BVB nach Remis beim FC Augsburg: Borussia Dortmund muss im Winter nachlegen

Von Justin Kraft
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Borussia Dortmund schafft es weiterhin nicht, Konstanz in seine Leistungen zu bekommen. Auch beim FC Augsburg offenbaren sich zahlreiche Probleme. Im Winter muss der BVB zwingend nachlegen.

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"Wir haben alles gegeben", analysierte Edin Terzic sichtlich ernüchtert nach dem 1:1 in Augsburg bei Sky: "Es hat heute nicht gereicht." Es sind zwei Sätze, die in Dortmund alle Alarmglocken schrillen lassen müssen.

Denn was ist die Schlussfolgerung, wenn der BVB alles gibt und nicht in der Lage ist, ein Spiel beim Zehnten der Bundesliga zu gewinnen? Diese aber wollte Terzic nicht über die Lippen bringen. Im Gegenteil: "Trotzdem haben wir einen deutlichen Schritt nach vorne gezeigt."

Er und sein Trainerteam hätten "viele Dinge" gesehen, die die Mannschaft "gut gemacht" habe. "Einige Dinge" wiederum hätten auch "nicht gefallen". Eine bemerkenswerte Analyse nach einem Spiel, das bei einem großen Teil der Fans abermals für Frustration gesorgt hatte. "Wir reisen weit, wir reisen viel und wir verkacken jedes Spiel", schrieb ein Fan unter einem BVB-Post auf X. Viele andere Kommentare sind weitaus weniger ironisch und richten sich auch und vor allem gegen Trainer Terzic.

Doch wer ist näher dran an der Realität? Und welche Strohhalme hat der BVB noch, an die er sich im Winter klammern kann? Drei Erkenntnisse aus dem Augsburg-Spiel.

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BVB: Immer wieder dieselben Themen

Vor dem Spiel beim FCA wurde Terzic gefragt, wie es ihm gelinge, die Gerüchte rund um seine Person ausblenden zu können. "Wie soll ich es ausblenden, wenn sie mich schon wieder darauf ansprechen", fragte der BVB-Trainer fast schon genervt. Eine menschliche Reaktion. Denn kaum jemanden wird das Aufkommen der stets selben Themen mehr nerven als den, der die Verantwortung trägt - zumindest mal auf dem Papier.

Wieder gelang es dem BVB gegen den FC Augsburg nicht, eine ordentliche Leistung von der Champions League in die Bundesliga zu transferieren. Wieder war man offensiv insgesamt zu harmlos und defensiv zu anfällig. Wieder wachte das Team zu spät auf, um noch einen Sieg einzufahren. Terzic hat zwar einen Punkt, wenn er das Aufbäumen zum Schluss lobend erwähnt, doch letztlich war es nicht zwingend genug.

Die fehlende Stabilität ausschließlich dem Trainer anzulasten wäre dennoch falsch. In Augsburg wurde abermals deutlich, dass es die vermeintlichen Achsenspieler sind, die ihre Kernaufgabe nicht erfüllen - nämlich für Stabilität zu sorgen. Gregor Kobel ist im Tor der stabilste BVB-Profi, der fast immer Top-Leistungen zeigt. Vorn hat sich mit Niclas Füllkrug eine weitere Konstante etabliert.

Der ehemalige Bremer war auch beim 1:1 wieder einer der besten Spieler. Immer anspielbar, immer bemüht darum, Struktur in eine Offensive zu bringen, die oft kopflos wirkt - Füllkrug wird dem Anspruch eines Achsenspielers gerecht.

Zwischen ihm und Kobel gibt es aber kaum Spieler, die dem restlichen Team Halt geben können. Marco Reus ist dazu nicht mehr in der Lage, Kapitän Emre Can hat häufig mit sich selbst zu kämpfen. In Augsburg wirkte er abermals unsicher, wenn der Gegner ihn unter Druck setzte. Und in der Innenverteidigung schaffen es weder Mats Hummels, noch Nico Schlotterbeck oder Niklas Süle, ihre individuellen Fehler abzustellen. Auf gute Leistungen folgen schnell schwächere.

Es ist müßig, darüber zu diskutieren, wie groß der Anteil des Trainers daran ist. Spieler mit den Ansprüchen der genannten Namen müssen dazu fähig sein, ein Team durch schwierigere Zeiten zu tragen. Gern wird über fehlende Qualität im Kader diskutiert. Ein richtiger Punkt. Trotzdem sollte der Blick zuerst zu jenen gehen, die die Qualtät haben, sie aber nicht konstant zeigen.

Die Wankelmütigkeit des BVB ist letztlich auch darin begründet, dass es keine Achse gibt - das betrifft die taktische Stabilität, die vom Trainerteam ausgehen muss, ebenso wie die individuelle Stabilität, die von den Führungsspielern ausgehen sollte.

