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GESPONSERT VON

"Wir hatten zu viele Trainerwechsel"

Benedikt Höwedes ist schon seit 2001 beim FC Schalke 04
© getty
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SPOX: Was müsste passieren, damit Sie dem Klub den Rücken kehren?

Höwedes: Daran verschwende ich aktuell keinen Gedanken. Ich habe aber nie einen Hehl daraus gemacht, dass mich das Ausland unter Umständen vielleicht auch noch einmal reizen würde. Im Sommer habe ich mich dagegen entschieden, weil ich als Kapitän das vermeintlich sinkende Schiff nicht verlassen wollte und schnell den Ehrgeiz entwickelte, Schalke wieder auf Kurs zu bringen.

SPOX: Mats Hummels sagte einmal, ihm sei es wichtiger, bei einem Verein zu spielen, dessen Fußball zu ihm passt, als mit einem x-beliebigen Klub Titel zu sammeln. Für Sie nachvollziehbar?

Höwedes: Hundertprozentig. Wäre ich nicht derselben Meinung wie Mats, würde ich wohl nicht mehr auf Schalke spielen. Zwar ist Geld für einen Fußballer nicht unwichtig, die Identifikation mit meinem Arbeitgeber bleibt für mich aber essentiell. Herz und Leidenschaft spielen eine große Rolle. Als Teil einer nur mit viel Geld zusammengewürfelten Truppe sehe ich mich nicht.

SPOX: Hummels meinte auch, sollte er einmal den BVB verlassen, dann solle der Verein eine hohe Ablösesumme erzielen und auch frühzeitig Bescheid wissen, um sich um eine Nachfolgelösung zu kümmern. Haben Sie sich über ein solches Szenario auch schon einmal Gedanken gemacht?

Höwedes: Nein. Ich könnte mir aber vorstellen, dass ich zu einem ähnlichen Ergebnis kommen würde wie Mats. Ich spiele jetzt seit 14 Jahren auf Schalke, das ist mein Verein und ich werde ihm auf ewig sehr dankbar sein. Einen Abgang durch die Hintertür würde es bei mir sicherlich nicht geben. Ich sehe jedoch aktuell keinen Anlass, mir über solche Themen den Kopf zu zerbrechen.

SPOX: Sie sprechen es an: Sie sind ein Schalker Urgestein, das man sich kaum in einem anderen Trikot vorstellen kann. Einen Wechsel innerhalb der Bundesliga schließen Sie weiterhin aus, oder?

Höwedes: Ja, dabei bleibt es auch. Ein anderes deutsches Wappen käme mir nicht auf die Brust.

SPOX: Auf Schalke dagegen würden Sie endgültig zur Legende werden, wenn Sie dort Ihre Karriere beenden. Wie sehr reizt eine solche Perspektive?

Höwedes: Das spricht mich allein schon deshalb an, weil es in der heutigen Zeit ein tolles Alleinstellungsmerkmal wäre. Das ist in der Tat auch Teil meiner Gedanken. Allerdings möchte ich mich nicht so sehr darauf versteifen, damit mir das im Nachhinein nicht vielleicht doch einmal vorgeworfen werden kann. Ich will mit offenen Karten spielen und denke auch, dass ich das tue.

SPOX: Welchen Anteil hat denn Breitenreiter daran, dass Sie im Sommer nicht gegangen sind?

Höwedes: Wir führten mehrere richtig gute Gespräche, als bei mir der Gedanke an einen möglichen Wechsel noch bestand. Ich bin ihm dann deshalb gefolgt, weil er mir ein super Gefühl dafür vermittelte, wie er hier mit einer jungen und hungrigen Truppe etwas aufzubauen gedenkt. Ich konnte viel Enthusiasmus für die Aufgabe bei ihm erkennen und dieser hat sich letztlich auf mich übertragen. Ich halte ihn für einen fachlich herausragend ausgebildeten Trainer und bin sicher, dass er unsere Mannschaft weiter entwickeln wird.

