EM

Die Iniesta-Täuschung und der andere Xavi

Von Daniel Börlein
Topfavorit auf den EM-Titel: Spanien mit Trainer Del Bosque und dem genialen Duo Iniesta und Xavi
© Getty

Die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine ist 2012 das große Fußball-Highlight. SPOX befasst sich im Vorfeld der Endrunde intensiv mit den Teilnehmern und liefert zu den Top-Nationen eine umfassende Analyse. In Teil fünf der Serie steht Spanien im Fokus. Die Iberer setzen auf den Weg durchs Zentrum. Dafür gibt's die Iniesta-Täuschung und den anderen Xavi.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Vor vier Jahren sah die Welt den spanischen Fußball noch mit völlig anderen Augen. Die Iberer galten als talentierte Fußball-Nation, die im Vereinsfußball zwar regelmäßig für Furore sorgt, mit der Nationalmannschaft bei Turnieren allerdings auch stets vorzeitig die Heimreise antritt.

Inzwischen hat sich das grundlegend geändert. 2008 holte La Roja in Österreich und der Schweiz den EM-Titel und wurde zwei Jahre später in Südafrika Weltmeister. Spanien ist längst auch mit der Nationalmannschaft das Maß der Dinge und könnte bei der anstehenden Endrunde als erstes Land überhaupt den EM-Titel verteidigen.

Im Vorfeld lief beim Team von Coach Vicente del Bosque allerdings längst nicht alles nach Wunsch. Aufgrund des Pokalendspiels am 25. Mai stießen die Nationalspieler aus Barcelona und Bilbao erst sehr spät zum Team.

In den beiden Testspielen gegen Serbien (2:0) und Südkorea (4:1) musste del Bosque deshalb auf zahlreiche Schlüsselspieler verzichten. Erst beim 1:0 gegen China waren die Barca-Stars dabei. Zudem sagte Carles Puyol wegen einer Verletzung frühzeitig für die EM ab. Auch David Villa wird nicht rechtzeitig fit. Beide waren bei den Spaniern fest für die erste Elf eingeplant.

Trotzdem kann del Bosque aus einem Pool an Weltklasse-Akteuren schöpfen. So wird ein Top-Mann wie Cesc Fabregas im Normalfall zunächst wohl ebenso auf die Bank müssen, wie Mata von Champions-League-Sieger Chelsea. Auch im Sturm ist nur Platz für einen aus dem Trio Fernando Torres/Fernando Llorente/Alvaro Negredo.

Spanische Grundsätze I

Die spanische Grundordnung sieht nur einen echten Angreifer vor. Der wird in der Regel von zwei Flügelspielern flankiert. Auf dem Papier agiert Spanien in einer Mischung aus 4-2-3-1 und 4-3-3. In der Praxis ist davon allerdings nur selten etwas zu sehen. Denn: Spaniens Spiel ist extrem zentrumsfokussiert und wird von ständigen Rochaden geprägt. Gerade im offensiven Bereich verharrt kein Akteur längere Zeit auf der gleichen Spielfeldposition.

Die Außenbahnen werden in der Regel nur von den Außenverteidigern konsequent besetzt. Die offensiven Flügelspieler hingegen rücken früh ein, agieren meist im Halbfeld und kreiseln durchs Mittelfeld. Zu den beiden Sechsern (im Normalfall Busquets und Xabi Alonso) gesellen sich dadurch zentral davor nochmal drei potenzielle Anspielstationen, die so Überzahl erzeugen und schwer zu kontrollieren sind.

Was geht für Spanien bei der EM? Jetzt beim Tippspiel mitmachen und gewinnen!

Der Grund für diese Fokussierung auf das Spiel durch die Mitte ist denkbar einfach: Der Weg durchs Zentrum ist der kürzeste Weg zum Tor und bietet gleichzeitig die meisten Optionen für einen Angriff. Weil Spanien im Gegensatz zu vielen Konkurrenten die fußballerischen Qualitäten hat, sich auf dem unglaublich engen Raum im Zentrum zu behaupten, zelebrieren die Iberer diesen Stil wie keine andere Nation.

Die beiden Sechser sind eher defensivorientiert und suchen selten den Weg in die Offensive. In der Regel sind sie der erste Passempfänger für den Ball aus der Abwehr, der nahezu ausschließlich von einem Innenverteidiger (Außenverteidiger rücken bei Ballbesitz sofort nach vorne) kommt.

Während Busquets das Zentrum nur selten verlässt, schiebt Xabi Alonso auch mal ein paar Meter nach außen und macht dadurch Platz im Zentrum für einen offensiven Mittelfeldspieler, der in den Raum rochieren kann. Oder er schiebt ein paar Meter nach vorne und wird so eine weitere Option (die vierte) fürs Kurzpassspiel durchs Zentrum.

Denn grundsätzlich gilt: Durch kurze Flachpässe, ständige Positionswechsel und hohe Ballbesitzzeiten versucht sich Spanien Meter für Meter nach vorne zu arbeiten, bis der finale Pass samt Torabschluss möglich ist.

Teil 2: Spanische Grundsätze II

Teil 3: Die Iniesta-Täuschung

Teil 4: Der andere Xavi