Die Geschichte von Darío Coronel: Carlos Tévez' bester Freund jagte sich mit 17 eine Kugel in den Kopf

Von Louis Loeser
Carlos Tevez
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Sie stammten aus derselben Straße, spielten im selben Team. Während Carlos Tévez zum Weltstar wurde, geriet sein bester Freund auf die schiefe Bahn.

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Ejército de los Andes ist ein gefährlicher Ort. Hier, im Barrio kurz vor der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires, reiht sich Plattenbau an Plattenbau, die Kriminalität bestimmt den Alltag. Nur ein kleiner Bolzplatz inmitten der Betonwüste bricht das monotone Muster. Direkt daneben prangt an einer Hauswand das Bild des berühmtesten Sohnes der Stadt: Carlos Tévez.

In Fuerte Apache - wie das Viertel hier genannt wird - wuchs der junge Carlos auf und entfloh erst in Santa Clara und dann bei den C.A. All Boys den täglichen Problemen. Dass Tévez eines Tages derjenige sein würde, dem das Viertel ein Wandgemälde widmet, konnte damals noch keiner ahnen.

Schließlich war es sein Freund Darío Coronel, der regelmäßig auf dem Fußballplatz für Aufsehen sorgte. Beide stammten sie aus derselben Straße, Tévez war bei den All Boys "El Nueve" - der Stürmer des Teams -, an seiner Seite schoss "Cabañas" Tore am Fließband. So nannten sie Coronel aufgrund seiner Ähnlichkeit zum gleichnamigen Boca-Angreifer Roberto.

Die beiden verband eine Hassliebe. Tévez war dabei lange eifersüchtig auf Coronel und dessen Talent. Dieser beneidete hingegen den heutigen Star um seine atemberaubende Ausdauer und den Willen, gegen jeden Widerstand anzukommen.

tevez
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Darío Coronel wechselt zu Vélez: "Er war beängstigend talentiert"

"Cabañas war viel stärker als Tévez. Ich bin sicher, wenn dieser Idiot aufgewacht wäre, hätte er es in die erste Liga geschafft. Er war beängstigend talentiert und hat alles gegeben. Tévez ist berühmt für seinen Einsatz, aber Cabañas war auf dem Platz der Hammer", erinnert sich ihr früherer Teamkollege Carlos Pérez in der Netflix-Dokumentation "Apache: Das Leben von Carlos Tévez".

Mit dieser Ansicht steht er nicht alleine da, denn als Coronel und Tévez im Alter von elf Jahren bei CA Vélez vorspielen ist es nicht "Carlitos", den der Erstligist auswählt. Was für Coronel der Weg aus dem Barrio sein könnte, wird ihm jedoch schnell zum Verhängnis.

Nach seinem Wechsel zu Vélez kehrt seine Mutter mit seinen Brüdern zurück in ihre Heimat Paraguay. Coronel lebt alleine in Fuerte Apache bei seinem Stiefvater, der nicht gerade das beste Vorbild abgibt und so kommt es, wie es im Barrio kommen muss.

Carlos Tévez Jugendfreund: Coronel gerät bei den "Backstreet Boys" auf die schiefe Bahn

Nur ein Jahr nach seiner großen Chance "wechselt" Coronel von Vélez zu den "Backstreet Boys de Feuerte Apache". Was wie Musikgruppe klingt, ist eine der schlimmsten kriminellen Banden im Großraum Buenos Aires. Als Coronel eines Tages nach einem Streit mit einem Teamkollegen mit einer Pistole im Training erscheint, lässt ihn Vélez fallen.

Das Sturmtalent gerät daraufhin endgültig auf die schiefe Bahn. Während er den Nervenkitzel des ersten Raubüberfalls erlebt - "eine solche Emotion, die mir bis dahin kein Tor oder kein Sieg auf einem Fußballfeld gegeben hatte" - unterschreibt sein enger Freund Carlitos seinen ersten Vertrag bei den Boca Juniors. Tévez bahnt sich seinen Weg in der Welt des Fußballs, Coronel in der Welt der Kriminalität. Nachdem er bei einem Überfall auf ein Casino einen Polizisten ermordet, wird er von der Polizei für vogelfrei erklärt.

"Wie ist das möglich? Erklär mir das", fragt er seinen Trainer, als Tévez sein Debüt in der argentinischen U17-Mannschaft gibt: "Ich verstehe nicht, wie dieses Arschloch dorthin gekommen ist und ich von der Polizei gesucht werde. Sie wollen mich umbringen, Didí. Früher habe ich besser gespielt, Didí, du weißt doch, wie ich früher gespielt habe. Und sieh dir an, wie es mir geht".

"Fühlte, dass es ein Abschied war": Coronel stirbt mit 17 Jahren auf der Flucht vor der Polizei

Im September 2001 trafen sich Dario und Carlitos zum letzten Mal. Das gleiche Lächeln, die gleichen Umarmungen und die gleichen Witze wie immer, doch mittlerweile lebten sie völlig gegensätzliche Leben. Tévez hatte versprochen, ihm das Trikot von seinem Debüt bei der U17-Weltmeisterschaft zu geben, aber Coronel wird es niemals erhalten.

Wenige Tage nach ihrem Treffen rennt er um sein Leben, die Polizei ist ihm auf den Fersen, doch bevor sie ihn erschießen können, kommt ihnen der 17-Jährige zuvor. "Als ich ihm das Trikot versprach, fühlte ich, dass dies unser Abschied war. Wenn ich an ihn denke, erinnere ich mich an ihn als meinen besten Freund. Schon als Kind musste ich mich entscheiden: Straftäter oder Fußballer", wird Tévez später erzählen.

Hilfe bei suizidalen Gedanken:

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