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"Wir hatten zu viele Trainerwechsel"

Benedikt Höwedes ist schon seit 2001 beim FC Schalke 04
© getty

Benedikt Höwedes ist mit seinen 27 Jahren bereits ein Schalker Urgestein. Im Sommer stand ein Wechsel ins Ausland im Raum, doch der Weltmeister schwor Königsblau die Treue. Im Interview spricht Höwedes über seine Identifikation mit dem Klub, Planspiele für die Zukunft, Andre Breitenreiters Qualitäten und die Tragödie um seine Heimatstadt Haltern.

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SPOX: Herr Höwedes, wissen Sie eigentlich, dass Gelsenkirchen die Stadt ist, die die meisten deutschen WM-Teilnehmer hervorgebracht hat?

Benedikt Höwedes: Echt? Das hatte ich noch nie gehört.

SPOX: Es sind 14 an der Zahl. Was sagt das in Ihren Augen über den Fußball-Standort Gelsenkirchen aus?

Höwedes: Ich denke, dass es kaum eine andere Stadt in Deutschland gibt, die den Fußball so lebt. Hier werden sozusagen Fußball-Vollblüter geboren. Deshalb ist es besonders erfreulich, dass von denen auch immer wieder einige den Sprung nach ganz oben in die Nationalmannschaft schaffen und dort mit zum Erfolg beitragen.

SPOX: Dazu kommen auch Spieler wie Julian Draxler und Sie, die zwar nicht in der Stadt geboren sind, aber auf Schalke ausgebildet wurden.

Höwedes: Es hat sich hauptsächlich in den zehn letzten Jahren sehr viel in unserer Ausbildung getan. Unser U19-Trainer Norbert Elgert gehört mit Abstand zu den besten Nachwuchscoaches Europas. Schalke bietet herausragende Möglichkeiten für junge Spieler, sich zu entwickeln und es in den bezahlten Fußball zu schaffen. Man sieht es ja an unserer Profimannschaft, die gespickt ist mit Spielern aus den eigenen Reihen. Darum wird Schalke beneidet, das gibt es in der Bundesliga nur selten.

SPOX: Derzeit heißen die herausragenden Talente Max Meyer und vor allem Leroy Sane. Was macht Sie zuversichtlich, dass beide langfristig auf Schalke bleiben?

Höwedes: Ich bin der Meinung, dass die meisten Talente hier sehr bodenständig sind und wissen, woher sie kommen. Das liegt auch zu einem Großteil an der nüchtern-sachlichen Arbeit von Norbert Elgert, der auf solche Eigenschaften viel Wert legt. Wenn aber solche Spieler irgendwann einmal überirdisch Fußball spielen und für andere Vereine unheimlich interessant werden, kann man nicht davon ausgehen, sie für alle Zeiten an Schalke zu binden. Das wäre eine unrealistische Erwartung.

SPOX: Was wäre realistisch?

Höwedes: Schalke 04 gehört zu den größten und attraktivsten Vereinen in Deutschland, auch wenn wir nicht jedes Jahr Titel gewinnen. Unsere Fans sind einzigartig und die Strukturen innerhalb des Klubs stimmen. Mit Blick auf die Ambitionen des Vereins ist es absolut lohnenswert, sich hier weiter zu entwickeln und die Dinge mit aufzubauen. Daher bin ich zuversichtlich, dass Schalke den Großteil seiner vielen Talente in den eigenen Reihen behalten wird.

SPOX: Was fehlt dem Klub, um es auf das allerhöchste Top-Niveau zu schaffen?

Höwedes: Nicht viel, wenn man bedenkt, dass wir in den letzten Jahren kontinuierlich in der Champions League vertreten waren und dort teilweise bis ins Halbfinale vorgestoßen sind. Wir hatten zuletzt zu viele Trainerwechsel, was in der Summe sicherlich nicht förderlich für eine kontinuierliche Gesamtentwicklung des Vereins war und eine gewisse Konstanz erschwerte.

SPOX: Ist mit Andre Breitenreiter nun der Übungsleiter gefunden, mit dem bei diesem Thema Kontinuität Einzug erhält?

Höwedes: Ich bin mir sicher, dass wir uns unter Andre Breitenreiter Schritt für Schritt weitentwickeln werden. Er genießt innerhalb der Mannschaft absolutes Vertrauen und hat einen guten Draht zu allen Spielern. Ich glaube, ich kann für alle sprechen wenn ich sage, dass wir uns sehr freuen würden, wenn wir längere Zeit mit ihm zusammenarbeiten dürften.

SPOX: Die Schalker Mannschaft ist sehr jung, zum Teil stehen sechs, sieben Mann aus der eigenen Jugend in der Startelf. Muss man es künftig schaffen, die gute Jugendarbeit noch deutlicher zur Marke des Vereins zu machen?

Höwedes: Ich finde, dass das zumindest in Teilen bereits der Fall ist. Der Klub ist unheimlich stolz auf seine selbst ausgebildeten Spieler. Doch man muss auch festhalten, dass die Erwartungshaltung bisweilen problematische Ausmaße annehmen kann. Auch andere Vereine investieren viel Geld und haben teure Kader, daher ist und bleibt es enorm schwer, sich in jeder Saison für die Champions League zu qualifizieren - selbst wenn man in den Vorjahren dort regelmäßig vertreten war. Man muss jungen Talenten einfach die Zeit geben, sich an das höhere Niveau zu gewöhnen.

SPOX: Draxler hat den enormen Druck als Hauptgrund für seinen Abgang genannt.

Höwedes: Das bleibt natürlich auch immer eine subjektive Wahrnehmung, jeder geht ja anders damit um. Mir scheint, man hat eingesehen, dass man eine individuelle Entwicklung nicht einfach von außen beschleunigen kann. Wenn ich die Reaktionen nach Niederlagen sehe, selbst im Derby gegen Dortmund, dann ist die Stimmung jetzt deutlich positiver. Es wird anerkannt, dass die Mannschaft alles probiert und viel investiert.

SPOX: Manuel Neuer und Mesut Özil beispielsweise konnten den Aussichten bei noch größeren Klubs nicht widerstehen. Sie dagegen sind Schalke immer treu geblieben. Warum?

Höwedes: Erst einmal ist es überhaupt nicht verwerflich, wenn man sich irgendwann einmal sportlich verändern möchte. Jeder Spieler kann unterschiedliche Sichtweisen auf den Fußball haben und andere Dinge erleben wollen. Mesut und Manuel sind so gut, dass sie ganz oben in Europas Spitze ihr Können unter Beweis stellen wollten. Auch ich hatte Möglichkeiten, den Verein zu verlassen. Doch als ich Kapitän wurde, spürte ich noch einmal eine größere Verantwortung dem gesamten Klub gegenüber. Zudem fühle ich mich hier auch einfach enorm wohl.

Seite 1: Höwedes über Schalkes Talente, Breitenreiter und mangelnde Kontinuität

Seite 2: Höwedes über Wechselgedanken, Identifikation mit S04, Haltern und Paris

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