Wie ist das Leben?

Bauer: Die Stadt ist sehr ruhig. Perfekt für ein geruhsames Familienleben, wie ich es führe. Als Single hat man es hier aber sehr schwer. In Saudi-Arabien generell und vor allem in so einer Kleinstadt wie Ha'il. Positiv ist die Natur in der Umgebung: Es gibt ein Gebirge mit Wanderwegen, die Sandwüste ist eine halbe Stunde entfernt. Dort war ich mit ein paar Teamkollegen schon Quad-Fahren.

Das Einleben dürfte auch Ihre Religionszugehörigkeit vereinfacht haben. Schon vor Ihrem Wechsel nach Saudi-Arabien sind Sie zum Islam konvertiert. Wie kam es?

Bauer: Meine Frau ist in Dubai aufgewachsen, sie stammt aus einer muslimischen Familie. So bin ich zum Islam gekommen. Auch bei diesem Thema gilt: Die Leute würden gut daran tun, wenn sie sich von Vorurteilen lösen und inhaltlich mit der jeweils anderen Religion beschäftigen. Tatsächlich sind sich die beiden Religionen nämlich ziemlich ähnlich. Jesus ist beispielsweise auch im Islam wichtig, was viele nicht wissen.

Welche Rolle spielt Religion in Ihrem Leben?

Bauer: Mittlerweile eine sehr große. Hier ist es einfacher, das auszuleben. Alles ist auf die Gebetszeiten abgestimmt, sogar der Trainingsplan. Das Essen ist halal. An Freitagen gehe ich meistens in die Moschee. In der Länderspielpause im März will ich mit meiner Frau nach Mekka reisen.

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Nun zum Fußball: Was sind Ihre bisherigen Eindrücke von der Saudi Pro League?

Bauer: Abgesehen von der Bundesliga ist sie die stärkste Liga, in der ich bisher gespielt habe. Wenn man Al-Hilal ausnimmt, kann jeder jeden schlagen. Finanziell und infrastrukturell gibt es aber große Unterschiede zwischen Al-Nassr, Al-Hilal, Al-Ittihad, Al-Ahly, Al-Ettifaq (die alle vom saudischen Staatsfonds PIF kontrolliert werden) und Al-Shabaab auf der einen Seite und dem Rest auf der anderen.

Sie haben in Saudi-Arabien schon gegen etliche Stars gespielt: Cristiano Ronaldo, Sadio Mané, Roberto Firmino, Karim Benzema, Riyad Mahrez. Wer war Ihr bester Gegenspieler?

Bauer: Von den großen Namen war Ronaldo der einzige, der mich wirklich beeindruckt hat. Die anderen waren eher unauffällig. Ich weiß nicht, ob das nur beim Spiel gegen uns so war - aber sie sind nicht an ihr Limit gegangen, waren nicht hungrig. Zumindest habe ich das so empfunden. Das ist aber auch verständlich. Es ist schließlich etwas anderes, Champions League zu spielen als in Saudi-Arabien gegen einen Verein, von dem man zuvor noch nie gehört hat.

Wer hat Sie besonders negativ überrascht?

Bauer: Von Mahrez war ich bei unserem Spiel gegen Al-Ahly trotz seines Tores etwas enttäuscht. Firmino wird hier in Saudi-Arabien kritisch gesehen, weil er wenige Tore schießt. Benzema trifft zwar gut, bei ihm verwundert aber das Verhalten abseits des Platzes. Er ist nicht zum Training erschienen und hat seine Social-Media-Accounts gelöscht. Ich weiß nicht, was da intern passiert ist.

Zurück zu Ronaldo: Wo kommt sein offenbar unersättlicher Hunger her?

Bauer: Für ihn geht es gar nicht mehr nur darum, Spiele zu gewinnen und Meister zu werden. Er will, dass ihn die Leute für den besten Fußballer aller Zeiten halten. Dieser Wunsch hat ihn zu dem Spieler gemacht, der er ist. Und das treibt ihn an, egal ob in der Champions League oder in Saudi-Arabien.

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Wie haben Sie ihn als Gegenspieler erlebt?

Bauer: Wenn man mit ihm auf dem Platz steht, spürt man seine Aura. Sein Fußball-IQ ist Wahnsinn. Er rennt nicht mehr das Feld rauf und runter, sondern lauert eher in der Box. Aber egal wo der Ball landet, ob nach einem genauen Zuspiel oder nach einer geblockten Flanke: Ronaldo ist immer zur Stelle. Gegen uns hat er aber nur per Elfmeter getroffen - typisch! Eine kleine Anekdote habe ich noch von unserem Aufeinandertreffen.

Bitte!

Bauer: Gegen Ende des Spiels wurde er in die Tiefe geschickt. Ich bin hinterher, wir waren im Laufduell genau gleich schnell, dann hat er zurück gespielt. Als der Ball kurz darauf im Aus landete, stand er neben mir und meinte: "The old man is still fast!" Ich habe erwidert: "Das schon, aber nicht schneller als ich." Dann hat er gelacht und gesagt, dass er müde ist. Ich habe Ronaldo als coolen Typen erlebt.

Welchen Stellenwert hat er in Saudi-Arabien?

Bauer: Ronaldo steht hier über allem. Er ist mit Abstand die populärste Persönlichkeit im Land.

Neymar wechselte vergangenen Sommer für 90 Millionen Euro von Paris Saint-Germain zu Al-Hilal, verletzungsbedingt absolvierte er aber erst fünf Spiele. Aktuell fehlt er wegen eines Kreuzbandrisses. Gibt es Kritik?

