Kylian Mbappé in der Minikrise: Bringt sich der PSG-Superstar mit Frankreich wieder in Topform?

Von Thomas Hindle und Patrik Eisenacher
Kylian Mbappé, PSG
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Kylian Mbappé war zuletzt nicht immer Kylian-Mbappé-like. Beim Debakel gegen Newcastle war der PSG-Superstar praktisch unsichtbar, gegen Rennes leistete er sich einen Fehlschuss der ganz besonderen Art. Was ist los?

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Kylian Mbappé war nur einen Fehlschuss von einem der schönsten Tore der Saison entfernt. Im Spiel mit PSG gegen Rennes am Sonntag zeigte der Franzose seine gewohnten Fähigkeiten.

Er ließ einen Verteidiger mit einem Diagonallauf aussteigen, kontrollierte den schwierigen Pass von Achraf Hakimi, als wäre es nichts, legte sich den Ball auf links und schob ihn an einem Verteidiger vorbei in die andere Richtung. Der Torwart eilte heraus, doch auch ließ Mbappé aussteigen. Und dann kam die einfachste Übung: der Abschluss aufs leere Tor. Doch Mbappé versiebte die Mega-Chance fahrig, fahrlässig, beinahe grotesk. Immerhin hatte es keine Auswirkung auf das Ergebnis, Paris gewann 3:1.

Aber für einen Stürmer, der weithin neben Erling Haaland als der beste der Welt gilt, war das eine unfassbare Aktion. Die nackten Zahlen zeigen, dass Mbappé eine weitere überragende Saison spielt. In neun Spielen in allen Wettbewerben hat er acht Tore erzielt, gegen Lyon traf er sogar zweimal ins Netz.

Auch viermal in Folge ohne Torerfolg zu bleiben, ist noch kein Grund zur Sorge. Aber Mbappé ist in dieser Saison irgendwie anders. Als der französische Kapitän sich dafür entschied, (mindestens) ein weiteres Jahr bei PSG zu bleiben, und Real Madrid damit ein weiteres Mal ablehnte, war klar, dass er weiterhin im Blickpunkt stehen würde. Und unter einem neuen Trainer Luis Enrique und dem Schreckgespenst einer ungewissen Zukunft scheint Mbappé nicht mehr ganz er selbst bzw. der Alte zu sein.

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© (C)Getty images

Heimlicher Sportdirektor: Mbappé kaufte gut für PSG ein

All das kommt unerwartet. Gerade bei dem Transferfenster, das PSG im Sommer hatte.

Die Pariser bauten zwar nicht zwingend eine Mannschaft für und um Mbappé herum auf, aber die Neuverpflichtungen - und die Spieler, die sie gehen ließen - waren sehr in seinem Interesse. Der erste Schritt war der Abgang von Lionel Messi, der den Verein als einer der "großen Drei" (MMN) verließ. Der Argentinier ist eben 36 Jahre alt und im Spiel gegen den Ball kein großer Faktor. Persönlich gefiel es ihm in der französischen Hauptstadt ohnehin nicht allzu gut.

Einen Monat später folgte Neymar, der bei seiner Ankunft fünf Jahre zuvor noch als Heilsbringer gepriesen worden war, aber viel zu häufig verletzt war und Zicken machte.

Die Neuzugänge hingegen sind - größtenteils - jung, athletisch und voller Potenzial. Manuel Ugarte und Lee Kang-In waren beide für ihre erfolgreichen Mannschaften von großer Bedeutung gewesen. Die ablösefreien Verpflichtungen von Milan Škriniar und Marco Asensio brachten der Mannschaft zudem eine gehörige Portion Erfahrung.

Und dann kamen die großen und teuren Namen: Da war zunächst Ousmane Dembélé, der gebürtige Pariser und ein enger Kumpel Mbappés, der ihm gerade bei Kontern mit Flanken und Dribblings perfekt servieren kann.

Auch Randal Kolo Muani holten die Pariser für sehr viel Geld von Eintracht Frankfurt. In der französischen Nationalmannschaft könnten die drei ebenfalls gesetzt sein.

