Als Thomas Tuchel am Freitag auf seiner letzten Pressekonferenz über seine Entscheidung sprach, den FC Bayern München zu verlassen, gab er viele Einblicke in die internen Entscheidungsprozesse.
"Es war immer meine Intention, in der Sommer-Transferphase gemeinsam mit Marco Neppe und allen, die dabei waren, das Bestmögliche aus Trainersicht herauszuholen. Immer mit dem Bewusstsein, dass es wirtschaftliche Zwänge gibt", erklärte er etwa zum Transfergremium des FCB im vergangenen Sommer: "Es ist kein Geheimnis: Je kleiner der Kreis, desto effektiver kann man arbeiten."
Ein mindestens leichter Seitenhieb, der zeigt, wie schwer sich Kaderplanung beim Rekordmeister derzeit gestaltet. Auf jede Idee vom operativ tätigen Personal kommen gefühlt zwei Anrufe vom Tegernsee. Uneinigkeit, aber als Klubphilosophie. Dementsprechend sieht der Kader letztlich auch aus.
Viele gute Spieler, viele teure Transfers, aber kein roter Faden. Da überrascht auch der Bericht der Bild nicht, dass aktuell sieben Spieler auf der Transferwunschliste des FC Bayern stehen sollen, die allesamt recht unterschiedlich sind. SPOX schaut sich die vermeintlichen Kandidaten an. Passen sie zum FC Bayern? Und was spräche gegen sie?
Assan Ouédraogo zum FC Bayern München?
Der zentrale Mittelfeldspieler des FC Schalke 04 steht bereits länger auf dem Wunschzettel des FC Bayern München, glaubt man zahlreichen Medienberichten. Dem 18-Jährigen soll laut Sky sogar ein unterschriftsreifer Vertrag vorliegen. Zum offiziellen Vollzug kam es bisher noch nicht. Konkurrenz bekommt der FCB nahezu aus ganz Europa. Zahlreiche Klubs sollen interessiert sein.
Mit einer Ausstiegsklausel von rund 15 Millionen Euro würde der Noch-Schalker kein finanzielles Risiko darstellen. Will man den Münchnern eine Art Transferstrategie in den letzten Jahren unterstellen, dann passt Assan Ouédraogo auch gut in das Beuteschema des Rekordmeisters. In den vergangenen Jahren war man immer bemüht, junge Spieler zu holen, bevor sie ihren großen Durchbruch haben.
Beispiele dafür sind Mathys Tel, Alphonso Davies oder auch Joshua Kimmich, wenn man etwas weiter zurückblickt. Ouédraogo bringt vor allem im Ballbesitzspiel viele Qualitäten mit, die dem FCB perspektivisch helfen könnten. Er ist ein sehr guter Kombinationsspieler, kann Spielsituationen schnell erfassen sowie lesen und ist technisch ein vielversprechender Spieler.
Auch athletisch spricht wenig gegen ihn. Verbesserungspotenzial gibt es in allen Bereichen der Defensivarbeit und im Antritt. Allerdings bringt Ouédraogo alles mit, um es bei einem großen Klub schaffen zu können.
Was spricht gegen Assan Ouédraogo beim FC Bayern?
Der Deutsche wäre ein klassischer Transfer des FCB. Finanziell und vom Entwicklungspotenzial her gibt es nichts, das gegen ihn spricht. Klar ist aber auch, dass man ihm eine Perspektive aufzeigen muss. Hier scheiterten die Münchner in der Vergangenheit immer mal wieder bei jungen Spielern. Gut möglich, dass sich Ouédraogo auch deshalb für einen anderen Klub entscheidet.
Jonathan Tah zum FC Bayern München?
Auch Jonathan Tah wäre ein klassischer Transfer des FC Bayern. Der Innenverteidiger käme nicht nur vom direkten Konkurrenten aus Leverkusen, sondern hat auch noch einen bald auslaufenden Vertrag (2025), der die Ablösesumme im Verbund mit seinem Alter etwas drücken dürfte.
Zwar will Leverkusen mit dem 28-Jährigen verlängern, doch nach mittlerweile neun Jahren bei der Werkself will Tah eventuell den Schritt zu einem größeren Klub gehen. Sollte Bayer das Triple gewinnen, gäbe es für ihn auch sportlich nicht mehr viel zu erreichen.
In den vergangenen Jahren war der Nationalspieler oft nicht konstant genug, um sich für größere Aufgaben zu empfehlen. Unter Xabi Alonso aber hat sich Tah zu einem absoluten Führungsspieler und Leistungsträger entwickelt. Er ist zweikampfstark, zuverlässig, schnell und auch am Ball zumindest solide. Die Bayern hatten defensiv trotz hoher Ausgaben in den letzten Jahren massive Probleme.
Was spricht gegen Jonathan Tah beim FC Bayern?
