Chapter One: Chambers Bay?

Von Marco Kieferl
Jordan Spieth und Rory McIlroy sind die großen Favoriten bei den US Open
© getty

Mit dem Sieg beim US Masters hat sich Jordan Spieth endgültig zum Verfolger von Golfdominator Rory McIlroy aufgeschwungen. Auf der US PGA Tour liefern sich beide mit Fabelergebnissen ein packendes Fernduell um die Weltspitze. Im Duell USA vs. Europa und Longhitter gegen Putter beschwören die Medien eine epische Rivalität herauf. Der Herausforderer will davon gar nichts wissen.

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Was ist es, das uns am Sport am meisten beeindruckt? Rekorde, Titel, Heldentaten? Es sind die großen Duelle und Ausnahmekönner, die in den Köpfen bleiben und Legenden erschaffen. Nicht von ungefähr fürchtet die deutsche Bundesliga eine jahrelange Bayerndominanz, nicht umsonst stand und fiel die Popularität des Golfsports mit Tiger Woods.

Nichts ist so schädlich für das Geschäft wie Langeweile. Was im Fußball die Dominanz ist, ist im Golfsport die Ausgeglichenheit. Tiger Woods verhalf durch seine außerirdischen Performances einer ganzen Sportart zum Aufschwung. In seiner Abwesenheit verzeichneten die letztjährigen US Open einen nie dagewesenen Einbruch der TV-Quoten, Ticketpreise fielen auf ein Drittel des Vorjahrespreises.

Seit einigen Jahren hat Golf in Rory McIlory einen neuen Hoffnungsträger, doch vor allem amerikanische Fans und Medien sehnen sich nach mehr. Gesucht wird der große Widersacher des nordirischen Dominators, wie ihn Tiger Woods in Phil Mickelson, Arnold Palmer in Jack Nicklaus und Ben Hogan in Sam Snead hatte. "Die drei Dinge, die ich am meisten im Golf fürchte", soll Letzterer einmal gesagt haben: "sind Gewitter, ein Bergab-Putt und Ben Hogan."

Spieth' Durchmarsch - McIlroys Konter

Wie gern würden sie in Amerika einmal wieder solche Sätze hören. Der kometenhafte Aufstieg von Jordan Spieth inklusive dessen Masters-Sieg und dem Sprung auf Rang zwei der Weltrangliste kommt dabei wie gerufen. Die 21 Jahre alte US-Golfhoffnung führt in dieser Saison den FedEx-Cup vor Jimmy Walker und Rory McIlroy an. Der Nordire hat seinerseits die Führung im Race to Dubai und der Weltrangliste inne. Nummer eins der Welt gegen Nummer zwei - alles wie gemacht für ein episches Duell, das den Golfsport auf Jahre elektrisiert.

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Die Hoffnungen sind groß, zu einer Rivalität fehlen aber noch ganz entscheidende Merkmale. In den zweieinhalb Jahren, in denen Jordan Spieth ernsthaft auf der PGA Tour unterwegs ist, kam es nie zu einem direkten Matchup um einen Titel. Beide Spieler sprechen äußerst respektvoll übereinander, von Giftpfeilen fehlt jede Spur. Vielleicht fehlt es aber auch nur an den engen Duellen, den schmerzhaften Niederlagen und knappen Siegen um das Verhältnis auf die Snead-Hogan-Stufe zu stellen.

McIlroys gescheiterte Aufholjagd bei den US Masters in Augusta im Fernduell mit einem furios aufspielenden Jordan Spieth könnte ein erster kleiner Schritt gewesen sein. In jedem Fall scheint den 26-jährigen Nordiren der fabelhafte Saisonauftakt von Spieth mit zwei Siegen und drei zweiten Plätzen angestachelt zu haben: In den fünf Wochen nach der Galavorstellung des Amerikaners gewann McIlroy das WGC-Cadillac Matchplay Championship und die Wells Fargo Championship.

"Gegner ist egal"

Gary Woodland hatte für seine Niederlage im Matchplay-Finale drei Wochen nach dem ersten Major des Jahres eine interessante Erklärung: "Ich bin mir sicher, Spieths Sieg beim Masters hat Rory ein wenig motiviert. Niemand mag es, wenn ihm das Rampenlicht gestohlen wird und Jordan hat sich in letzter Zeit viel davon gesichert."

Also doch kleine Eitelkeiten bei McIlroy? Seine Äußerungen im Vorfeld der Players Championship könnte man so oder so deuten: "Letztes Jahr war es Rickie Fowler, dieses Jahr ist es Jordan, es hätte aber auch Tiger sein können. Es gab in letzter Zeit mehrere Duelle an der Weltspitze, solange ich einer der beiden Rivalen bin, ist mir der Gegner egal."

