WM

Özil rettet DFB-Team - Schweinsteiger verletzt

Von Haruka Gruber / Daniel Reimann
Zittern um den Mittelfeld-Star: Schweinsteiger verletzte sich beim 1:0 gegen Ghana
© Getty

Die deutsche Nationalmannschaft hat mit einem glücklichen 1:0 (0:0)-Erfolg gegen Ghana den Achtelfinal-Einzug geschafft. Dort erwartet sie der Klassiker gegen Erzrivale England - womöglich ohne Bastian Schweinsteiger, der sich am Oberschenkel verletzt hat.

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Vor 80.000 Zuschauern im ausverkauften Soccer City von Johannesburg war es Mesut Özil (60.) vorbehalten, mit einem fulminanten Distanzschuss für den Sieg zu sorgen.

Mit sechs Punkten zieht Deutschland als Erster der Gruppe D ins Achtelfinale ein und trifft dort am Sonntag um 16 Uhr auf die Three Lions, die in ihrer Gruppe C Zweiter wurden.

Ghana profitiert von Serbiens 1:2-Niederlage gegen Australien und steht ebenfalls in der Runde der letzten 16. Der Gegner: USA.

Nachbetrachtung:

Unangenehmer Gegner, unangenehmer Spielverlauf: Das Aufeinandertreffen gegen Ghana verlief wie erwartet zäh für die deutsche Mannschaft, die sich glücklich schätzen konnte, dass Mesut Özil für einen Moment seine Nervosität vergaß und mit einem schönen Weitschuss für das Weiterkommen sorgte.

Der glückliche Einzug ins Achtelfinale wurde jedoch von einer Verletzung überschattet: Ausgerechnet Bastian Schweinsteiger, der so wichtige Organisator im Mittelfeld, erlitt eine Blessur am linken Oberschenkel und musste in der 81. Minute für Toni Kroos ausgewechselt werden. Noch an der Seitenlinie wurde Schweinsteiger ein Verband angelegt.

Wie es im DFB-Umfeld heißt, fällt Schweinsteiger für das Achtelfinale gegen England wahrscheinlich aus. Die zuversichtlichste Prognose lautet 50:50.

Welch Verlust Schweinsteigers Ausfall für Deutschland bedeuten würde, zeigte sich erneut gegen Ghana. Neben Arne Friedrich war er der Einzige, dem die Tragweite der Partie bewusst war - und dennoch nicht verkrampfte. Als Taktgeber und Balleroberer aus der Doppel-Sechs heraus war Schweinsteiger unverzichtbar.

Sollte Bundestrainer Löw beim 4-2-3-1 bleiben, sind bewährte Alternativen im Kader Mangelware. Der offensive Kroos und der defensive Aogo wurden in der Vorbereitung getestet, sind jedoch unerfahren, Kapitän Lahm oder Boateng sind ebenfalls (riskante) Optionen. Mit etwas leichteren Verletzungen wurden nach dem Spiel Özil (umgeknickt) und Boateng (Rücken) behandelt.

Das DFB-Team in der Einzelkritik: Friedrich überragend, Mertesacker wackelt

Reaktionen:

Bundestrainer Joachim Löw: "Das war ein unglaublich intensives Spiel, in dem viele Dinge nicht so geklappt haben. Aber letztendlich sind wir eine Runde weiter. Manuel Neuer hat zwei-, dreimal hervorragend gehalten, es war eine große Leistung von ihm. Das Achtelfinale wird eine Klassebegegnung, wir freuen uns drauf."

Theo Zwanziger (DFB-Präsident): "Die Mannschaft hat sich lange schwer getan. Ich hatte das Gefühl, dass Selbstbewusstsein gefehlt hat. Ghana war keine Übermannschaft. Wir haben unser Minimalziel erreicht. Ich denke, es wird jetzt eine Leistungssteigerung geben. England ist eine große Hürde, das Spiel ist ein Klassiker."

Trainer Milovan Rajevac (Ghana): "Deutschland hat ein exzellentes Team. Wir hatten unsere Chancen und haben uns für das Achtelfinale qualifiziert, das ist die Hauptsache."

Hans Sarpei (Ghana): "Wir sind eine Runde weiter und sind glücklich darüber. Natürlich ist das eine Niederlage gewesen, da ist die Stimmung schon gedrückt, aber wir freuen uns trotzdem. Der liebe Gott weiß vielleicht, warum wir jetzt gegen die USA spielen. Man weiß aber nicht, ob das einfacher ist als gegen England."

Andre Ayew (Ghana): "Wir haben gekämpft bis zum Schluss. Für den Sieg war es nicht genug. Aber es hat gereicht, um die nächste Runde zu erreichen. Wir hatten viele Chancen. Wichtig ist, dass wir weiter sind."

SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Deutschland mit zwei Veränderungen: Cacau stürmt für den gesperrten Klose, etwas überraschend ersetzt Boateng den gegen Serbien schwachen Badstuber als Linksverteidiger.

Ghana mit der Wunschelf, nur der angeschlagene Vorsah muss durch Jonathan Mensah vertreten werden.

10.: Podolski bringt den Ball flach von links vors Tor. John Mensah hält unfreiwillig den Fuß hin - der wird gefährlich! Doch Kingson ist in der kurzen Ecke und pariert.

25.: Cacau schickt Özil traumhaft in die Gasse. Özil alleine gegen Kingson im Eins-gegen-Eins. Özil scheitert, Kingson pariert!

26.: Ecke Ghana von rechts, Gyan steigt zum Kopfball hoch. Neuer ist unentschlossen, bleibt letztlich auf der Linie. Der Kopfball geht Richtung linkes Eck, da steht zum Glück Lahm und klärt auf der Linie.

41.: Schweinsteiger bringt den anschließenden Freistoß von halblinks aus 30 Metern mit Schnitt vors Tor. Keiner kommt mehr ran, Kingson lässt den Ball abprallen. Özils Nachschuss wird geblockt.

51.: Ayew läuft urplötzlich alleine auf Neuer zu. Neuer wartet, bleibt lange stehen und pariert großartig.

60., 0:1, Özil: Müller behauptet auf rechts den Ball, zieht ein paar Meter in die Mitte. Zentral am Sechzehner steht Özil frei. Er nimmt den Pass an, zieht aus 17 Metern - und trifft in den linken Winkel. Traumtor!

66.: Muntari spielt Gyan im Strafraum frei, der legt mit der Hacke auf Ayew ab. Schuss aus 11 Metern, Lahm grätscht in allerhöchster Not dazwischen!

Fazit: Ein glücklicher Sieg der Deutschen, die sichtlich angespannt waren und kaum etwas zustande brachten. Ghana unterliefen jedoch ähnlich viele Fehler, vor allem vor dem Tor waren die Black Stars zu ungefährlich.

Star des Spiels: Arne Friedrich (SPOX-Note 1). Eine Glanzleistung des vor der WM in Frage gestellten Berliners. Spielte fehlerfrei, gewann fast alle Zweikämpfe, löste sich immer wieder rechtzeitig aus der Viererkette und stellte Ghanas offensiver Dreier-Reihe den Raum zu. Und: Er war auch mit seiner Körpersprache ein Ruhepol in einer sonst teils vogelwilden DFB-Defensive und übernahm die Rolle des Abwehrchefs, die eigentlich seinem Partner Mertesacker angedacht war.

Für die SPOX-User war Bastian Schweinsteiger der "Man of the Match"!

Gurke des Spiels: Per Mertesacker (SPOX-Note 5). In den ersten zwei Spielen bereits ein Sicherheitsrisiko, erlebte der Bremer gegen Ghana den Tiefpunkt. Unkonzentriert, behäbig und vor allem zweikampfschwach. Patzte in der ersten Hälfte innerhalb von zwölf Minuten dreimal: Am Boden (14., gegen Ayew), nach einem Dribbling (24.) und nach einer Ecke (26., gegen Gyan). Die Art und Weise, wie er zweimal gegen den zehn Zentimeter kleineren Tagoe ein wichtiges Kopfballduell verlor (45., 51.), war bezeichnend.

Pfeife des Spiels: Carlos Eugenio Simon. Der Brasilianer trat ganz anders als sein Ruf auf. Hielt sich wohltuend zurück und zeigte nur die Gelbe Karte, wenn sie auch tatsächlich nötig war.

Analyse: Sei es wegen der Vielzahl an jungen Spielern auf beiden Seiten oder wegen der Bedeutung der Partie: Es war ein vor allem von Nervosität geprägtes Spiel, bei der mehr der Kopf denn die taktische Ausrichtung den Ausschlag gab.

Nicht anders ist die vergebene Chance von Özil in der ersten Hälfte oder die Vielzahl an missglückten letzten Pässen des gesamten DFB-Teams zu erklären.

Ghana wiederum zeigte sich gleichfalls überhastet. Zwischen Mittelfeld und Abwehr wurden die Räume nicht zugestellt, außerdem eklatant: die unterirdische Chancenauswertung.

Dass die Deutschen dennoch von den Afrikanern vor solche Probleme gestellt wurden, gibt Anlass zur Sorge. Nervosität ist das eine, die offensichtlichen Probleme im Abwehrverhalten sind das andere. Mertesacker wackelt und Boateng dürfte keine Option für weitere Einsätze als Linksverteidiger sein.

Genug Baustellen also für Bundestrainer Löw vor dem Achtelfinal-Schlager gegen England. Und ausgerechnet für das Topspiel droht nun auch noch der Ausfall von Schweinsteiger.

Daten & Fakten: Ghana - Deutschland