Ob Tah die entsprechende Lösung ist, darf aber bezweifelt werden. Zumal die Bayern mit Eric Dier, Matthijs de Ligt, Minjae Kim und Dayot Upamecano auf dem Papier starke Innenverteidiger haben. Die Probleme waren in den letzten Jahren auch dadurch begründet, dass die Mannschaft taktisch und strukturell nicht gut verteidigt hat und die Innenverteidiger damit zu schnell unter Druck geraten sind. Nach seiner Saison in Leverkusen hätte Tah gewiss den Anspruch, Stammspieler zu sein. Trotz seiner Qualitäten ist es fraglich, ob er im Vergleich zum vorhandenen Personal ein klares Upgrade wäre.
Chris Führich zum FC Bayern München?
Chris Führich ist ein weiterer Durchstarter der aktuellen Bundesliga-Saison. Mit starken Dribblings und viel Torgefahr hat er sich unter anderem für die Nationalmannschaft empfohlen und so gute Karten, bei der Europameisterschaft im eigenen Land dabei zu sein.
Der 26-Jährige ist schnell, durchsetzungsfähig und entwickelt mit seinen Tiefenläufen stets Druck auf die gegnerische Defensive. Bei den Bayern herrscht auf den Flügelpositionen durchaus Handlungsbedarf. Zwar ist man mit Kingsley Coman, Serge Gnabry und Leroy Sané theoretisch gut besetzt, doch praktisch fallen häufig mindestens zwei von ihnen gleichzeitig aus oder sie befinden sich in einem Formloch.
Führich könnte die Lücke als Herausforderer schließen. Für ihn spricht zudem, dass er in der Vergangenheit nur wenige lange Ausfallzeiten hatte. In einer Rolle, wie sie einst Ivan Perisic bei den Bayern hatte, könnte er gut funktionieren. Quasi ein Rotationsspieler mit der Fähigkeit, sich weiter oben in der Hierarchie festzubeißen.
Was spricht gegen Chris Führich beim FC Bayern?
Die ganz große Frage wäre, ob er bereit wäre, eine solche Rolle zu akzeptieren. Denn so berechtigt das Lob für den Rechtsfuß auch ist, so zweifelhaft ist es, ob er eine Lösung für mehr sein kann. Für den VfB Stuttgart kam Führich in 37 Pflichtspielen auf neun Tore und sieben Vorlagen. Das ist gut, aber auch nicht herausragend. Was den Bayern auf den Flügeln fehlt, sind vor allem Spieler, die konstant Torbeteiligungen sammeln können.
Führich hat zudem noch Vertrag bis 2028 und würde so sicher einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag binden. Geld, das der FC Bayern vielleicht eher woanders investieren sollte. Zumal der Stuttgarter seine erste Saison auf diesem Niveau gespielt hat. Er wäre in einem funktionierenden Team nicht das erste One-Hit-Wonder in der Geschichte der Bundesliga.
Amadou Onana zum FC Bayern München?
Amadou Onana steht bereits länger im Verdacht, ein Kandidat beim FC Bayern zu sein. Der 22-Jährige ist der Inbegriff einer "Holding Six". Einerseits ist er ein sehr robuster Zweikämpfer, andererseits weiß er sich im Defensivverhalten gut zu positionieren, um sich einen Vorteil zu verschaffen.
Onana ist kopfball- und laufstark, kann also sehr großräumig verteidigen. Damit scheint er der ideale späte Nachfolger von Javi Martínez zu sein. In seiner noch jungen Karriere hat er sich zudem schon eine beachtliche Anzahl von 71 Pflichtspielen für den FC Everton, 42 für Lille, 26 für den Hamburger SV und sieben für die TSG Hoffenheim erarbeitet.
Seine Zeit in Deutschland ist ein weiterer Vorteil. Onana spricht deutsch, was den Integrationsprozess beim FCB erleichtern würde.
Was spricht gegen Amadou Onana beim FC Bayern?
Mit einem von transfermarkt.de geschätzten Marktwert von rund 50 Millionen Euro und einer Vertragslaufzeit bis 2027 dürfte Onana sehr teuer werden. Zumal Premier-League-Spieler eher selten als Schnäppchen zu haben sind. Gleichzeitig muss die Scoutingabteilung des FC Bayern abwägen, ob er sportlich schon so weit ist. Trotz Erfahrung ist er bei Everton kein unumstrittener Stammspieler, muss auch mal auf die Bank. Mit 2.607 Minuten hat er klubintern die drittmeisten im zentralen Mittelfeld. Im Spiel mit dem Ball am Fuß hat er zudem einige Defizite, was bei einem Team wie Bayern ein Problem sein könnte. Es wäre ein hohes Risiko, weil kaum abzuschätzen ist, ob sein Niveau für einen Top-Klub ausreicht.
Frenkie de Jong zum FC Bayern München?
Den Niederländer hätten die Bayern laut Medienberichten schon in der Vergangenheit gern verpflichtet. Bisher gestaltete sich das Vorhaben aber eher schwierig. Weil der FC Barcelona aber auch im kommenden Sommer wieder finanzielle Mittel freimachen muss, um neue Spieler verpflichten zu können, könnte Frenkie de Jong wieder Thema in München werden.
Der Vertrag des 27-Jährigen läuft noch bis 2026, seine Saison bei Barça verlief mit einigen Verletzungen eher unglücklich. Unumstritten wirkt er längst nicht mehr, zumal er einer der Top-Verdiener des Kaders ist.