Gonçalo Ramos, ein weniger bekannter, aber ebenso dynamischer Spieler, war für die Pariser interessant. Schließlich bekam der Superstar die Mannschaft, die er wollte.

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Kylian Mbappé in neuer Rolle

Mit den neuen Gesichtern ging auch eine leicht veränderte taktische Aufstellung einher. Der neue Trainer Luis Enrique, einst ein Anhänger des 4-3-3 in Ballbesitz, hat die Formation von PSG stark verändert. Manchmal spielt er mit vier Stürmern, manchmal mit drei Stürmern und einem sehr offensiven Mittelfeldspieler.

Das hat dazu geführt, dass Mbappé leicht ins Mittelfeld gerückt ist, also in einer tieferen Position startet. Fast seine ganze Karriere lang war Mbappé ein linker Flügelspieler, der sich nach innen orientierte, um zeitweise als Mittelstürmer zu agieren. Gegen Newcastle in der Champions League etwa gab Mbappé im Prinzip die alleinige Spitze.

Die Umstellung hat Wunder bewirkt, wenn PSG in der Lage ist zu kontern. In den besten Momenten, wie beim 4:1-Sieg gegen Lyon, sind die Pariser eine dynamische Offensivkraft, die mit vier Spielern im Verbund die Lücken zwischen verwirrten Verteidigern ausnutzt. Es ist in der Tat bezeichnend, dass Dembélé und Kolo Muani jeweils zwei Assists beisteuern konnten, während Mbappé selbst noch öfter und zielgenauer abspielt als in den vergangenen Jahren.

Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass der PSG-Star etwas ungewohnte Räume besetzen muss. Sein automatisches räumliches Verständnis auf dem linken Flügel hat ihn in den letzten Jahren zu einem der erfolgreichsten Torjäger im Fußball gemacht, jeder Schritt, jede Ballberührung ist fein abgestimmt.

Wenn er jedoch in die Mitte zieht, zögert er aktuell ein wenig. Bälle, die normalerweise bequem in der unteren Ecke landen, werden an den Pfosten gelenkt. Schüsse, die normalerweise automatisch im Netz zappeln (wie gegen Rennes), werden über die Latte gelenkt. Seine Torausbeute ist zwar nicht besonders besorgniserregend, aber irgendetwas stimmt derzeit nicht mit ihm.

Kylian Mbappé, PSG
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Kylian Mbappé: Hat er nun Druck?

Mbappé stand natürlich schon immer in der Kritik und unter Leistungsdruck. Der Junge war so gut, so talentiert, dass eine Durststrecke von vier Spielen ohne Treffer seine größte Misere seit 2018 ist. Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass der PSG-Rekordtorschütze damals aus dem "Leistungsloch" herausgefunden hat und seither für Konstanz steht.

Aber bisher hatte Mbappé immer jemanden, auf den er zurückgreifen konnte. Wenn er nicht traf, tat es Neymar. Wenn Mbappé ein eher schlechtes Spiel hatte, war Messi zur Stelle - oder zuvor Edinson Cavani. In der Nationalmannschaft konnten Antoine Griezmann, Olivier Giroud oder weitere Angreifer der Bleus für ihn einspringen.

Heute ist Mbappé der Star, das Aushängeschild beider Mannschaften. Hier gibt es keinen Platz mehr für Ausreden - und keine anderen Torjäger der "alten" Generation helfen ihm aus. Trotz all der Talente, die geholt wurden, hat keiner der Neuzugänge jemals 20 Tore in einer Ligasaison erzielt. Und der Portugiese Ramos hat nicht gerade einen Blitzstart hingelegt.

Doch die Teamkollegen machen sich für Mbappé stark: "Ich glaube, er war in diesem Spiel müde. Wir spielen alle drei Tage, das ist schwer. Aber nein, er ist nicht frustriert, er wird schnell wieder ein Tor schießen", sagte Dembélé nach dem Sieg gegen Rennes.

