"Es gibt nur einen Gerd Müller, mein Sohn"

Von Interview: Josip Radovic
Sagt Ibisevic und Dzeko eine große Zukunft voraus: der bosnische Nationalcoach Miroslav Blazevic
© Imago

Miroslav Blazevic ist wohl die größte Trainer-Legende des Balkans. Inzwischen trainiert der 73-Jährige die bosnische Nationalmannschaft und will mit ihr die WM-Endrunde in Südafrika erreichen. Im SPOX-Interview spricht "Ciro" über seine Schützlinge in der Bundesliga, die Chancen von Ivica Olic beim FC Bayern und das Wunder von Hoffenheim.

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exklusiv Den 4. Juli 1998 wird er niemals vergessen - und sein Volk ihn wegen den Ereignisse an diesem Tag auch nicht mehr. Mit der kroatischen Nationalmannschaft war er bis ins WM-Viertelfinale vorgestoßen, doch dort warteten die übermächtigen Deutschen, die Panzer, auf die junge Blazevic-Truppe. Der Rest ist Geschichte.

Rot für Christian Wörns, 3:0 am Ende, Jürgen Klinsmann trat zurück, Berti Vogts auch, das dunkelste Zeitalter der jüngeren deutschen Nationalmannschaftsgeschichte hatte er heraufbeschworen.

Mit Bundesliga-Stars zur WM?

Mittlerweile ist es um den 73-Jährigen ruhiger geworden. Über den Iran ist er in Kroatiens Nachbarland Bosnien angekommen - und die WM ist erneut sein großes Ziel. Dabei helfen sollen ihm eine handvoll Bundesliga-Stars.

Die bosnischen Nationalspieler Vedad Ibisevic, Sejad Salihovic, Edin Dzeko und Zvjezdan Misimovic haben eine glänzende Vorrunde hinter sich. Geht es nach Blazevic, war das bei weitem keine Eintagsfliege.

Im SPOX-Interview spricht "der General" über das Wunder von Hoffenheim und die Aussichten für seinen Topstürmer Vedad Ibisevic. Außerdem erklärt der 73-Jährige, wie er die Chancen von Ivica Olic beim FC Bayern sieht und warum es nur einen Gerd Müller gibt.

SPOX: Herr Blazevic, viele Ihrer Schützlinge aus der Nationalmannschaft sorgen derzeit in der Bundesliga für Furore. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Miroslav Blazevic: Da braucht man nicht lange nach Erklärungen suchen. Das sind einfach Top-Spieler. Sie würden sich auch anderswo irgendwann durchsetzen. Das ist für mich nichts Erstaunliches. Ich habe die Jungs jetzt oft genug gesehen, die können in jedem Team ihren Platz finden.

SPOX: Ist es gut, dass Ihre Spieler in der Bundesliga bleiben und Angebote aus den europäischen Topligen ausschlagen? Ibisevic hat zum Beispiel geäußert, seinen Vertrag in Hoffenheim verlängern zu wollen.

Blazevic: Mein Sohn, es ist doch so: Im Fußball sind nicht die Spieler oder das Geld das Wichtigste. Viel wichtiger sind die Menschen, die die Verantwortung tragen und die Vereine führen. Bei Hoffenheim sieht man das am besten. Dietmar Hopp ist ein herausragender Mann. Er hat dem deutschen Fußball in der letzten Zeit viel gegeben. Ich bin der Meinung, man sollte ihm auch als Spieler aufrichtig und ehrlich Respekt zollen und ihn nicht bei der erstbesten Möglichkeit im Stich lassen und dem Geld folgen, nachdem er so ein Wunder in der Bundesliga vollbracht hat. Wenn man gierig ist, mein Sohn, kann es böse enden.

SPOX: Aber ist ein Stürmer wie Ibisevic, der schon als neuer Gerd Müller betitelt wurde...

Blazevic: (unterbricht) Mein Sohn, das ist aber ein sehr anmaßender Vergleich. Sowas solltest Du nicht in den Mund nehmen. Es gibt nur einen Gerd Müller, und der bleibt für immer. Es gibt zig andere Stürmer, aber Müller ist was Besonderes. Er ist ein Torjäger von Weltformat. Andere, wie Davor Suker, waren WM-Torschützenkönige und sonst noch was, aber wo sind sie heute? Sie sind verschwunden.

SPOX: Ibisevic hat sich nun schwer verletzt. Verschwindet er jetzt in der Versenkung?

Blazevic: Dass er sich genau zu diesem Zeitpunkt verletzt hat, wo alles für ihn perfekt lief, ist natürlich eine Tragödie. Dass er deshalb gänzlich verschwindet, glaube ich nicht. Er ist ein vernünftiger, sehr intelligenter Junge. Er hat seinen Weg bis hierher gut gemeistert. Er wird alles weitere auch gut meistern, egal wo. Er wird die richtigen Entscheidungen für seine Zukunft treffen und eine große Karriere machen. Dass er dafür zu einem anderen Klub wechseln muss, glaube ich nicht.