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BVB: Immer wieder positive Ansätze

Was Terzic noch viel mehr nerven dürfte, ist, dass die Mannschaft immer wieder gute Phasen hat - und wenn es manchmal nur eine Sequenz ist. Die Tempoverschärfung von Reus sowie das Zusammenspiel zwischen Füllkrug und Donyell Malen beim Führungstreffer war ein gutes Beispiel dafür, dass diese Spieler schnell und attraktiv miteinander Fußball spielen können.

Das Steil-Klatsch-Spiel mit Füllkrug funktionierte in den vergangenen Wochen sehr gut. Immer wieder kam der BVB so auch in komplizierten Spielen zu Torabschlüssen. Der Nationalstürmer ist ein wichtiger Fixpunkt für die dynamischen Mittelfeldspieler. Dass Terzic jüngst wieder zu einer offensiveren Ausrichtung umstellte, war genau richtig. Gegen Paris Saint-Germain zeigte der BVB phasenweise sehr gute Angriffe mit vielen gegenläufigen Bewegungen und mit Tiefgang.

Auch Julian Brandt und Reus hatten jetzt gegen Augsburg wieder einige gute Szenen miteinander, in denen sie mit wenigen Aktionen Raum für gefährliche Angriffe öffnen konnten.

Malen wurde mehrfach halbrechts stark in die Tiefe geschickt und allgemein gab es auf dem Flügel einige Angriffe, aus denen der BVB hätte mehr machen müssen. Häufig war es der letzte Pass, der nicht sein Ziel fand, aber es gibt positive Ansätze, auf die man aufbauen kann.

Manchmal fehlte das Quäntchen Geschick im Abschluss. Trifft Malen im zweiten Durchgang in einer seiner vielen guten Aktionen zum 2:1 oder köpft Füllkrug aus der Distanz in das leerstehende Tor, wäre der Tenor anschließend wohl ein anderer gewesen.

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BVB: Immer wieder dieselben Ausreden

Und doch muss man in Dortmund aufpassen, sich diese Ansätze nicht zu schön zu reden. Selbst die vermeintliche Diskrepanz zwischen Champions League und Bundesliga ist größtenteils anhand von Ergebnissen konstruiert. In Newcastle hatte der BVB ebenso Spielglück wie beim Sieg in Mailand. Beide Spiele hätten mit etwas mehr Konsequenz beim Gegner anders laufen können.

Das bedeutet nicht, dass die Champions-League-Gruppenphase kein Erfolg gewesen wäre. Dortmund qualifizierte sich in einer schweren Gruppe verdient für das Achtelfinale. Doch auch da waren die Unstimmigkeiten sowie die Probleme bereits sichtbar. Dass eine Phase kommen würde, in der man sich nicht mehr auf das Spielglück verlassen kann, war absehbar.

In Dortmund aber war man stets darum bemüht, die zweifellos gute Jahresbilanz so zu interpretieren, dass jegliche Kritik unangebracht wäre. Man fand nach vermeintlichen Ausrutschern immer dieselben Ausreden. Nun sind es bereits sechs Punkte Rückstand auf RB Leipzig. Bayern und Leverkusen sind ohnehin nicht mehr in Sichtweise. Die Zeit der Ausreden sollte vorbei sein. Die Zeit der Rechtfertigung sowieso.

"Wir wissen, um unsere Tabellensituation. Wir werden nach Mainz ein Fazit ziehen und die Dinge analysieren", kündigte Sebastian Kehl bei Sky an: "Dann werden wir wieder angreifen. Die Quali für die Champions League dürfen wir nicht aus den Augen verlieren." Ohne nennenswerte Verstärkungen wird es für den BVB schwierig, Stabilität in dieses Team zu bekommen und die Ziele zu erreichen. Am ehesten spielt den Dortmundern noch in die Karten, dass es je nach Abschneiden der deutschen Mannschaften in Europa einen fünften Champions-League-Startplatz für die kommende Saison geben könnte.

Kehl ist dennoch auf dem Transfermarkt gefordert, Terzic auf der Trainerbank. Denn sich darauf zu verlassen, kann nicht der Anspruch sein. Wenn Borussia Dortmund in der Bundesliga mit großem Abstand nach oben auf dem fünften Platz steht, aber "alles gegeben" hat, dann stimmt etwas grundsätzlich nicht. Das zu realisieren und zu akzeptieren, ist der erste wichtige Schritt vor dem Jahreswechsel.

BVB: Die nächsten Spiele von Borussia Dortmund

DatumWettbewerbGegner
19. Dezember, 20.30 UhrBundesliga1. FSV Mainz 05 (H)
13. Januar, 18.30 UhrBundesligaSV Darmstadt 98 (A)
20. Januar, 15.30 UhrBundesliga1. FC Köln (A)
27. JanuarBundesligaVfL Bochum (H)
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