DFB-Team - Kommentar zur Entlassung von Bundestrainer Hansi Flick: Warum nicht mit Hannes Wolf und Sandro Wagner zur EM?

Von Oliver Maywurm
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Gemeinsam mit DFB-Sportdirektor Rudi Völler übernehmen zunächst Hannes Wolf und Sandro Wagner die Nachfolger von Hansi Flick bei der deutschen Nationalmannschaft. Sollte man daraus vielleicht eine mittelfristige Lösung machen? Ein Kommentar.

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Hansi Flick ist ein Super-Typ. Als Co-Trainer, der einen großen Beitrag zum WM-Titel 2014 leistete, war er legendär. Später war er plötzlich Bayern Münchens Chefcoach und gewann mit dem FCB das Triple. Das Kapitel als Bundestrainer wird jedoch zurecht als Scheitern in Erinnerung bleiben.

Es war richtig, Flick trotz Vorrunden-Aus bei der WM 2022 die Chance zu geben, weiterzumachen. Weil die deutsche Nationalmannschaft sich in Katar größtenteils gut präsentierte und in der Gruppenphase sogar zu den besten Teams des Turniers gehörte, was das Kreieren von Torchancen anging. Letztlich scheiterte sie an ein paar Unkonzentriertheiten im Auftaktspiel gegen Japan und auch an fehlendem Glück.

Nun, gut neun Monate später, ist es aber auch die einzig richtige Entscheidung gewesen, nicht mehr mit Flick weiterzumachen. Das 1:4 gegen Japan war der negative Höhepunkt einer Fülle an schwachen Leistungen seit der WM und offenbarte von allen der jüngsten drei Niederlagen am deutlichsten: Flick und sein Trainerteam haben sich als Verantwortliche für diese Mannschaft festgefahren.

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Unter Hansi Flick konnte kein neues Leben mehr entstehen

"Die Gremien waren sich einig, dass die A-Nationalmannschaft der Männer nach den zuletzt enttäuschenden Ergebnissen einen neuen Impuls benötigt", erklärte DFB-Präsident Bernd Neuendorf zur Entscheidung, Flick freizustellen. Eine Einschätzung, die sich mit der Einschätzung von außen deckt: Es war schlichtweg nicht mehr vorstellbar, dass das DFB-Team mit Flick an der Spitze noch einmal begeisternden Fußball spielen kann.

Zu leer war der Auftritt gegen Japan von großen Teilen der Mannschaft. Und es sind zwar nur einzelne Ausschnitte, die man in der Amazon-Doku über die Nationalelf in Katar zu sehen bekommt - aber dennoch entsteht in den darin aufgegriffenen Ansprachen der intensive Eindruck, dass unter Flick in diesem Team kein neues Leben mehr entstehen konnte.

Und rein fußballerisch kam Flicks Handeln in den vergangenen Monaten immer verkopfter daher. Viele Experimente. Viele Versuche, taktisch vielleicht noch ein paar Prozentpunkte herauszuholen. Ja, im modernen Fußball ist es längst Alltag, dass die Spielweise der Gegner bis ins kleinste Detail auseinandergenommen und das eigene Spiel mitunter danach ausgerichtet wird. Aber genau das birgt auch die Gefahr, sich darin zu verlieren und damit die eigentlich vorhandene eigene Qualität einer Mannschaft zu verwässern. Das DFB-Team unter Flick wirkte zuletzt irgendwie wie solch eine Mannschaft. Was umso bitterer ist, da man einzeln betrachtet so viele geniale Kicker in seinen Reihen hat.

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DFB-Team: Warum nicht die gewagte Lösung?

Wer es im Gegensatz zu Flick nun schaffen kann, in dieser Mannschaft neues Leben zu wecken, darüber wird in den nächsten Tagen heiß diskutiert werden. Julian Nagelsmann, Jürgen Klopp, Oliver Glasner, Louis van Gaal - bereits vor Flicks Entlassung wurden mehrere prominente Namen für dessen Nachfolge gehandelt.

Am Dienstag gegen Frankreich werden neben Sportdirektor Rudi Völler interimsmäßig zunächst Hannes Wolf (Direktor Nachwuchs, Training und Entwicklung sowie U20-Nationaltrainer) und Sandro Wagner (Co-Trainer U20-Nationalmannschaft) auf der Bank sitzen. Dass Wolf und Wagner auch mittelfristig bis zur EM als Duo die Nationalelf übernehmen könnten, scheint keine Überlegung zu sein. Aber - vorausgesetzt natürlich, die beiden würden sich das zutrauen - warum eigentlich nicht?

Sowohl Wolf als auch Wagner können begeistern, können ihr Brennen für eine Sache authentisch vorleben. Beide sind fachlich top, beide sind jung und wortgewandt.

Klar wäre es auf den ersten Blick ein enormes Risiko, sich das Duo einfach mal bis zu einem so extrem wichtigen Turnier wie der EM im eigenen Land ausprobieren zu lassen. Und es wäre wahrscheinlich schwer zu vermitteln, dass vergleichsweise unerfahrene Trainer den wichtigsten Job in Fußball-Deutschland übernehmen. Ziemlich sicher würde es als naiv abgestempelt werden, als fahrlässig. Aber ganz plump gesagt: Verkehrt machen kann man damit nichts.

DFB-Team: Nur Jürgen Klopp wäre eine Ideal-Besetzung

Und ganz plump gefragt: Welche Alternative wäre besser? Ob nun Nagelsmann, Glasner oder van Gaal - kommt ein Trainer mit großem Namen, hätte auch er vor der unmittelbaren EM-Vorbereitung nur die beiden kurzen Perioden im Oktober und November sowie eine im kommenden Frühjahr, um die Mannschaft nach seinen Ideen einzustellen. Reicht das wirklich aus, um potenziell so viel mehr zu bewirken als Wolf und Wagner es könnten?

Zumal beispielsweise Nagelsmann, der laut Sport Bild beim DFB der Favorit auf Flicks Nachfolge ist, noch keinerlei Erfahrung als Nationaltrainer hat. Hannes Wolf ist in dieser Hinsicht erfahrener, hat er doch schon die U18 und U19 des DFB trainiert und ist aktuell U20-Coach.

Nach Flicks unvermeidbarer Entlassung neun Monate vor dem Turnier ist der DFB ohnehin unter Zeitdruck, was die Heim-EM angeht. Und sollte es mit Wolf und Wagner schiefgehen, könnte man eine andere langfristige Lösung danach dann immer noch präsentieren.

Mit Sicherheit ist es eine gewagte These, aber: Der einzige namhafte Coach, der aktuell eine deutlich vielversprechendere Wahl als Wolf und Wagner wäre, ist Klopp. Doch der ist wegen seines Vertrages bis 2026 in Liverpool eben nicht verfügbar.

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