EM

Die Suche nach dem X-Faktor

Von Thomas Gaber
Szene vom 1:1 am ersten Vorrundenspieltag: Andrea Pirlo schießt, Iker Casillas hält
© Imago

Mit Spanien und Italien treffen die beiden fraglos besten Mannschaften der EM im Finale aufeinander (20.30 Uhr im LIVE-TICKER). Doch wer ist eigentlich Favorit? Oder: Gibt es gar keinen? SPOX ist der Frage nachgegangen und hat beide Teams Mann für Mann verglichen.

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Die Torhüter: Casillas vs. Buffon

Sowas wie die Papas beider Teams. Die anderen Spieler richten sich an ihren Kapitänen auf. "Ohne Gianluigi wären wir nicht in diesem Finale. Er kümmert sich um jeden einzelnen Spieler. Jeder schaut zu ihm auf", sagt Claudio Marchisio. Buffon ist im Turnier bislang ohne Fehler, abgesehen von der Unkonzentriertheit ganz zu Beginn gegen Deutschland, als er einen harmlosen Ball nicht festhalten und Italien fast ein Eigentor unterlaufen wäre.

Iker Casillas kann im 136. Länderspiel seinen 100. Sieg einfahren - bisher unerreicht. Strahlt auch in brenzligen Situationen eine unglaubliche Ruhe aus, so als würde er mit seinen Kindern im Garten spielen. Seit neun K.o.-Spielen bei WM und EMs ohne Gegentor.

Unentschieden


Innenverteidiger I:

Bonucci vs. Pique

Leonardo Bonucci hat sich in dieses Turnier gebissen und ist Italiens Verteidiger mit der besten Spieleröffnung. Wenn Andrea Pirlo manngedeckt wird, ist er es, der die Bälle von hinten heraus verteilt.

Pique begann fahrig, hat sich aber im Laufe des Turniers gesteigert. Ist trotzdem ein kleiner Risikofaktor in Spaniens Abwehr.

Vorteil Italien


Innenverteidiger II:

Barzagli vs. Ramos

Andrea Barzagli verpasste die ersten beiden Spiele wegen einer Wadenverletzung, ist bei Cesare Prandelli aber absoluter Stammspieler nach seiner starken Saison für Juventus. Stark im Kopfballspiel, kommt mit ganz wenigen Fouls aus. Chef in Italiens Viererkette.

Sergio Ramos spielt eine starke EM. Hat Pique in den ersten Spielen mitgezogen. Totale Ruhe am Ball, auch wenn der Gegner aggressives Pressing spielt. Sehr hohe Quote erfolgreicher Pässe. Sein Foul an Mandzukic hätte aber Elfmeter für Kroatien geben müssen. Verwandelte im Halbfinale einen Elfmeter a la Panenka.

Vorteil Spanien


Rechtsverteidiger: Arbeloa vs. Balzaretti

Alvaro Arbeloa wird gerne als Schwachstelle der Spanier dargestellt. Zu Unrecht. Offensiv zwar zu zaghaft, dafür defensiv tadellos. Macht keine Sperenzchen, verzichtet im Passspiel auf Risiko. Daher sehr geringe Fehlerquote.

Federico Balzaretti spielte im Viertelfinale rechts, im Halbfinale links. Nahm Lukas Podolski total aus dem Spiel. Defensiv kompromisslos, offensiv vor allem gegen England mit einigen guten Aktionen. Manchmal etwas unbeholfen, wie beim Handspiel im Strafraum gegen Deutschland.

Unentschieden


Linksverteidiger: Alba vs. Chiellini

Jordi Alba ist die Entdeckung des Turniers. Beim FC Valencia in der vergangenen Saison etwas unter dem Radar, kehrt jetzt zu Barca zurück. Harmoniert nahezu perfekt mit Vordermann Andres Iniesta. Enorme Power bei Flügelläufen und mit Pferdelunge ausgestattet. Zog gegen Portugal in der 115. Minute noch lange Sprints an.

Giorgio Chiellini ist nicht der Schnellste, dafür stark im Zweikampf und Kopfball. Eigentlich kein Linksverteidiger, aber auch auf ungewohnter Position mehr als solide und als emotional leader neben Buffon ohnehin verzichtbar.

Vorteil Spanien


Die defensiven Mittelfeldspieler: Xabi Alonso vs. De Rossi

Xabi Alonso befindet sich im Barca-Epizentrum mit Busquets, Xavi und Iniesta. Harmoniert mit seinen Kollegen so gut, als würde er jeden Tag bei Barca trainieren. Exzellente Antizipation gegnerischer Pässe, stopft immer Löcher. Dazu Doppeltorschütze in seinem 100. Länderspiel gegen Frankreich. Verschoss aber einen Elfmeter gegen Portugal.