SPOX: Gilt dasselbe für seinen Mannschaftskollegen Sejad Salihovic und andere Ihrer Nationalspieler wie Dzeko oder Misimovic?

Blazevic: Genau so ist es. Und Hoffenheim, um das klarzustellen, ist für mich kein kleiner Dorfverein mehr. Das war vielleicht irgendwann mal so. Heute ist das völlig anders.

SPOX: Klingt ganz so, dass sie vom Projekt Hoffenheim vollends überzeugt sind.

Blazevic: Ja, das bin ich, und zwar zu einhundert Prozent. Hoffenheim ist und bleibt sehr stark. Sie werden deutscher Meister. Zwar wiegt die Verletzung von Ibisevic schwer, aber ich bin überzeugt, dass sie das Niveau halten können.

SPOX: Edin Dzeko sagen Sie eine Zukunft wie Zlatan Ibrahimovic voraus. Was lässt Sie daran glauben?

Blazevic: Sieh ihn dir doch einfach an, mein Sohn. Ich bin überzeugt, dass er es weit bringen wird. Seine Zweikampfstärke, seine Spielintelligenz, seine Technik trotz seiner Größe und allen voran sein Kopfballspiel. Du wirst sehen, in ein oder zwei Jahren wird man ihn schon zu den ganz Großen zählen.

SPOX: Einer Ihrer früheren Schützlinge, Ivica Olic, hat vor kurzem seinen Wechsel zum FC Bayern bekannt gegeben. Schafft er dort den Durchbruch?

Blazevic: Olic hat die wichtigste Eigenschaft, die ein Fußballer heute braucht: Schnelligkeit, ja fast schon Explosivität. Das ist sein großer Trumpf. Das ermöglicht ihm, in jeder Mannschaft und unter allen Anforderungen zu spielen.

SPOX: Was sagen Sie Menschen, die ihn bereits jetzt schon als Bankdrücker bei den Bayern abstempeln?

Blazevic: Wer erzählt denn so einen Mist? Das erzählen nur Leute, die keine Ahnung vom Fußball haben. Olic wird noch mehr Tore bei Bayern schießen, als er es beim HSV getan hat. Ich finde ihn absolut überragend. Und bei Bayern haben sie doch so einen Stürmertyp gar nicht. Also bitte.

SPOX: Mit Bosnien belegen Sie zurzeit nur Platz vier in der WM-Quali-Gruppe 5. Was ist mit dieser Mannschaft noch möglich?

Blazevic: Wir haben ein heiliges Ziel, das über allem anderen steht und das ist die Weltmeisterschaft in Südafrika. Ich kann das schaffen. Mit Ibisevic, Salihovic, Dzeko und den anderen habe ich sehr gute Karten. Sie sind heranreifende Stars des Fußballs, mit ihnen ist die WM-Endrunde ein realistisches Ziel.

SPOX: Ist das trotz der miserablen, ja teilweise schon amateurhaften Zustände im bosnischen Fußball-Verband zu schaffen?

Blazevic: Ich habe alles im Leben dem Sport zu verdanken. Ich habe noch nie etwas getan, weshalb ich mich schämen sollte. Was vor mir passiert ist, kann ich nicht beeinflussen. Ich bin objektiv und ehrlich. Deshalb achten und lieben mich meine Spieler - und ich liebe sie. Das ist eine wechselseitige Liebe. Das ist wichtig. Was außenrum passiert, ist zweitrangig. Und solange ich da bin, habe ich keine Probleme mit Ungereimtheiten oder anderen Dingen.

SPOX: Sie schwingen beim bosnischen Nationalteam alleine das Zepter. Haben sie schon mal daran gedacht, verdiente Spieler wie Salihamidzic oder Barbarez mit ins Boot zu holen?

Blazevic: Diese Jungs haben nie Interesse bei mir bekundet mitzuarbeiten. Ich persönlich bin sehr gerne bereit, mit solchen Persönlichkeiten zusammenzuarbeiten und sie für mein Team zu engagieren. Nur hängt das nicht von mir, sondern von ihnen ab. Ich bin für alles offen.

SPOX: Sie würden Ihr Kompetenzteam erweitern?

Blazevic: Wie gesagt, für so etwas habe ich ein offenes Ohr. Ich wäre dumm, wenn ich mich solchen Dingen gegenüber verschließen würde. Ich halte nichts davon, zig Trainer um mich rum zu haben, wie das inzwischen einige machen. Aber eine Aufgabe für solche Jungs würde sich schon finden. Trainer bleibe letztendlich immer noch ich.

SPOX: Sie sind inzwischen 73 Jahre alt. Wird Ihr aktueller Job Ihr letzter sein oder haben Sie noch größere Pläne?

Blazevic: Es ist so, mein Sohn: Ich bin ein alter Mann. Ich weiß nicht, ob ich noch in der Lage bin, lange in diesem Beruf zu überleben. Wenn ich daran denke, bin ich sehr deprimiert. Aber das ist der Lauf des Lebens. Ich bin glücklich damit.

Miroslav Blazevic im Steckbrief