Der Herausforderer will von einem Duell auf Augenhöhe trotz der aktuellen Lobeshymnen noch nichts wissen. "Ich möchte dort hinkommen, wo Rory aktuell ist, im Moment aber sehe ich mich noch nicht auf diesem Level", gab sich Spieth zuletzt bescheiden: "Es wäre ein tolles Ziel, das Duell an der Weltspitze so interessant wie möglich zu gestalten und eines Tages die Führung zu übernehmen. Das bedeutet aber nicht, dass nur wir beide bei jedem Event um den Sieg kämpfen, dafür ist das Feld zu ausgeglichen."

Eine Klasse für sich

Das Spielerfeld auf der Golfbühne mag für die ganz großen Alles-Oder-Nichts-Rivalitäten mittlerweile vielleicht tatsächlich zu groß sein, die Art und Weise mit der sich beide Athleten aber in dieser Saison vom Rest der Welt abhoben, macht jedoch Hoffnung auf mehr.

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Beide weisen 2015 den besten Durchschnittsscore auf der US PGA Tour auf, wobei Spieth mit 69.19 Schlägen pro Runde in dieser Kategorie hauchdünn vor McIlroy führt. In der Kategorie der meisten Birdies pro 18 Loch sind beide ebenfalls in den Top5 zu finden.

Die Unterschiede im Spielstil sind dabei schon deutlich größer. McIlroy sagte einst über sich selbst: "Es ist immer schwer für mich, wenn ich den Driver nicht in die Hand nehmen kann, weil ich das Gefühl habe, dass ich mir mit diesem Schläger einen Vorteil gegenüber dem Rest des Feldes verschaffen kann."

McIlroys Driver vs. Spieth' Putter

Der Nordire definiert sich über sein ausgezeichnetes Ballstriking, zählt vom Tee zu den längsten und genauesten Spielern auf der gesamten Tour. McIlroy trifft in 70.45% der Fälle das Green in Regulation und erarbeitet sich dank seiner enormen Länge und Präzision mit den langen Eisen die meisten Eagle-Chancen auf der Tour.

Spieth gab unlängst zu, dass er auch gerne McIlroys Power hätte. Er selbst definiert sich mehr über ein ausgezeichnetes kurzes Spiel. Er mag weniger Fairways und Grüns treffen, gehört dafür bei den Annäherungsschlägen aus 115 Metern und weniger zu den präzisesten Spielern der Tour. Auf dem Grün ist der Mann, der bei den kurzen Putts ausschließlich auf das Loch und nicht auf den Ball blickt, mit 27,69 Versuchen statistisch gesehen sogar Branchenkrösus.

Bei der Players Championship konnte man beide schon im direkten Duell bewundern, das große Feuerwerk blieb jedoch aus. Bei den US Open in Chambers Bay bietet sich nun die nächste Gelegenheit. Die Voraussetzungen für das erste große Duell könnten besser kaum sein. McIlroy ist aktuell ohne Frage der heißeste Spieler der Welt, doch auch Spieth konnte mit seinem zweiten Platz bei der Crowne Plaza Invitational wieder auf sich aufmerksam.

US Open: Advantage Spieth!

Phil Mickelson sprach nach ersten Proberunden von einem British-Open-Course, Ian Poulter sogar von einer "Farce", Chambers Bay als US-Open-Course auszuwählen. Auf einem Platz, an dem die traditionell großen Baumbestände und pfeilschnellen Grüns ausbleiben, ist Platzkenntnis das Zünglein an der Waage.

Mickelsons Caddie Jim Mackay drückte es so aus: "Kaum jemand scheint wirklich viel über diesen Platz zu wissen. Die Ironie dahinter ist, dass der eine Kerl, der diesen Platz in und auswendig kennt, die Tasche von Jordan Spieth trägt." Michael Greller ist eben jener Mann an der Seite des neuen Superstars und war vor mehreren Jahren in eben diesem Club angestellt.

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Rory McIlroy bügelte jegliche Bedenken in diese Richtung umgehend ab: "So wie die Tour heute ist wird niemand dort hinfahren und zehn Proberunden spielen können." Die Experten-Meinung eines Mike Davis, wonach niemand dieses Turnier ohne ausreichende Platzkenntnis gewinnen könne, stört den Nordiren da wenig. Oder anders gefragt: "Welches Handicap hat Davis nochmal?"

Rivalität zweitrangig

Bei dem schier unglaublichen Potential beider Spieler wird es in den kommenden Jahren zum Duell McIlroy vs. Spieth kommen. Die Frage ist nicht ob, sondern wann. Die US Open scheinen ob des Spielstils beider dafür prädestiniert, ob im Anschluss eine Rivalität entsteht, bleibt offen.

Phil Mickelson und Tiger Woods werden seit jeher in die Kategorie der großen Golfduelle gesteckt, obwohl niemals auch nur einer von beiden ein böses Wort über dennanderen verlor. "Tiger zwang mich, noch härter zu arbeiten", sagte Lefty einst über seinen großen Kontrahenten: "Er hat das beste in mir zum Vorschein gebracht, vor allem dann, wenn wir gegeneinander spielten."

Trifft selbiges auf McIlroy/Spieth zu, wird die eigentliche Rivalitätsdebatte in der Golfwelt bald schon niemanden mehr interessieren.

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