Bauer: Die Leute haben eher Mitgefühl, weil es sich um eine wirklich schlimme Verletzung handelt. Wenn er wieder irgendwas an seinem Sprunggelenk hätte, dann würde das sicherlich anders aussehen. Dann würde es heißen: Hat die Schwester schon wieder Geburtstag, oder ist Karneval in Rio? (lacht)

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Mit Jordan Henderson hat im Winter der erste berühmte Spieler Saudi-Arabien schon wieder verlassen. Angeblich war er unter anderem von der Stimmung in den Stadien enttäuscht. Wie wurde diese Nachricht aufgenommen?

Bauer: Henderson war hier nicht so präsent, als dass es die Leute wirklich interessiert hat. Ich weiß natürlich nicht, was für Vorstellungen er bei seinem Wechsel hatte. Aber wenn man denkt, dass die Stimmung hier so wie in Anfield ist, dann wird man natürlich enttäuscht.

Wie erleben Sie die Stimmung in den Stadien?

Bauer: Bei den großen Vier Al-Nassr, Al-Hilal, Al-Ittihad und Al-Ahly ist die Stimmung so gut wie in Bundesliga-Stadien, speziell bei Al-Ittihad. Als ich vergangenen Sommer für meine Vertragsunterschrift hier war, hat mein jetziger Klub gegen Al-Ittihad gespielt. Es war das erste Heimspiel, nachdem das Team den Meistertitel fixiert hatte. Das war mein erster Stadionbesuch in Saudi-Arabien und ich war sehr positiv überrascht. Das Stadion war voll, die Stimmung Wahnsinn. Es gab sogar eine Choreo.

Für negative Schlagzeilen sorgten saudi-arabische Fans neulich beim spanischen Supercup, als erst die Schweigeminute für Franz Beckenbauer und dann Real Madrids Toni Kroos ausgepfiffen wurde.

Bauer: Überall auf der Welt gibt es Fans, die sich idiotisch verhalten. Die Pfiffe gegen Kroos kann ich verstehen. Er hatte zuvor Spieler kritisiert, die nach Saudi-Arabien gewechselt sind. Dann ist so eine Reaktion der Fans normal. Was bei der Schweigeminute für Beckenbauer passiert ist, geht natürlich nicht. Dafür gab es auch in Saudi-Arabien Kritik.

Der gemeinsame Nenner bei Kroos und Beckenbauer ist die Nationalität: Erleben Sie in Saudi-Arabien eine gewisse Antipathie gegen Deutschland?

Bauer: Deutschland ist eine der lauteren Nationen, was die Kritik an den Wechseln nach Saudi-Arabien und dem Land an sich angeht. Bei der WM in Katar war es genauso. Deutschland wird hier von manchen Menschen als eher besserwisserisches Land wahrgenommen.

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Von 2019 bis 2021 haben Sie für Arsenal Tula in Russland gespielt. Wie haben Sie die dortigen Bedingungen im Vergleich zu Saudi-Arabien erlebt?

Bauer: Hier in Saudi-Arabien kann es sehr heiß werden, dort war es kalt. Das andere Extrem also. Sportlich ist die saudi-arabische Liga aktuell stärker als die russische damals. Infrastrukturell ist der russische Fußball aber ein paar Schritte weiter. Im Zuge der WM 2018 ist dort einiges entstanden.

Ein halbes Jahr nach Ihrem Abschied hat Russland die Ukraine überfallen. Konnten Sie sich damals vorstellen, dass so etwas passiert?

Bauer: Nein, genau wie jeder andere war ich auch überrascht. Ich stehe noch mit einigen ehemaligen Teamkollegen und Leuten aus dem Verein in Kontakt. Man merkt, dass sie aus Angst vor möglichen Konsequenzen mit ihren Aussagen sehr vorsichtig sind. Mein Eindruck ist, dass das Land geteilt ist. Einige stehen dem Krieg negativ gegenüber, viele vertrauen aber auch Putin.

Von Russland nach Kenia, dort betreiben Sie eine Farm. Wie kam es?

Bauer: Mein Schwiegervater führt in Kenias Hauptstadt Nairobi ein Business in der Bauindustrie. Wir hatten schon länger geplant, gemeinsam etwas Unternehmerisches aufzubauen. Einige Familien-Freunde haben Farmen, also haben wir es auch ausprobiert. Wir schaffen Arbeitsplätze und produzieren Nahrung für den lokalen Markt. Bohnen, Spinat, Tomaten, Wassermelonen - alles mögliche. Ursprünglich wollten wir auch exportieren. Aber das ist schwierig, wenn sich keiner von uns beiden vor Ort nonstop darum kümmert. Aktuell kann ich nur ein-, zweimal pro Jahr vorbeischauen. Vielleicht intensiviere ich das nach meiner Fußball-Karriere.

Sie sind 28 Jahre alt: Wie planen Sie Ihre weitere Karriere?

Bauer: Die nächsten Jahre sehe ich mich hier in der Region. In Saudi-Arabien, vielleicht in Katar oder den Vereinigten Arabischen Emiraten. Ich bin aber offen, auch noch in ganz anderen Ländern zu spielen. Ostasien reizt mich, beispielsweise die Ligen in Südkorea, Japan, Thailand oder Indonesien. Meine Frau, unsere Kinder und ich wollen gemeinsam die ganze Welt erkunden.