Nationalstolz gegen Weiße Elefanten

Die WM würde niemand in Südafrika gerne hergeben - aber wohin mit dem Erbe?
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Enttäuschende Bafana

Um beim vorigen Vergleich zu bleiben: Der Kater der Bafana Bafana hält an. Dank der neuen Stadien durfte man den Afrika-Cup 2013 (Viertelfinal-Aus) und Afrikas Nationenmeisterschaft (Vorrunden-Aus) ausrichten, für die WM in Brasilien und den Afrika-Cup 2012 hatte man sich erst gar nicht qualifiziert. Immerhin schaffte man es in diesem Jahr zur Kontinentalmeisterschaft nach Äquatorialguinea - und reiste nach der Vorrunde sieglos wieder ab. Fünf Spieler aus dem Kader spielen in Europa, einen wirklichen Star hat man schon lange nicht mehr.

"Das Problem ist, dass in die Spitze kräftig investiert wurde, in die Basis jedoch bei weitem nicht genug", weiß Strydom. "Deshalb wurde die Entwicklung der Talente verlangsamt, und das hat sich auf den ganzen Fußball ausgewirkt." So hätten auch die Sponsorendeals, die dem "armen Cousin" der weißen Sportarten bis dato vorenthalten waren, nicht viel bewirkt.

Die Fans sehen das ähnlich. "Südafrika sollte eine der führenden Kräfte in der Welt sein, die jungen Talente hier sind unglaublich", klagt Petersen. "Aber beim Nachwuchs fehlt die Koordination und die Struktur. Im Rugby und Cricket gibt es die nötige Infrastruktur und das Coaching, deswegen sind sie führend in der Welt." Die Bafana steht jedoch nur auf Platz 55 in der Weltrangliste.

Die Jugend muss es richten

Während er die Schuld beim Verband SAFA sieht, macht dieser Fortschritte in Sachen Qualifikation für die WM 2018 aus. "Wenn man sich umhört, dann sind hier alle begeistert von unserem Team", erklärte Coach Shakes Mashaba beim Afrika-Cup. "Schaut auf das Durchschnittsalter: Die Mannschaft wird lange zusammenbleiben können."

In der Tat machen zumindest die Jugendmannschaften leise Hoffnung auf eine bevorstehende Blütezeit. "Unsere U17- und U20-Nationalmannschaften haben sich für die CAF-Juniorenmeisterschaften in Niger beziehungsweise Senegal qualifiziert, und die Banyana Banyana war in der Qualifikation für die CAF-Afrikameisterschaft der Frauen in Namibia erfolgreich", so Jordaan stolz in einer Pressemitteilung des Weltverbands im November.

"Warum ist die FIFA so gierig?"

Diese verriet gleichzeitig auch, wie das Geld des FIFA World Cup Legacy Trusts bisher eingesetzt wurde. In den hatte man nach dem Turnier 65 Millionen Dollar gesteckt, er soll sich durch Zinsgewinne selbst tragen. Bedeutet: In etwas über vier Jahren wurden rund sechs Millionen Euro in Fußball- und Nachwuchsförderung investiert. Ein lächerlich geringer Betrag, bedenkt man Profit und Geldreserven des Fußball-Behemoths in Zürich.

Für McKinley ein "Schlag ins Gesicht": "Sie hätten mit dem Gewinn in jeder Schule einen Fußballplatz anlegen können. Warum ist die FIFA so gierig?" Bis Juni 2014 sollen im Rahmen des Entwicklungsplans erst kümmerliche fünf Kleinfelder im Land angelegt worden sein. Dabei war das Ziel, im Rahmen des Legacy Trusts zumindest in jedem der 52 Distrikte des Landes einen wetterfesten Platz bereitzustellen.

"Selbst wenn uns die FIFA ihren gesamten Gewinn überlassen hätte, Armut und Ungleichheit wären immer noch vorhanden", argumentiert Komitee-Boss Jordaan seinerseit gegenüber der BBC, und sicherlich hat er damit nicht Unrecht. Trotzdem gleicht die FIFA mal wieder einem Heuschreckenschwarm, der, hat er sich erst einmal sattgefressen, wüste Landschaften zurücklässt.

Der immaterielle Nutzen?

Ein ökonomischer Erfolg war die WM kurzfristig ganz sicher nicht - von Illusionen, wonach ein solches Turnier oder gar Olympische Spiele profitabel ausgetragen werden könnten, haben sich mittlerweile auch Hardliner verabschiedet. So hat Südafrika Pläne für die Spiele 2020 nach einem Blick auf die fällige Rechnung prompt wieder in der Schublade verschwinden lassen.

Bleiben also defizitäre Stadien, eine zurückgelassene Unterschicht und weiterhin fehlende Spielflächen. Gleichzeitig jedoch auch ein zart aufkeimendes Pflänzchen Jugendarbeit und Rekordzahlen im Tourismus - wobei die ebenso durch den taumelnden Rand zu erklären wären.

Und natürlich der erwähnte immaterielle Nutzen. An den übrigens nicht jeder glaubt. "Nationale Einheit, Nationalstolz darauf, dass wir die WM hatten, das ganze Zeug - ich glaube, das ist schon 2011 wieder abgeklungen", so McKinley gegenüber dem TV-Sender eNews South Africa. "Ein paar Monate nach dem Turnier war das vielleicht so, aber mittlerweile regiert dann doch wieder der Alltag." Strydom sieht gegenüber SPOX nicht ganz so schwarz: "Nach dem märchenhaften Hoch der WM setzt natürlich wieder der Alltag ein." Der Wert sei also "schwer zu beziffern - aber man sollte es auf keinen Fall unterschätzen."

Fehler der Vergangenheit werden wiederholt

Man mag darüber streiten. Fakt ist jedoch: Hergeben oder für eine schwarze Null eintauschen würden das Turnier nur die wenigsten. Dafür ist das Prestige zu groß, der Stolz darauf, einmal Gastgeber der Welt gewesen zu sein. "Es ist definitiv die Meinung vorherrschend, dass die WM ein großer Erfolg war", bekräftigt Petersen. Er spricht gar vom bisher besten Turnier überhaupt.

Das Wort "Fehlschlag" in Verbindung mit dem FIFA World Cup, es wäre ohnehin Sakrileg. Vielleicht liegt es auch an diesem Erfolgs-Mantra, dass die Fehler der Vergangenheit so gern wiederholt werden. Die "Weißen Elefanten" werden auch in Brasilien zu sehen sein. Wobei die dortigen Kosten Südafrika ja noch um ein Vielfaches überragt hatten - und die Proteste der Bevölkerung dementsprechend heftiger ausfielen.

"Vielleicht hätten wir unsere Stimme vor 2010 auch stärker erheben sollen", beschreibt Strydom die Gemütslage seiner Landsleute angesichts der Krawalle in Brasilien. Man sei selbst zu naiv gewesen, was die Klüngeleien der FIFA angeht. Aber: "Welchen Unterschied hätte das gemacht? Das Turnier wäre wie geplant über die Bühne gegangen - und Zugeständnisse hätte es ohnehin nicht gegeben."

Lernt man in der Schaltzentrale der Macht dazu? Schwer zu sagen: Der vorsichtige Vorschlag von Sepp Blatter, die Zahl der Arenen für die WM 2018 von zwölf auf zehn zu reduzieren, wurde aus Russland brüsk zurückgewiesen - und die Ausgaben in Katar spotten ohnehin jeder Beschreibung. Vielleicht ist man in Zürich ganz froh, dass in beiden Ländern eher zaghafte Proteste zu erwarten sind. Egal, was unterm Strich rauskommt.

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