"Und plötzlich ist alles weg"

Von Für SPOX bei der Nationalmannschaft: Daniel Börlein
Nach Spielende herrschte im deutschen Lager Enttäuschung und Fassungslosigkeit
© Getty

Die deutsche Nationalmannschaft wollte Weltmeister im eigenen Land werden und den Titel-Hattrick schaffen - und ist im Viertelfinale gescheitert. Die Enttäuschung darüber ist schier grenzenlos. Da hilft auch der Trost von DFB-Boss Theo Zwanziger nicht.

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Ganz langsam schlich Yuki Nagasato aus der Kabine Richtung Mannschaftsbus. Vor den Journalisten machte die 23-Jährige kurz halt - und stand da wie ein Häufchen Elend. Ihre Enttäuschung war unübersehbar. Sie verstehe einfach nicht, warum sie bereits zur Pause ausgewechselt wurde, sagte die Angreiferin vom deutschen Meister Turbine Potsdam mit leiser Stimme.

Nagasato fühlte sich wie eine Verliererin und sah auch so aus. Dabei zählte die Japanerin doch zu den großen Gewinnerinnen des Abends. Zusammen mit ihren Teamkolleginnen hatte sie - wenn auch nur 45 Minuten auf dem Platz - für die große WM-Sensation gesorgt und Gastgeber und Turnierfavorit Deutschland aus dem Wettbewerb geworfen.

"Leere und Fassungslosigkeit"

Nicht mal ein Lächeln wollte Nagasato ob dieser Leistung allerdings übers Gesicht huschen. Doch so passte sie auch besser zu den Spielerinnen, die um sie herum in der Mixed Zone des Wolfsburger Stadions standen. Es waren traurige Gesichter, enttäuschte, niedergeschlagene, ernüchternde Gesichter. Die Gesichter der Deutschen.

"Da ist jetzt nur Leere und Fassungslosigkeit", sagte Linda Bresonik. "Keiner kann das realisieren", ergänzte Celia Okoyino da Mbabi. Und WM-OK-Chefin Steffi Jones fügte hinzu: "Ich bin wahnsinnig traurig. Das kann man kaum in Worte fassen."

Das deutsche Team versuchte es trotzdem. Keiner rannte einfach davon oder versteckte sich. Alle Spielerinnen stellten sich zumindest für einen Moment den Fragen. Auch wenn es weh tat. "Ich kann es noch gar nicht glauben. Was soll ich denn morgen zuhause machen?", fragte sich Simone Laudehr.

Schwere Verletzung bei Kulig

"Diese WM war bis jetzt so ein tolles Erlebnis, und plötzlich ist in 120 Minuten alles weg", sagte Bresonik, die bereits nach acht Minuten für Kim Kulig ins defensive Mittelfeld beordert wurde. Die deutsche Newcomerin hatte sich bei einem Kopfballduell am Knie verletzt und musste ausgewechselt werden. Die bittere Diagnose: Kreuzbandriss.

"Das Aus von Kim war ein Schock, das ging durch die ganze Mannschaft. Sie hat uns gefehlt", suchte Neid nach Erklärungen für die Niederlage, durch die das deutsche Team auch die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2012 verspielte.

Prinz: Karriereende auf der Bank

Doch Kuligs Ausscheiden war nicht der einzige Grund für das deutsche Aus. "Uns ist wirklich gar nichts gelungen. Wir hätten wahrscheinlich nicht mal das leere Tor getroffen", sagte Angreiferin Inka Grings.

"Uns war bewusst, dass Japan eine sehr gute Mannschaft hat. Nicht umsonst haben wir sie zu den Titelfavoriten gezählt. Wir wollten dagegen halten, haben aber leider die Tore nicht gemacht", sagte Okoyino da Mbabi. "Wir haben spielerisch enttäuscht", ergänzte Birgit Prinz.

Die deutsche Spielführerin musste abermals von draußen zusehen und beendete ihre Karriere damit mit 120 WM-Minuten auf der Bank. "An diesem Abend ist meine DFB-Karriere geendet", sagte Prinz, die ihren Frust über Niederlage wie auch ihre erneute Reservistenrolle nicht verbergen konnte.

Ansprache von Neid

Immerhin war sie, anders als nach dem Nigeria-Spiel (1:0), dieses Mal mit ihrer Enttäuschung nicht alleine. "Wir haben hier unseren Traum gelebt - und hätten das gerne noch eine Woche länger gemacht", sagte Okoyino da Mbabi.

Der Traum ist nun zu Ende. Es wird kein Happy-End mehr geben für diese Mannschaft. Dafür aber jede Menge Trost. Unmittelbar nach dem Schlusspfiff rief Neid ihre Spielerinnen noch einmal für eine letzte Ansprache zusammen. "Sie sagte, wir sollen uns keinen Vorwurf machen", verriet Grings.

Trost von Zwanziger

Und auch Dr. Theo Zwanziger war nach Spielende nach unten geeilt, zunächst an den Spielfeldrand, später auf den Rasen. Der DFB-Präsident ging von Spielerin zu Spielerin und spendete aufmunternde Worte.

"Ich wollte einfach vermitteln, dass wir uns nicht nur in ihren Erfolgen sonnen. Da gehört es sich auch, dass man signalisiert, dass wir alle verloren haben und nicht nur die, die auf dem Platz stehen", sagte Zwanziger.

Bei den Beteiligten kam Zwanzigers Geste an. "Ich fand es total nett, dass er versucht hat zu trösten", sagte Neid. Wirklich Erfolg hatte der DFB-Boss freilich nicht - dafür war zuvor einfach zu viel schief gegangen.

"Kim hat einen Kreuzbandriss, wir haben verloren und sind aus dem Turnier ausgeschieden", sagte Nadine Angerer. "Was für ein Scheiß-Tag!"

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