WM

"Verrückte brauchen Liebe"

Von Adrian Bohrdt
Cesare Prandelli muss sich zwischen Mario Balotelli und Ciro Immobile entscheiden
© getty

Italien will in Brasilien Wiedergutmachung für die WM 2010 und geht trotz einer schwarzen Serie im Vorfeld des Turniers und gemischten Gefühlen in der Heimat mit Optimismus ins erste Spiel gegen England (ab 0 Uhr im LIVE-TICKER). Auch der Ausfall von Gianluigi Buffon und Riccardo Montolivo soll die Squadra Azzurra nicht stoppen, im Sturm tobt noch der Zweikampf zwischen Mario Balotelli und Ciro Immobile.

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Es war erst sein drittes Länderspiel, doch Serie-A-Torschützenkönig Immobile hat bei der WM-Generalprobe gegen Fluminense (5:3) ordentlich Argumente sammeln können. Der Neu-Dortmunder erzielte drei Tore und bereitete zwei weitere vor, spätestens seitdem diskutiert Italien vor dem WM-Start über seine Stürmer. Immerhin erlebte Balotelli bei Milan eine durchwachsene Saison, eine Doppelspitze scheint aber ausgeschlossen.

"Es ist schon eine Möglichkeit, aber sie sind beide Mittelstürmer", stellte Trainer Cesare Prandelli klar. Die Startelf für das Auftaktspiel gegen England ist ebenfalls noch offen: "Es gibt keine Auswechselspieler. Alle 23 Spieler sind potentielle Stammspieler."

Im Gespräch mit der "dpa" hielt er allerdings ein Plädoyer für Balotelli, der bei der EM 2012 drei Treffer erzielte: "Die Wahrheit ist, dass auch Verrückte Liebe brauchen. Mario hat sich bei uns immer gut benommen. Neben den Platz liefert er oft Anlass zu Debatten und spaltet die öffentliche Meinung in Italien. Einige stehen nicht mehr hinter ihm, für andere ist er ein Idol. Ich bin sicher, dass er bereit sein wird für diese WM."

Montolivo-Ausfall ein schwerer Schlag

Doch auch neben der Luxusdebatte im Sturm gibt es durch den bitteren Ausfall von Riccardo Montolivo noch einige Fragezeichen. Der Kapitän des AC Milan brach sich im Testspiel Ende Mai gegen Irland (0:0) das Bein und Prandelli klagte: "Diesen Schlag aufzufangen ist nicht einfach."

Wie Andrea Pirlo bestätigte, üben die Italiener daher im Training ein System mit zwei Spielmachern ein - neben Pirlo könnte Marco Verratti auflaufen. "Das könnte uns weit nach vorne bringen", glaubt der Routinier und fügte hinzu: "Dieses Italien weist die besten Bedingungen auf, um das Ende dieser WM zu erreichen und erfolgreich zu sein. Italien kann Weltmeister werden."

Gewohnter Pessimismus in Italien

Es ist dieser Optimismus, den die Tifosi kurz vor dem WM-Auftakt hören wollen. Der letzte Sieg vor dem 5:3 über Fluminense datierte vom 10. September 2013, ein 2:1 gegen Tschechien.

Es folgten sechs Remis, darunter das peinliche 1:1 gegen Luxemburg, und eine Pleite gegen Spanien, weshalb in Italien die Skepsis groß ist. "In Italien herrscht doch vor jedem großen Turnier Pessimismus, so sind wir nun einmal. Vielleicht ist das psychologisch sogar ein Vorteil", hofft Prandelli.

Immerhin geht es auch um die Wiedergutmachung für die WM 2010, als Italien in der Gruppe mit Neuseeland, der Slowakei und Paraguay ohne eigenen Sieg ausschied. Eine Wiederholung schloss Prandelli bereits aus. "Das einzige, was wir garantieren können, ist, dass wir alles getan haben, um bereit zu sein. Charakterlich wird dieses Team nicht enttäuschen", so der 56-Jährige.

Prandelli warnt vor der Todesgruppe

Allerdings bereitet dem italienischen Nationaltrainer die Torwartposition Sorgen. Gianluigi Buffon fällt mit einer Bänderverletzung im Knöchel zumindest für das Spiel gegen England aus. Auch Ersatzkeeper Salvatore Sirigu, der sich eine leichte Rippenprellung zuzog, ist nicht bei 100 Prozent, wird aber wohl dennoch spielen können. Der Respekt vor den Gruppengegnern ist auch deshalb weiterhin vorhanden.

"Alle Teams haben ihre Stärken. England hat sich enorm weiterentwickelt, sie haben starke junge Spieler dazu bekommen. Sie sind körperlich stark und spielen mit Charakter", so Prandelli: "Costa Rica ist eine Mannschaft, über die niemand spricht, die wir aber sehr ernst nehmen. Sie haben einige sehr starke Spieler. Uruguay hat meiner Meinung nach den vielleicht besten Sturm bei der WM."

Trotzdem will der dreifache italienische Meister weiter nicht an dem in der Heimat oft bevorzugten, pragmatischen Ergebnisfußball festhalten. "Wenn man ein Team hat, das keinen guten Fußball spielt, ist es schwer, bei so einem langen Turnier erfolgreich zu sein", betonte Prandelli und stellte trotz Stürmerdebatte und Pessimismus klar: "Dieses Team hat die Kraft und die Möglichkeiten, um bis ins Finale zu kommen."

Die italienische Nationalmannschaft

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