"Ich bin sicher kein Alleinherrscher"

Ralf Rangnick arbeitete lange hinter den Kulissen in Leipzig und Salzburg
© RedBull

Nach vier Jahren Pause steht Ralf Rangnick wieder als Trainer an der Seitenlinie. Beim ambitionierten Zweitligisten RB Leipzig ist er nun Chefcoach und Sportdirektor in Personalunion. Rangnick spricht im Interview über die erfolglose Trainersuche, seinen Ruf als Kontrollfreak und die sportlichen Ziele des Klubs.

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SPOX: Herr Rangnick, Sie sind als neuer Cheftrainer von RB Leipzig erst nach dem offiziellen Trainingsauftakt zur Mannschaft gestoßen, weil Sie noch Urlaub in Italien gemacht haben. Es hieß, man musste Sie zu dieser Auszeit überreden.

Ralf Rangnick: Es ist darüber komischerweise viel geschrieben worden, das meiste davon hatte allerdings wenig mit der Realität zu tun. Die Vereinsführung hat mir den Urlaub nicht verordnet, sondern er war schon lange gebucht und geplant. Wir haben uns dann gemeinsam abgestimmt, dass ich zum Start nicht dabei bin, weil es eben zuvor schon viel Arbeit für mich war und es nun auch nicht weniger wird.

SPOX: Konnten Sie dabei abschalten oder bimmelte das Handy dann doch permanent?

Rangnick: Ich habe den Urlaub sehr genießen können, da wir zu diesem Zeitpunkt mit der Kaderplanung glücklicherweise schon sehr weit waren. Wir wussten genau, was wir suchten. Es hat sich dann letztlich bestätigt: Wir haben all diese Spieler auch bekommen. Daher war auch das Handy die meiste Zeit ausgeschaltet.

SPOX: Um wie viel Geld hätten Sie denn noch vor einem halben Jahr gewettet, dass Sie nicht Trainer in Leipzig werden würden?

Rangnick: Ich wette grundsätzlich nicht um Geld.

SPOX: Dann anders: Hätten Sie es vor sechs Monaten für möglich gehalten?

Rangnick: So weit brauchen Sie gar zurück zu gehen: Ich hätte das noch vor sechs Wochen ausgeschlossen.

SPOX: Vorstandschef Oliver Mintzlaff sprach bei Ihrer Präsentation über Sie als die 1A-Lösung auf der Trainerposition. Sie hatten sich zuvor eigentlich immer gegenteilig geäußert. Weshalb ist es jetzt doch gut, dass Sie das Amt übernommen haben?

Rangnick: Das muss man im Kontext mit den Gesprächen sehen, die in den Monaten zuvor stattgefunden haben. Wir haben sehr intensiv und bedacht mit mehreren Trainerkandidaten Gespräche geführt. Aus unterschiedlichen Gründen haben diese allerdings nicht zum Ziel geführt. Sei es, weil sich der eine oder andere am Ende doch nicht vorstellen konnte, in der 2. Liga tätig zu sein oder er seinen aktuellen Verein nicht verlassen wollte. Als vor fünf Wochen der letzte Trainerkandidat, bei dem wir uns relativ sicher waren, dass es richtig gut passen könnte, abgesagt hat, stand die Frage im Raum: Wie geht es jetzt weiter?

SPOX: Mit Ihnen.

Rangnick: Irgendwo war der Pool an für uns in Frage kommende Trainer endlich, das muss man klar sagen. Für uns ist es wichtig, dass ein Trainer schon gewisse Erfahrungen mit dieser Art von Fußball, wie wir ihn spielen wollen, gesammelt hat. Nach viel Nachdenken und einer letzten Nacht darüber schlafen ist uns dann klar geworden, dass es jetzt wahrscheinlich in dieser Situation wirklich besser ist, wenn ich es selbst mache.

SPOX: Was waren dafür die ausschlaggebenden Gründe?

Rangnick: Es ist zum einen kein richtiger Trainerwechsel. Ich kenne die Mannschaft mit am besten - sowohl die Spieler, die schon da waren, als auch diejenigen, die wir jetzt geholt haben. Zum anderen konnten wir, wie sich im Nachhinein auch bestätigt hat, Spieler holen, die wir sonst wohl nicht bekommen hätten. Wir haben nun einen Kader beisammen, wie wir ihn uns gewünscht haben. Damit sind wir aber noch nicht aufgestiegen. Jetzt geht es darum, daraus eine richtige Truppe zu formen, die zusammen durch dick und dünn geht und vor allem auch taktisch auf hohem Niveau spielt.

