"Kretzsche ist herzlich eingeladen"

Bob Hanning (r.) ist DHB-Vize und Manager der Füchse Berlin
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WM-Qualifikation verpasst, Bundestrainer-Suche, WM-Wildcard bekommen - Bob Hanning erlebt aktuell eine bewegte Zeit. Der Manager der Füchse Berlin und der für den Bereich Leistungssport verantwortliche DHB-Vizepräsident spricht im SPOX-Interview über das unverhoffte Ticket nach Katar und regt sich über die deutsche Gesellschaft auf. Außerdem: Was kann der Handball vom Fußball lernen? Was hält er von einer Zusammenarbeit mit Stefan Kretzschmar? Wieso gratuliert er dem THW Kiel? Warum ist er schockiert? Die Antworten.

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SPOX: Herr Hanning, Deutschland ist aus dem Nichts plötzlich doch bei der WM 2015 dabei. Was bedeutet das für den deutschen Handball?

Bob Hanning: Wir freuen uns, über den zweiten Bildungsweg dabei sein zu dürfen. Auf dem Weg zur WM 2019 im eigenen Land ist diese Entscheidung des IHF-Rates sicherlich sehr hilfreich für uns.

SPOX: Man kann es auch durchaus kritisch sehen. Eine Mannschaft, die sich sportlich nicht qualifiziert hat, die salopp formuliert dann auch bei der WM eigentlich nichts zu suchen hat, ist jetzt doch dabei. Auch einige Experten haben sich kritisch geäußert. Können Sie das nachvollziehen?

Hanning: Wir haben uns durch das gute Abschneiden bei der WM 2013 den ersten Nachrückplatz verdient. Deutschland ist nicht der erste Nachrücker in der Geschichte des Sports. Es entspricht aber unserer Gesellschaft, immer wieder das Negative herauszustellen - eigentlich unfassbar. Wir werden alles daran setzen, eine gute WM zu spielen.

SPOX: Im Handball liegt bekanntermaßen alles sehr eng zusammen. Sind Sie davon überzeugt, dass das Team bei der WM sogar nicht nur dabei sein, sondern auch eine gute Rolle spielen kann?

Hanning: Wir befinden uns im Umbruch, haben aber dennoch eine Vielzahl erfahrener Spieler mit an Bord. Das Viertelfinale zu erreichen ist für eine deutsche Mannschaft, auch wenn wir auf dem letzten Platz der Setzliste sind, immer ein zu erreichendes Ziel.

SPOX: Wie ist der Stand in Sachen Trainersuche für die Nationalmannschaft? Wäre es nicht von Vorteil gewesen, wenn man viel schneller nach dem Scheitern einen neuen Mann präsentiert hätte, um sofort einen Neuanfang nach außen zu verkaufen?

Hanning: Wir haben uns bei unseren wesentlichen Weichenstellungen die nötige Zeit gelassen. Es geht nicht darum, Medien zu befriedigen, sondern mit Nachhaltigkeit etwas zu entwickeln. Wir haben mit der "AOK" einen neuen Kooperationspartner gefunden und hätten vorher sicherlich eine schlechtere Lösung unterschreiben können. Auch bei der Suche des Generalsekretärs sind wir sehr sorgsam und gewissenhaft mit den Themen umgegangen. Die dritte Schlüsselszene ist sicherlich der Bundestrainer und wir lassen uns von nichts und niemandem unter Druck setzen, der es hinterher nicht zu verantworten hat.

SPOX: Heiner Brand hat einen deutschen Bundestrainer gefordert. Ist es für Sie auch klar, dass es ein Deutscher werden muss?

Hanning: Wir versuchen im Ganzen zu denken und werden uns nicht von Anfang an beschränken. Grundsätzlich kann ich den Ruf nach einem deutschen Trainer durchaus verstehen, aber er ist nicht zwingend.

SPOX: Gibt es im Nachhinein etwas, das Sie sich selbst vorwerfen? Eventuell zu spät reagiert zu haben?

Hanning: Das damalige Präsidium hat an dem Bundestrainer festgehalten und wir haben die Entscheidung mitgetragen, weil wir davon überzeugt waren, dass dies eine richtige Entscheidung war. Nein, wir haben uns hier nichts vorzuwerfen.

SPOX: Wäre es nicht sinnvoll, gerade in der jetzigen Phase dem Handball wieder einen Push zu geben, indem man eine Persönlichkeit wie Stefan Kretzschmar in irgendeiner Funktion einbindet. Was halten Sie konkret davon, sich mit Kretzsche über eine Zusammenarbeit zu unterhalten?

Hanning: Jeder, der mitarbeiten will, kann dies gerne tun - natürlich ist auch ein Stefan Kretzschmar dazu herzlich eingeladen.

SPOX: Handball ist nach Fußball nach wie vor die Sportart, die das Land rocken kann. Millionen schauen sich eine erfolgreiche Nationalmannschaft im TV an, wie ist Ihre Vision bis zur Heim-WM 2019?

Hanning: Wir sind dabei, aus dem Sanierungsfall wieder ein starkes Ganzes zu machen. Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat um die Jahrtausendwende herum auch am Boden gelegen. Eine ähnliche Situation haben wir hier auch vorgefunden. Erfolg zu bauen braucht Zeit, Geduld und richtige Entscheidungen. Erfolg kann man nicht herbeireden, sondern man muss sich ihn hart erarbeiten. Wir sind erst am Anfang dieses schmerzlichen Prozesses und ich bin mir sicher, dass wir noch den einen oder anderen Nackenschlag in manchem Bereich erleben werden. Dennoch bin ich zu hundert Prozent davon überzeugt, dass wir durch Konsequenz und Unbeirrbarkeit auf der einen Seite, zuhören und offen sein auf der anderen Seite zu dem sportlichen Erfolg mit Nachhaltigkeit kommen können. Was mich schockiert, ist, dass man manchmal den Eindruck hat, dass persönliche Interessen vor denen des deutschen Handballs stehen und dass es oftmals so ist, dass man den Eindruck hat, dass uns mehr Menschen innerhalb des Handballs Messer in den Rücken schlagen als außerhalb.

Seite 1: Hanning über die WM-Teilnahme und Kretzschmar

Seite 2: Hanning über den Nachwuchs und Kiels Vormachtstellung

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