Vom Hoffnungsträger des FC Bayern in die 4. türkische Liga: Der Absturz von Ex-Talent Sinan Kurt

Von Christian Guinin
Sinan Kurt
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Einst als neues Mega-Talent des deutschen Fußballs gefeiert, erlebte die Karriere von Sinan Kurt in den vergangenen Jahren einen steilen Absturz. Mittlerweile ist der 26-Jährige in der vierten türkischen Liga angekommen. SPOX fasst seinen Werdegang chronologisch zusammen.

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Juli 2007

Unmittelbar vor seinem elften Geburtstag wechselt Kurt von seinem Jugendverein Rheydter SV in die Jugend von Borussia Mönchengladbach. Bei den Fohlen durchläuft er innerhalb von sieben Jahren sämtliche Jugendmannschaften und kommt unter anderem für die U17, U19 sowie die zweite Mannschaft der Gladbacher zum Einsatz.

Bereits damals wird sein enormes Talent von den Verantwortlichen erkannt, zu einem Profi-Einsatz in Gladbachs erster Mannschaft soll es aber nicht mehr kommen.

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Juli 2014

Denn unmittelbar bevor er zur Saison 2014/15 zu den Profis befördert werden soll, funkt ein nationales Schwergewicht mit Interesse an einer Verpflichtung dazwischen. Der FC Bayern München hat ein Auge auf den mittlerweile 17-Jährigen geworfen.

Dem Angebot der Bayern kann Kurt nicht widerstehen - für insgesamt drei Millionen Euro wechselt er in den Süden Deutschlands, wo er mit einem Vierjahresvertrag bis 2018 ausgestattet wird. Überschattet wird der Transfer durch gegenseitige Schuldzuweisungen der Verantwortlichen der beiden Vereine.

So wirft Gladbachs damaliger Sportdirektor Max Eberl dem damaligen Bayern-Sportvorstand Matthias Sammer vor, geheime Absprachen mit Kurt getroffen zu haben und ohne das Wissen der Fohlen an den Youngster herangetreten zu sein. Die Bayern bestreiten das auf der Gegenseite.

Generell wird der Deal auf Seiten Mönchengladbachs kritisch gesehen. Im Internet wird Kurt von Gladbacher Anhängern für seine Entscheidung pro Bayern übel beschimpft, auch der damalige Nachwuchsleistungs-Chef und heutige BMG-Sportdirektor Roland Virkus sieht den Transfer kritisch: "Gladbach wäre die bessere Wahl gewesen", sagt er im Interview mit SPOX und GOAL.

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April 2015

Beim FC Bayern wird er zunächst lediglich in der zweiten Mannschaft eingesetzt. Erst am 28. April 2015, knapp neun Monate nach seinem Transfer zum deutschen Rekordmeister, schnuppert er seine ersten Minuten im Profidress. Beim Heimspiel gegen Hertha BSC wird Kurt in der Halbzeit für Gianluca Gaudino eingewechselt. Erst knapp ein Jahr später wird sich herausstellen: Es wird sein einziger Einsatz für die Bayern sein.

Das große Problem bei Kurt: Neben dem Platz macht er immer wieder mit Eskapaden auf sich aufmerksam. So lässt er seinen Friseur extra aus Düsseldorf nach München einfliegen oder chartert kurzerhand für sich und seine Freunde für 1.900 Euro einen privaten Hubschrauber von Cannes nach St. Tropez - eine Strecke von nicht einmal 85 Kilometern mit dem Auto.

Immer mehr verfestigt sich der Eindruck beim Youngster, der frühe Erfolg und das viele Geld sei ihm zu Kopf gestiegen. Einen ähnlichen Verdacht äußert auch Sammer, der mit der Entwicklung Kurts überhaupt nicht zufrieden ist: "Sinan hat das Problem, dass ihm in der Jugend schon alle gesagt haben, was für ein super Spieler er ist."

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Januar 2016

Auch deshalb hat er bei den Bayern keine Zukunft mehr. Zwar kommt er in der zweiten Münchner Mannschaft immerhin 36-mal zum Einsatz, wobei er acht Tore und vier Assists beisteuert, für die Ambitionen Kurts ist das aber zu wenig.

Zur Rückrunde 2016 schließt er sich deshalb der Berliner Hertha an, diese überweist für die Dienste des mittlerweile 19-Jährigen immerhin noch 500 Tsd. Euro. Auch hier unterzeichnet Kurt einen langfristigen Vertrag, bis zum Sommer 2019 bindet er sich.

Ähnlich wie schon bei den Bayern muss er sich aber zunächst mit Einsätzen in der zweiten Mannschaft begnügen. Bei den Profis schafft er es in der Rückrunde nicht ein einziges Mal in den Spieltagskader.

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Oktober 2016

Auf sein Profi-Debüt für die Hauptstädter muss er insgesamt neun Monate warten. Am 01.10.2016 wird er in der letzten Minute der regulären Spielzeit für Alexander Esswein eingewechselt, die Hertha besiegt den HSV schlussendlich mit 2:0. In den darauffolgenden Wochen darf er noch zwei weitere Kurzeinsätze absolvieren, mehr als nur ein paar Minuten bekommt er aber nicht.

Denn auch in Berlin macht er mehr mit Skandalen und Eskapaden als mit Leistungen auf dem Platz von sich reden. So soll er einem minderjährigen Mädchen Bilder von seinem erigierten Penis geschickt haben, worauf ein Strafbefehl gegen ihn beantragt wird.

