Thomas Tuchels Schachzug geht auf! Wie der FC Bayern vom Ende der Doppelsechs Kimmich/Goretzka profitiert

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Joshua Kimmich rechts hinten, Leon Goretzka als tiefer Sechser: Die beiden vielkritisierten Routiniers glänzen beim FC Bayern München plötzlich in neuen Rollen.

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Noussair Mazraoui sowie Winter-Neuzugang Sacha Boey fehlten verletzt, Konrad Laimer war nach seiner Wadenblessur noch nicht Startelf-bereit. Und Trainer Thomas Tuchel hatte soeben erfahren, dass er den FC Bayern München im Sommer verlassen muss. Deshalb könne er bei seinen Entscheidungen in der restlichen Saison nach eigener Auskunft "etwas rücksichtsloser" sein.

Diese spezielle Melange animierte Tuchel beim Bundesligaspiel vor zwei Wochen gegen RB Leipzig zu einer weitreichenden Entscheidung. Er tat, was sich breite Teile der deutschen Fußball-Öffentlichkeit schon lange wünschen. Eigentlich sogar alle Teile, bis auf das Teil Joshua Kimmich.

Tuchel beorderte Kimmich von der Sechs auf dessen alte, ungeliebte Position rechts hinten und sprengte somit die vielkritisierte Doppelsechs Kimmich/Goretzka: Bei den beiden vorangegangenen Pleiten gegen die biederen Mannschaften von Lazio Rom und des VfL Bochum hatte das Duo mal wieder maßlos enttäuscht. Zwei Wochen, einen Champions-League-Viertelfinal-Einzug und eine 8:1-Gala gegen den FSV Mainz 05 später lässt sich festhalten: Tuchels Schachzug geht auf!

Kimmich gefällt rechts hinten - was auch Bundestrainer Julian Nagelsmann gefallen dürfte, der ihn für die Heim-EM ebendort eingeplant hat. Goretzka wirkt als tiefer Sechser unterdessen prägend wie lange nicht mehr. Tuchels Umstellungen verliehen den Münchnern eine zuvor lange vermisste Struktur, die für die restliche Saison und vor allem das Champions-League-Viertelfinale Hoffnung macht.

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Thomas Tuchels Umstellungen griffen erst gegen Lazio Rom

Dabei funktionierte Tuchels Maßnahme nicht auf Anhieb. Gegen Leipzig gewann der FC Bayern zwar mit 2:1, Kimmich und auch Goretzka fielen aber noch nicht allzu positiv auf. Beim darauffolgenden 2:2 gegen den SC Freiburg wirkte vor allem Kimmich orientierungslos, bereits in der 64. Minute wechselte ihn Tuchel aus. Goretzka schob der Trainer in der zweiten Halbzeit bei Ballbesitz unterdessen etwas nach hinten, im Spielaufbau ließ er sich nun regelmäßig neben die beiden Innenverteidiger fallen.

Gegen Lazio positionierte Tuchel Goretzka von Beginn an tiefer und Kimmich erneut rechts hinten, obwohl mit Konrad Laimer mittlerweile wieder eine Alternative zur Verfügung stand. Tuchels Geduld sollte sich lohnen: Schon beim 3:0-Sieg gegen Lazio überzeugten Kimmich und Goretzka, nun beim 8:1 gegen Mainz glänzten sie richtiggehend. Obwohl sie nicht mehr nebeneinander spielen, spielen sie doch so gut zusammen wie lange nicht mehr.

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FC Bayern: Kimmich und Goretzka glänzten bei der Gala gegen Mainz

Goretzka erzielte einen Doppelpack, eingeleitet wurden beide Treffer ausgerechnet von seinem langjährigen Mittelfeld-Partner: Beim abschließenden 8:1 verwertete Goretzka eine Kimmich-Flanke direkt, beim 2:0 ging der Ball noch einen kleinen Umweg über Harry Kane und den Pfosten. "Jo spielt da eine entscheidende Rolle", betonte Goretzka. "Er hätte den Assist verdient gehabt, wenn Harry den Kopfball schon rein macht."

Generell kurbelte Kimmich das Angriffsspiel über die rechte Seite intensiv an. Er verzeichnete die meisten Ballaktionen, die meisten Pässe ins Angriffsdrittel und die meisten Flanken aller Münchner. "Ich kenne keinen Rechtsverteidiger auf der Welt, der auf dieser Position so viel Einfluss auf das Spiel haben kann wie er", lobte Goretzka. Kapitän Manuel Neuer meinte: "So wie er heute gespielt hat, sehe ich ihn da sehr gerne."

Abgesichert wurde Kimmichs Offensivdrang über rechts auch durch Goretzka, der bei Ballbesitz diesmal zwar nicht ganz auf einer Höhe mit den erneut sehr souveränen Innenverteidigern Eric Dier und Matthijs de Ligt aber dennoch tief agierte. "Wir haben mit dem Ball eine bessere Struktur, was im Umkehrschluss bedeutet, dass wir bei Ballverlust besser stehen", erklärte Goretzka zuletzt.

Tuchel lobte schon vor dem Mainz-Spiel Goretzkas Spielaufbau: "Er hat ein sehr gutes, hartes Passspiel und traut sich, durch die Lücken zu spielen." Gegen Mainz bediente er Harry Kane und Serge Gnabry vor deren Treffern mit maßgeschneiderten weiten Zuspielen, zusammen mit seinen beiden Toren kam Goretzka gegen Mainz somit auf spektakuläre vier Scorerpunkte. "Leon Goretzka war Spieler des Spiels", sagte Tuchel trotz Harry Kanes Dreierpack: "Er macht das sehr, sehr gut aktuell."

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FC Bayern: Vertragsgespräche mit Joshua Kimmich im "April, Mai"

An Goretzkas Seite im Mittelfeld kam gegen Mainz statt des Gelb-gesperrten Aleksandar Pavlovic der wiedergenesene Konrad Laimer zu seinem ersten Startelfeinsatz seit Ende Januar. Damals hatte der gelernte Mittelfeldspieler wie über weite Strecken der Hinrunde noch als Rechtsverteidiger aushelfen müssen, diese Position dürfte nun bis auf Weiteres von Kimmich blockiert sein.

Wie Kimmich selbst das findet? "Ich sehe mich da, wo mich der Trainer aufstellt", erwiderte er diplomatisch und ergänzte auf Nachfrage etwas genervt: "Jeder kennt die Antwort. Ich verstehe das nicht. Ist das echt noch eine Schlagzeile wert?" An seiner Präferenz für das Mittelfeld hat sich also trotz seiner guten Auftritte als Rechtsverteidiger erwartungsgemäß nichts geändert.

Die neue, alte Positionierung könnte auch Auswirkungen auf die anstehenden Vertragsgespräche haben. Kimmichs aktueller Kontrakt läuft 2025 aus, mehrere europäische Topklubs sollen Interesse zeigen - und könnten ihn mit einem Platz im Mittelfeld locken. Über eine vorzeitige Verlängerung habe "noch keiner mit mir gesprochen", verriet Kimmich nach dem Mainz-Spiel. Sportdirektor Christoph Freund kündigte an, dass man sich "im April, Mai zusammensetzen" wolle.

FC Bayern München: Die nächsten Spiele des FCB

DatumWettbewerbGegner
16. März, 15.30 UhrBundesligaSV Darmstadt 98 (A)
30. März, 18.30 UhrBundesligaBorussia Dortmund (H)
6. April, 15.30 UhrBundesliga1. FC Heidenheim (A)
13. April, 15.30 UhrBundesliga1. FC Köln (H)