SPOX: Sie haben es schon angedeutet: Als Cheftrainer und Sportdirektor in Personalunion wird der Stress nun wieder sehr groß werden.

Rangnick: Gegenüber den letzten drei Jahren wird die reine Arbeitszeit wahrscheinlich weniger. Verändern wird sich vor allem der Fokus: ich kümmere mich jetzt natürlich verstärkt um die Mannschaft und die Aufgaben, die damit verbunden sind. Das bedeutet wiederum, dass ich einige andere Dinge nun weniger intensiv begleiten werde als zuvor.

SPOX: Um welche Dinge geht es da?

Rangnick: Beispielsweise um noch regelmäßigere Termine mit unserer Scouting- und Videoanalysenabteilung oder um die Aus- und Weiterbildung unserer Nachwuchstrainer. Ich habe mich bisher auch immer als Coach für die Coaches gesehen. Da ich nun nach Leipzig ziehe, hätte ich dafür noch mehr Zeit als sonst aufwenden können. All dies wird in der Prioritätenliste zugunsten der Arbeit mit der Mannschaft künftig ein wenig hinten anstehen. Das macht mir aber keine großen Sorgen. Wir haben den Kader jetzt so stehen, wie wir ihn uns gewünscht haben. Daher glaube ich nicht, dass wir im nächsten Jahr allzu große Umbaumaßnahmen vor der Tür stehen haben. Für ein Jahr ist das somit kein Problem.

SPOX: Top-Kandidat für den Trainerposten war lange Zeit Thomas Tuchel, der Ihr Spieler in Ulm war und den Sie einst beim VfB Stuttgart als Nachwuchscoach engagiert haben. Wieso hat es bei ihm und anderen Kandidaten so lange gedauert, bis sie zu der Erkenntnis kamen, doch nicht in die 2. Liga gehen zu wollen?

Rangnick: Bei Thomas war es beispielsweise so, dass er auch mit anderen Vereinen gesprochen hat. Zum Zeitpunkt der Gespräche, die er mit dem Hamburger SV geführt hat, wusste er ja aber auch noch nicht, in welcher Liga der HSV künftig spielen würde. Von daher kann ich Ihnen die Frage nicht konkret beantworten. Unsere Gespräche haben sich über einen gewissen Zeitraum erstreckt und wir haben dann auch für uns festgestellt, dass das Thema Thomas Tuchel zu unsicher war. Daher haben wir uns relativ frühzeitig von dem Gedanken verabschiedet.

SPOX: Es wurde bisweilen als Niederlage interpretiert, dass Sie sich bei der monatelangen Trainersuche letztlich selbst gefunden haben. Ist das für Sie nachvollziehbar?

Rangnick: Nein, das ist keine Niederlage. Weshalb denn auch? Wir haben von Anfang an gesagt, dass der Pool von in Frage kommenden Trainern relativ klein ist. Er war nachher sogar etwas größer, als ich zum damaligen Zeitpunkt annahm. Aber es ist eben auch immer eine Frage des Timings: Ist es in dem Moment der richtige Zeitpunkt, passt es zusammen? So war es beispielsweise bei einigen Kandidaten, die ihren jetzigen Arbeitgeber momentan nicht verlassen wollten. Am Ende trage ich in Leipzig so oder so die Verantwortung.

SPOX: Sie sind ja letztlich auch kein Unbekannter auf diesem Posten.

Rangnick: Richtig, ich verfüge über langjährige Erfahrung in diesem Amt. Es ist für mich kein Problem, dass ich jetzt wieder Trainer bin. Nach den Begebenheiten war es im Endeffekt auch der logische Schluss. Ich glaube allerdings weiterhin, dass es mittel- und langfristig für die Entwicklung unserer Ziele besser wäre, wenn ich wieder in meine ursprüngliche Rolle schlüpfe und diesen Gesamtüberblick hätte. Das wird aller Voraussicht nach in einem Jahr auch der Fall sein.

SPOX: Sind Sie sich da sicher?

Rangnick: Stand jetzt gehe ich davon aus, ja.

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