Daniele De Rossi entpuppt sich bei dieser EM als extrem wichtiger Baustein der Squadra. Hat seinen beinharten Spielstil aufgeweicht, glänzt eher durch faire Balleroberung und harte, platzierte Torschüsse. In jedem Spiel holt er läuferisch alles aus sich raus.

Unentschieden


Die Strategen: Xavi vs. Pirlo

Xavi spielt nicht so brillant wie gewohnt, ist als Strippenzieher im spanischen Mittelfeld aber unverzichtbar. Hat sich mit mehreren kleinen Verletzungen durch die Saison geschleppt, die absolute Frische fehlt ihm. Wurde im Halbfinale ausgewechselt - passiert ihm höchst selten.

Wenn über die Gründe für den Erfolg der Italiener bei dieser EM gesprochen wird, fällt sofort ein Name: Andrea Pirlo. Neben Buffon letzter verbliebener 2006er Weltmeister. Bestimmt im Mittelfeld den Rhythmus. Kann einschläfernd spielen, um dann plötzlich zu explodieren und das Spiel mit seinen Traumpässen schnellzumachen. Führt alle Standards aus. War für Italien nie wertvoller.

Vorteil Italien


Die rechten Flügelspieler: Silva vs. Marchisio

David Silva spielte eine starke Vorrunde, fiel aber insbesondere im Halbfinale ab. Zieht bevorzugt von rechts in die Mitte, was Spaniens Linkslastigkeit verstärkt. Wurde in vier von fünf Spielen ausgewechselt, meistens gegen Jesus Navas, der den rechten Flügel konsequent besetzte.

Prandelli schätzt an Claudio Marchisio dessen "Piedi buoni", die guten Füße. Der Trainer fordert von seinen Mittelfeldspielern, dass sie sich nicht nur rennen, sondern auch vernünftig mit dem Ball umgehen können. Vorteil Marchisio - er kann beides. Spielt nicht so auffällig, verrichtet aber viel Laufarbeit, auch für Pirlo. Könnte auf Kurs Goldener Schuh liegen, wenn er vor den Spielen gegen Kroatien und Deutschland Zielwasser getrunken hätte.

Unentschieden


Die linken Flügelspieler: Iniesta vs. Montolivo

"Es kann auf dem Platz Dinge, die sonst keiner kann", sagt Sergio Ramos über Andres Iniesta. Der Barca-Star kurbelt das spanische Offensivspiel immer wieder mit schnellen Antritten oder chirurgisch genauen Pässen in die Tiefe an. Bildet mit Alba die mit Abstand beste linke Seite aller EM-Teilnehmer.

Ricardo Montolivo hat Thiago Motta aus der Stammelf verdrängt. Entlastet Pirlo bei der Spielgestaltung. Spielte gegen England sehr offensiv als Mann hinter den Spitzen. Gegen Deutschland weiter zurückgezogen, was ihn aber nicht am genialen Pass auf Balotelli vor dem 2:0 hinderte. Wird von den Tifosi wegen seiner bisweilen zur Schau gestellten Behäbigkeit kritisch beäugt.

Vorteil Spanien

 

Die Stürmer: Fabregas/Torres vs. Balotelli/Cassano

 

Echte oder falsche Neun? Spaniens Trainer del Bosque hat seinen Paradestürmer bis zum Finale eigentlich noch nicht gefunden. Gegen Portugal fiel Negredo jedenfalls durch. Fabregas und Torres erzielten bislang je zwei Tore. Fabregas schoss außerdem Spanien mit seinem Elfmeter gegen Portugal ins Finale.

Der Barca-Star ist ein Mann für die Crunshtime-Spiele. Schoss Spanien bei der EM 2008 gegen Italien ins Halbfinale und bereitete bei dem WM 2010 den Titel bringenden Treffer von Iniesta vor. Torres ist nach einer schwachen Saison rechtzeitig zur EM in Form gekommen.

Italiens Sturmbesetzung mit zwei echten Spitzen geht gegen den Trend. Beide passen aber sehr gut zusammen. Cassano weicht immer wieder auf die Flügel aus (meistens nach links) und zieht so einen gegnerischen Innenverteidiger aus dem Zentrum. "Antonio ist ein fantastischer Fußballer. Wir ergänzen uns hervorragend", sagt Sturmpartner Balotelli, der Deutschland im Alleingang abschoss. Strotzt vor Selbstvertrauen: "Gegen Spanien möchte ich vier Tore schießen, nicht nur zwei."

Vorteil Italien

Spanien vs. Italien: Historische Bilanz

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