Sein Spielerprofil wäre ideal für den mitunter holprigen Spielaufbau des FC Bayern. De Jong ist technisch stark, hat eine gute Übersicht und spielt auch unter Druck präzise Pässe. Sein Spielverständnis ist auf höchstem Niveau und auch im Freilaufverhalten ist er sehr clever.
Was spricht gegen Frenkie de Jong beim FC Bayern?
Auch wenn er auf der Sechserposition spielen kann, war er in Barcelona meist als Achter aktiv. Er hat nicht ganz so viel Offensivdrang wie die aktuellen Mittelfeldspieler der Bayern, ist aber auch keine klassische Holding Six. Dafür fehlen ihm auch defensiv ein wenig Körperlichkeit und Zweikampfstärke.
Selbst wenn de Jong für eine moderate Ablösesumme zu erhalten wäre, bliebe immer noch das Gehalt. Laut dem Portal Capology, das Gehaltszahlen unter anderem von vermeintlichen Insidern bezieht, verdient der Nationalspieler aktuell 37,5 Millionen Euro brutto pro Jahr. Top-Verdiener bei den Bayern ist demnach Harry Kane mit 25 Millionen Euro brutto pro Jahr.
Theo Hernández zum FC Bayern München?
Der vielleicht wahrscheinlichste Kandidat auf der Liste? Theo Hernández wird ebenfalls schon länger mit dem FC Bayern in Verbindung gebracht. Laut Sky sei ein möglicher Transfer schon vorbereitet, in den spanischen Medien ist man sogar schon einen Schritt weiter.
Der Grund für das Zögern dürfte sein, dass die Bayern noch nicht sicher sind, wie es mit Alphonso Davies weitergeht. Akzeptiert der Kanadier das Angebot, das seit Wochen auf dem Tisch liegen soll, dürfte man in München kein Interesse daran haben, Hernández zu verpflichten. Lehnt Davies ab, wird der Franzose wohl ein heißes Thema.
Hernández ist offensivstark und sehr spielintelligent. Er kann sowohl im Kombinationsspiel als auch in kurzen Dribblings gut ins bisherige System der Bayern eingebunden werden. Defensiv hat er die eine oder andere Schwäche, war insgesamt aber zuverlässiger, als es Davies in den vergangenen Monaten war.
Hernández wäre eine Top-Alternative, sollten die Münchner Bedarf sehen. Zumal er als recht kompletter Linksverteidiger nahezu alle Rollen spielen kann und so in verschiedenen Systemen einsetzbar wäre.
Was spricht gegen Theo Hernández beim FC Bayern?
Sein Vertrag bei der AC Mailand läuft noch bis 2026. Laut Sky würde eine Ablösesumme von mindestens 60 Millionen Euro fällig. Viel Geld für eine Position, die nicht so entscheidend ist wie andere Baustellen des Rekordmeisters. Sportlich spricht fast nichts gegen Hernández, aber wirtschaftlich muss der FC Bayern entscheiden, wo sein Geld im Sommer am besten investiert ist, um den Kader stabilisieren zu können.
Xavi Simons zum FC Bayern München?
Der siebte Kandidat auf der Liste passt ebenfalls gut ins Beuteschema des FC Bayern: Xavi Simons hat sich in der Bundesliga ins Rampenlicht spielen können. Der 21-Jährige erzielte für RB Leipzig in 42 Einsätzen neun Tore und bereitete 15 Treffer vor.
Simons ist sehr stark in engen Räumen, verfügt über eine herausragende Ballkontrolle und ist vor allem auf den ersten Metern sehr antrittsschnell. Deshalb kann er sowohl auf beiden Flügeln als auch im Zentrum spielen. Der Niederländer ist ein brillanter Zocker und sorgt für besondere Momente.
Ein Spieler, der auf dem Radar des FC Bayern sein muss. Auch wenn er noch an seiner Konstanz arbeiten muss, ist sein Potenzial riesig. Hinzu kommt, dass Paris Saint-Germain, die Xavi Simons an Leipzig verliehen haben, laut der spanischen Sport bereit sein soll, ihn für 60 Millionen Euro ziehen zu lassen.
Was spricht gegen Xavi Simons beim FC Bayern?
Trotz des attraktiven Gesamtpakets ist die Frage allerdings, ob es konkreten Bedarf für das Top-Talent gibt. Zwar hat er für Leipzig mehrfach auf dem Flügel gespielt, konnte dort aber mit mehr Freiräumen agieren, als es beim FC Bayern der Fall sein wird. Xavi Simons ist kein klassischer Flügelspieler, sondern im Halbraum und in zentralen Räumen am stärksten.
Dort haben die Bayern bereits Jamal Musiala und schielen laut Gerüchten auf einen Transfer von Florian Wirtz in Zukunft. Ein Systemwechsel mit einem Fokus auf Halbraumzehner statt reinen Flügelspielern wäre denkbar. Allerdings wäre Xavi Simons eher ein Bonustransfer. Eine konkrete Baustelle würde er nicht schließen.