SPOX: Das Fußballjahr 2015 neigt sich dem Ende entgegen. Für Sie keine leichte Zeit: die schwache Vorsaison, die schwere Sprunggelenkverletzung, dazu die Flugzeugkatastrophe, die Ihren Heimatort Haltern am See traf sowie der Terror rund um die Länderspiele in Paris und Hannover. Würden Sie 2015 gerne streichen?

Höwedes: Nein, das sollte man nie tun. Es gab einige negative Ereignisse, sportlich wie persönlich. Betrachtet man allerdings das gesamte Jahr, dann überwiegen meiner Ansicht nach die guten Erlebnisse. Ich konnte beispielsweise selbst aus meiner Verletzungsgeschichte etwas lernen und Positives herausziehen für die Zukunft.

SPOX: Sie haben während des Länderspiels in Kaiserslautern gegen Australien Ihre Solidarität mit den Opfern aus Haltern gezeigt und ein Schild mit der Aufschrift "Haltern trauert" in die Luft gereckt. Wie schwer fiel Ihnen dieses Spiel?

Höwedes: Extrem schwer. Ich konnte mich kaum konzentrieren, ich konnte das nicht alles mit dem Anpfiff ausblenden. Meine Gedanken waren ständig in Haltern. Ich stand schon seit dem Vortag, als die Nachricht durchsickerte, unter Schock. Ich habe überlegt, was ich tun könne, um den Menschen beizustehen. Man hat es im Fernsehen vielleicht nicht sehen können, aber mir kamen die Tränen, als ich das Schild in der Hand hielt. Auch die Schweigeminute war nicht einfach für mich.

SPOX: Wie haben Sie und Ihre Bekannten in der Heimat diese Tragödie verarbeitet?

Höwedes: Man kennt in Haltern über ein, zwei Ecken viele Menschen. Es blieb nicht aus, dass Betroffene dabei waren. Auch den Schulleiter kenne ich sehr gut. Ich habe versucht, den Menschen Gehör zu schenken und beispielsweise viele Leute zu unseren Spielen auf Schalke eingeladen. Ich habe mich ihnen gegenüber bemüht, eine gewisse Anteilnahme zu zeigen und Nähe zu schenken, um das Geschehene in einer sehr schwierigen Zeit verarbeiten zu können.

SPOX: Nach den Terroranschlägen in Paris sind Sie zum Länderspiel nach Hannover gereist, um ein Zeichen "für Demokratie und Freiheit" zu setzen, wie Sie über Facebook bekannt gaben. Wie sehr hat Sie die Absage der Partie getroffen?

Höwedes: Mich hat das sehr mitgenommen. Ich wollte der Freiheit willen in Hannover dabei sein und zeigen, dass wir als Mannschaft zusammenstehen. Als ich die Meldung der Absage erhielt, war ich zusammen mit meiner Frau rund 100 Meter vom Stadion entfernt. Man denkt immer, Terroranschläge seien weit von einem entfernt. Diesmal gab es in Deutschland so eine Gefahr und wir waren selbst involviert. Das macht einen schon stutzig und nachdenklich.

SPOX: Wie reflektiert man das als Fußballspieler? Sie waren in Paris aufgrund Ihres Mittelhandbruchs nicht dabei, werden aber mit Ihren Teamkollegen darüber gesprochen haben.

Höwedes: Ich habe mich mit ein paar Spielern ausgetauscht und auch mit Oliver Bierhoff telefoniert. Leroy Sane war ja auch mit dabei, er hat nach seiner Rückkehr davon erzählt. Es war eine Extremsituation und es ist nicht ganz einfach als betroffener Spieler, das auf Anhieb problemlos zu verarbeiten. Ich will nicht sagen, dass ich das Glück hatte, meine Hand gebrochen zu haben. Aber wäre das nicht passiert, hätte ich die Tage von Paris auch hautnah erlebt. So war es Schicksal, das mir das erspart blieb. Die Angst darf aber niemals Überhand nehmen, sie sollte niemanden einschüchtern.

Seite 1: Höwedes über Schalkes Talente, Breitenreiter und mangelnde Kontinuität

Seite 2: Höwedes über Wechselgedanken, Identifikation mit S04, Haltern und Paris

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