Auch Enrique hat seinem Star Rückendeckung gegeben: "Er ist bei 100 Prozent. Spieler machen verschiedene Phasen durch. Er ist weder Superman noch ein normaler Spieler. Es ist nicht alles schwarz und weiß, es gibt Nuancen."

Trotz aller Beteuerungen: Mbappé hat längst das Level erreicht, wo erwartet wird, dass er in jedem Spiel abliefert.

Kylian Mbappé
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Kylian Mbappé: Das ganze PSG-Team hat Probleme

Hinzu kommt, dass PSG in der Liga alles, nur nicht dominant ist - zumindest auswärts. Die Ligue 1 ist besser als ihr Ruf. Viele Auswärtsspiele sind für Mbappé und Co. eine fordernde Übung. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass PSG nicht nur über jede Menge Top-Spieler verfügt, sondern auch über das nötige Kleingeld, um die Talente der anderen zu kaufen. Die Verpflichtung von Lyons Bradley Barcola war eher eine Machtdemonstration als eine taktische Meisterleistung.

Punktverluste werden daher als Enttäuschung wahrgenommen. Dass PSG mit zwei Punkten Rückstand auf Tabellenführer Monaco auf dem dritten Platz liegt, ist eigentlich kein Grund zur Sorge, aber für eine Mannschaft, die eigentlich immer gewinnen sollte, zu wenig. Aus acht Spielen holte das Starensemble von der Seine gerade einmal 15 Punkte.

Noch besorgniserregender ist die Niederlage der Pariser gegen Newcastle. Mbappé war praktisch unsichtbar beim 1:4, das einer Demontage gleichkam.

Es war eine beunruhigende Vorstellung. Der 24-Jährige ist auch deshalb in Paris geblieben, um dem Verein erstmals den Henkelpott zu bescheren - das letzte fehlende Teil des Pariser Puzzles. Und dann zeigt er in der vermeintlichen Todesgruppe so eine Leistung. Nach dem Spiel tauchte ein Bild auf, auf dem Mbappé nach dem vierten Treffer von Newcastle mit den Schultern zuckte. Ein Ausdruck der Ratlosigkeit und gleichzeitig die perfekte Steilvorlage für Kritiker.

Kylian Mbappe
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Gegen die Niederlande: Mit Frankreich kann Kylian Mbappé wieder aufblühen

Vielleicht ist die Länderspielpause genau das, was der Stürmer braucht. Auch bei der Équipe Tricolore hat er Druck.

Aber Clairefontaine ist der Ort, an dem Mbappé am besten gedeiht. In der Vergangenheit tat sich der PSG-Star leicht, für Frankreich zu treffen. In 71 Einsätzen hat er 40 Tore erzielt und 21 vorbereitet. Seine durchschnittliche Torquote liegt bei 1,02 Treffern pro 90 Minuten. Im Finale der Weltmeisterschaft 2022 gegen Argentinien (3:3, 4:2 n. E.) erzielte er bekanntlich einen Hattrick. Kurzum: Mbappé lebt für diese Spiele.

Und der erste Gegner der Bleus, die Niederlande (am heutigen Freitag ab 20.45 Uhr in Amsterdam), ist einer von Mbappés "Lieblings-Snacks". Mit gerade 18 Jahren erzielte er gegen die Elftal sein erstes Länderspieltor. Zuletzt traf er beim 4:0-Sieg gegen Oranje im März doppelt. Wenn es je ein Zeitfenster und einen Gegner gab, um zu seiner Form zu finden, dann ist es dieses.

Um erfolgreich zu sein, muss man nicht unbedingt einen Doppelpack schnüren oder gar einen Hattrick erzielen. Damit der Knoten platzt, reicht gegen die starken Niederländer auch erstmal "nur" ein Tor. Weitere werden dann schon folgen. Mbappés Durststrecke ist eine seltene, aber mit Blick auf die EURO 2024 in Deutschland keine beunruhigende - noch nicht zumindest.

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