"Der Samstag ist irrelevant"

Sheffield-FC-Präsident Richard Tims bei seinem Besuch vor der Dortmunder Südtribüne
© Sheffield FC

Der 1857 gegründete Sheffield FC ist der älteste Fußballklub der Welt - und ist verantwortlich für einen Großteil der Regeln, nach denen das Spiel bis heute noch gespielt wird. Präsident Richard Tims möchte dieses historische Erbe im Bewusstsein aller Fußballinteressierten verankern. Im Interview spricht Tims über seinen Start in Sheffield, ein Treffen mit Ex-Barcelona-Präsident Joan Laporta, die Kooperation mit Borussia Dortmund und erklärt die Ziele und Projekte des Klubs aus England.

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SPOX: Herr Tims, Sie sind seit 1999 beim Sheffield FC. Was haben Sie zuvor gemacht und wie kam es, dass Sie beim Klub anheuerten?

Richard Tims: Ich habe früher als Verleger gearbeitet und war Fan von Sheffield Wednesday. Eines Tages kam ein Vertreter vom Sheffield FC in mein Büro und bat um Hilfe bei der Suche nach Sponsoren. Damals spielte man nämlich noch in einem gemieteten Stadion - vor einem Hund und seinem Herrchen. Für den ältesten Klub der Welt kam mir das ziemlich spärlich vor.

SPOX: Hatten Sie ausreichend Kontakte, um helfen zu können?

Tims: Ich begann mit den Leuten, die sich ehrenamtlich um den Klub kümmerten, die Suche nach einer dauerhaften Heimat. Die gab es nämlich 41 Jahre lang nicht. Diese Aufgabe war quasi mein Einstieg im Verein. Die Geldmaschinerie Premier League und auch Wednesdays kümmerliche Leistungen ließen meine Liebe für den unterklassigen Fußball anwachsen.

SPOX: Das neue Stadion ließ sich schnell umsetzen.

Tims: Genau. Wir spielen jetzt seit 2001 im Coach & Horses Ground vor bis zu 2089 Zuschauern. Wir haben eine kleine Stehtribüne, Sitzplätze, einen Fanshop und natürlich ein gemütliches Pub. Das ist jetzt die erste richtige Heimat in der Geschichte des Klubs. Die Einweihung fand gegen Manchester United statt.

SPOX: Wie ging es dann weiter?

Tims: Die meisten Leute in Sheffield wussten, dass der älteste Fußballklub der Welt aus ihrer Stadt kommt. Aber sie taten nichts damit. Ich war der Ansicht, man müsse das vernünftig kommunizieren. Daher hörte ich mich weiterhin bei meinen Geschäftskontakten um, ob sie mir mit kleineren Sponsorendeals aushelfen, um den Klub und das Bewusstsein für den Klub allmählich anwachsen zu lassen.

SPOX: Wie sah der erste Schritt in diese Richtung aus?

Tims: Das muss ich im Marketingsprech erklären: Um unseren "unique selling point", nämlich der älteste Fußballklub der Welt zu sein, zu bewerben, wollte ich eine Informationsbroschüre herausbringen. Darin sollte auch ein Statement der englischen FA enthalten sein. Uns war wichtig, vom Dachverband anerkannt zu werden. Also habe ich den dortigen Historiker angerufen. Ihm war bereits klar, dass Sheffield FC der älteste Klub der Welt ist und so schickte er mir ein Zitat, wir seien von der FA anerkannt, ohne Umschweife zu.

SPOX: Die Broschüre kam 2002 heraus. Welche Effekte hatte dies letztlich?

Tims: 2003 erhielt ich vom FA-Historiker einen Anruf. Er sagte, der katalanische Fußballverband möchte mich zu einem Dinner mit historischem Leitmotiv in Barcelona einladen. Ich bin mit einem Kameramann von der "BBC" hingefahren, der alles aufgenommen hat. Auf der Gästeliste standen Vertreter von Real Madrid, Barcelona, Bilbao oder Sevilla. Ich durfte dann auf der Bühne über unseren Klub sprechen und erhielt eine Art Award. Neben mir saß Juan Laporta...