Kurt kann sich diesem entziehen, bei der Hertha ist er aber folglich unten durch. Dort habe man ihm "den Spaß am Fußball genommen", sagt er später gegenüber der Sport Bild. "Ich hatte den Kopf nicht frei, weil ich wusste, dass es keine Ebene zwischen dem Trainer und mir gab."

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August 2017

Besagter Trainer ist zu diesem Zeitpunkt Pál Dárdai, der ihn im Sommer 2017 auch erstmals öffentlich kritisiert. Kurt würde eine schlechte Mentalität an den Tag legen, außerdem sei er schwer zu motivieren gewesen. "Wir gehen jetzt in die dritte Saison mit Sinan - und es gibt immer wieder die gleichen Rückfälle", schildert Dárdai: "Ich verstehe nicht, warum ich ihm das immer wieder sagen muss. Ich habe ein Problem, wenn man junge Spieler immer wieder motivieren muss."

Für die Berliner wird er nach den Aussagen des Hertha-Coaches kein einziges Profi-Spiel mehr absolvieren. Zwischenzeitlich wird er sogar vom Trainingsbetrieb suspendiert und schafft es nicht einmal mehr in den Kader der zweiten Mannschaft.

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Februar 2019

Anfang 2019 wird das Missverständnis zwischen der Hertha und Kurt schließlich beendet. Beide Seiten einigen sich auf eine Vertragsauflösung - trotz des noch halbjährig gültigen Arbeitspapieres. Kurt wechselt daraufhin in die zweite österreichische Liga zum WSG Wattens, wo ihn Trainer Thomas Silberberger ein "Ass im Aufstiegskampf" nennt.

Und tatsächlich: Zum ersten Mal in seiner Karriere scheint der Offensivspieler angekommen zu sein. Zwar gehört er auch bei Wattens nicht zum Kreis der unumstrittenen Stammspieler, Coach Silberberger setzt ihn aber regelmäßig ein. Am Ende gelingt ihnen mit Hilfe Kurts sogar der direkte Aufstieg in die erste Liga.

Doch die Freude ist nur von kurzer Dauer. Aufgrund einer Ausländer-Regelung in Österreichs Oberhaus, wonach Vereine, die vermehrt auf einheimische Spieler setzen, mit Geld-Prämien bedacht werden, wird Kurt vor die Tür gesetzt.

Wattens-Manager Stefan Köck schwärmt beim Abschied des Deutschen dennoch von dessen menschlichen Qualitäten. Weitere Eskapaden und Skandale hätte sich Kurt bei den Österrichern nicht geleistet. "Ich kann von dem Jungen nur das Beste sagen, er hat null Star-Allüren gehabt, er ist ein toller Mensch", erzählt Köck bei Laola1.at.

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September 2020

Trotz der warmen Empfehlung bleibt Kurt in der Folge über ein Jahr vereinslos. Erst im September 2020 kommt er wieder bei einem Klub unter. In der Nähe seiner Heimatstadt Mönchengladbach nimmt ihn der Regionalligist SV Straelen unter Vertrag.

Dort spielt er sich schnell in die erste Elf und ist bis Dezember auch gesetzt. Dann zieht er sich jedoch eine hartnäckige Muskelverletzung zu, worauf er über einen Monat lang ausfällt. Danach wird er nicht mehr berücksichtigt.

Klubboss Hermann Tecklenburg begründet dies später mit fehlenden Leistungen im Training und gleichzeitiger Tatsache, dass Kurt bei Straelen zu den Topverdienern gehöre. Die Verantwortlichen forcieren daraufhin eine Vertragsauflösung, der Kurt letztlich auch zustimmt.

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Januar 2021

Einen neuen Verein muss Kurt nicht lange suchen, nur wenige Wochen später heuert er in der Slowakei beim FC Nitra an. Dort ist unmittelbar zuvor eine deutsche Investorengruppe eingestiegen, die mit jungen, deutschen Spielern ein nachhaltiges Erfolgskonzept verfolgen möchte. Kurt soll Teil dieser Entwicklung werden.

Doch, wie so oft in Kurts Karriere, soll es auch hier nicht lange gut gehen. Nach anfänglich guten Leistungen wird er mit dem Fortschreiten der Rückrunde immer seltener eingesetzt. Zu allem Überfluss gibt es Probleme mit den Gehaltszahlungen an Kurt. Im Mai zieht er dann schließlich selbst die Reißleine und löst seinen Vertrag auf.

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November 2022

Ein zweites Mal in seiner Laufbahn bleibt Kurt über längeren Zeitraum ohne Verein. Erst knapp anderthalb Jahre nach seinem Nitra-Abenteuer heuert er beim türkischen Viertligisten Karaman FK an. Dort unterschreibt er einen Vertrag bis Ende Juni 2025.

"Aktuell sind wir Spitzenreiter in der 3. Lig und möchten mit deutschen Tugenden und türkischem Herzblut langfristig in die erste türkische Liga. Hierfür bringen wir unsere Erfahrungen aus Deutschland ein und versuchen derzeit, unseren Heimatverein nachhaltig im türkischen Profifußball zu etablieren. Hier zählen auch Transfers von deutsch-türkischen Talenten wie Sinan Kurt dazu", sagt Ehrenpräsident Mehmet Ali Han bei Kurts Vorstellung.

Da der Transfer offiziell erst vor wenigen Tagen vollzogen wurde, kommt Kurt nach heutigem Stand noch auf kein Pflichtspiel für seinen neuen Klub. Dennoch ist er sich sicher, dass es dieses Mal klappen wird. An die Chance, sich bei einem größeren Klub durchzusetzen, glaubt er nach wie vor: "Ich werde hier härter arbeiten und zu meiner alten Stärke und Leistung zurückkommen."

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