Sheffield FC: Der älteste Fußballklub im Porträt

SPOX: ...der damalige Präsident des FC Barcelona.

Tims: Er war total begeistert, mich dort zu treffen - mich, einen stinknormalen Verleger aus Sheffield (lacht). Er lud mich für den nächsten Tag ins Museum im Camp Nou ein und empfing mich danach persönlich, um mich durch die Katakomben des Stadions zu führen. Ich traf auch auf Txiki Begiristain, damals technischer Direktor des Klubs. Auch er fand die Geschichte unseres Vereins faszinierend. Diese Erfahrung inspirierte mich, unseren Klub vor allem global weiter aufzubauen und zu vermarkten. Mittlerweile haben wir 27 Teams - am Anfang war es nur eines.

SPOX: Ein Jahr später erhielt der Sheffield FC den "FIFA Order of Merit" für seine Verdienste um den Fußballsport. Wie kam das zustande?

Tims: Die FIFA feierte 2004 in Paris ihren 100. Geburtstag und lud mich dazu ein. Es gab verschiedene Preiskategorien. Ich, der Verleger aus Sheffield, saß dann mit Gästen wie Franz Beckenbauer, Bobby Charlton oder Michel Platini in einer Reihe und betrat schließlich mit Emilio Butragueno und Alfredo di Stefano die Bühne. Real Madrid und Sheffield waren in der Vereinskategorie nominiert und bekamen beide den Order of Merit überreicht.

SPOX: Wie fühlt sich denn der Verleger aus Sheffield, wenn er mit solchen Persönlichkeiten verkehren darf?

Tims: Anfangs war es natürlich sehr komisch und auch verrückt. Es ist eben so, dass die Tatsache, Präsident des ältesten Fußballklubs der Welt zu sein, Türen öffnet. Wer im Fußballbusiness arbeitet oder den Fußball liebt, der freut sich auf eine Unterhaltung mit mir über den Verein - das hat sich mit der Zeit einfach gezeigt.

SPOX: Und die geöffneten Türen halfen Ihnen, die Werte des Klubs weiter promoten zu können?

Tims: So kann man es sagen, ja. Uns geht es um die Erhaltung dieser uralten Werte und Prinzipien sowie darum, dass den Millionen Fußballfans auf diesem Planeten bewusst wird, wo alles angefangen hat. Es geht nicht um Geld. 99,9 Prozent der Weltbevölkerung spielt Fußball nicht des Geldes wegen, sondern aufgrund der Liebe zum Spiel - wie wir.

SPOX: Inwiefern geht es Ihnen aber auch darum, den Sheffield FC, der ja momentan nur in Englands achthöchster Spielklasse kickt, sportlich ein paar Ebenen nach oben zu hieven?

Tims: Wir wollen der ultimative Fußballklub an der Basis sein. Das ist das Ziel. Wir wollen auf einem vernünftigen Niveau Fußball spielen, aber ohne professionell zu sein. Es gibt also ein Limit dafür, wo wir sein wollen, aber nicht dafür, wer wir sein wollen. Anerkannt und unterstützt zu werden von allen Fußballfans auf der Welt, das ist die Ebene, die wir erreichen wollen.

SPOX: Sie sagten einmal, es wäre ideal, wenn der Sheffield FC zum zweiten Lieblingsklub jedes Fußballfans werden sollte. Dazu müssen Sie aber noch weiter ins Bewusstsein der Allgemeinheit vordringen. Wie weit sind Sie innerhalb dieses Prozesses?

Tims: Unser Problem ist, dass wir nicht wie die großen Vereine dieser Welt alltäglich auftreten. Die Leistungen unserer ersten Mannschaft sind für Erfolg und Erhaltung des Klubs sowie seiner Werte langfristig gesehen irrelevant. Um unseren Klub zu präsentieren, müssen wir also eine vollkommen andere Strategie fahren als professionelle Vereine. Daher hilft es unter anderem, solche Interviews zu geben. Sie wären an dem Thema ja auch dann interessiert, wenn wir zwei Ligen weiter oben oder auch weiter unten spielen würden, oder?

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