Hansi Flick als Bundestrainer entlassen

SID
Hansi Flick
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Paukenschlag bei der deutschen Nationalmannschaft! Bundestrainer Hansi Flick ist am Sonntag entlassen worden. Auch die beiden Co-Trainer Marcus Sorg und Danny Röhl wurden von ihren Aufgaben entbunden.

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Die Ära Hansi Flick endete nach 770 Tagen schmählich - und Ein-Spiele-Chef Rudi Völler sucht mit Hochdruck den Retter der Heim-EM. Nach der Bankrotterklärung gegen Japan war der Bundestrainer trotz monatelanger Treueschwüre nicht mehr im Amt zu halten, jetzt ist der Sportdirektor auf allen Ebenen gefordert. Völler betreut die deutsche Nationalmannschaft am Dienstag (21 Uhr) in Dortmund gegen den Vize-Weltmeister Frankreich und muss gleichzeitig einen Nachfolger für eine erfolgreiche Europameisterschaft finden.

"Für mich ist das kein einfacher Moment, denn ich bin im Februar beim DFB angetreten, um Hansi Flick mit all meinen Möglichkeiten zu unterstützen, ihm den Rücken freizuhalten, damit er sportlich erfolgreich sein kann", sagte Völler nach der Entscheidung am Sonntagnachmittag. Julian Nagelsmann wird nun heiß gehandelt, Oliver Glasner und Stefan Kuntz könnten die Alternativen sein.

Gegen Frankreich wird Völler von U20-Trainer Hannes Wolf und Sandro Wagner unterstützt, da auch Flicks Assistenten Marcus Sorg und Danny Röhl freigestellt wurden. Das Trio verabschiedete sich noch von der Mannschaft und reiste ab. "Die Gremien waren sich einig, dass die A-Nationalmannschaft der Männer nach den zuletzt enttäuschenden Ergebnissen einen neuen Impuls benötigt", sagte DFB-Präsident Bernd Neuendorf. Er fügte nach seiner "schwierigsten Entscheidung" an: "Wir brauchen mit Blick auf die Europameisterschaft Aufbruchstimmung und Zuversicht."

Diese war nach dem 1:4 (1:2) gegen Japan in Wolfsburg endgültig dahin. Durch die Trennung von Flick sorgte der Verband für ein Novum: Keiner der zehn Vorgänger war entlassen worden. Nach dem sportlichen Offenbarungseid blieb den Bossen aber keine andere Wahl. "Der sportliche Erfolg hat für den DFB oberste Priorität. Daher war die Entscheidung unumgänglich", sagte Neuendorf. Eine Dauerlösung soll möglichst "zeitnah" gefunden werden.

Hansi Flick vom DFB als Bundestrainer entlassen

Der neue Mann könnte die Aufgabe erstmals bei der umstrittenen US-Tour im Oktober ausüben. Rekordnationalspieler Lothar Matthäus forderte Matthias Sammer und lehnte selbst den Job ab. Doch jetzt soll gegen Frankreich erst einmal ein weiteres Desaster verhindert werden - mit Völler, aber ohne Flick.

Dem 58-Jährigen half auch sein Startrekord mit acht Siegen gegen zweitklassige Gegner nicht weiter. Der einstige Münchner Erfolgscoach war durch das WM-Debakel in Katar zu sehr beschädigt, um den erhofften Turnaround und den so dringend benötigten Stimmungsumschwung herbeizuführen. Auch wenn er das unmittelbar nach dem entlarvenden Auftritt gegen Japan anders sah. "Ich finde, wir machen das gut, und ich bin der richtige Trainer", sagte Flick in einer bemerkenswerten Selbsteinschätzung. Er werde "weiter fighten", versicherte er den Fans noch bei einer öffentlichen Trainingseinheit am Sonntagmittag.

Doch schon da wehte ein Hauch von Abschied durch das kleine Wolfsburger Stadion. Flick posierte auf einer Ehrenrunde nach dem Ende der Einheit für (Erinnerungs-)Fotos mit den Fans. Dem einstigen Co-Trainer von Joachim Löw schwante aber Böses: Im Profi-Fußball sei "vieles schwer vorherzusagen".

DFB-Team mit höchster Heimpleite seit 2001

So holten ihn die Sorgen auch schnell wieder ein. Die DFB-Verantwortlichen um Neuendorf, seinen Vize Hans-Joachim Watzke und Völler steckten am Nachmittag die Köpfe bei einer Krisensitzung zusammen und unterbreiteten danach der Gesellschafterversammlung und dem Aufsichtsrat der DFB GmbH und Co. KG einen entsprechenden Vorschlag.

Die Statistiken waren zu alarmierend. Drei Niederlagen der Nationalmannschaft in Folge gab es zuletzt vor 38 Jahren unter Franz Beckenbauer. Von den vergangenen 17 Spielen wurden nur vier gewonnen. Seit dem WM-Desaster gab es nur einen Sieg in sechs Begegnungen.

Flick hatte zum Start in die EM-Saison durch die taktischen und personellen Veränderungen seine letzte Patrone abzufeuern versucht, sie blieb im Lauf stecken. Offensiv einfallslos, defensiv hilflos - nur dank Torhüter Marc-Andre ter Stegen fiel die höchste Heimniederlage seit 2001 (1:5 gegen England unter Völler) nicht noch dramatischer aus.

DFB-Kapitän "Gündogan: "Sind nicht gut genug"

Flicks Umstellungen, der neue Kapitän Ilkay Gündogan, die Degradierung von Joshua Kimmich auf die rechte Abwehrseite - damit hatte der Bundestrainer ein Lebenszeichen senden wollen. Seht her, ich kämpfe, ich bin modern. Wir haben jetzt eine Spielphilosophie! Es ging absolut krachend schief. So auch die Idee, den total überforderten Nico Schlotterbeck hinten links in einen aussichtslosen Kampf gegen viel schnellere und wendigere Japaner zu schicken.

Die Fans in der Volkswagen-Arena pfiffen lautstark, der Rauswurf des Bundestrainers wurde gefordert. Die Spieler stellten sich noch hinter ihren Chef. "Wir sind gerade nicht gut genug. Die Mannschaft muss sich hinterfragen", gab Gündogan zu Protokoll.

Thomas Müller sagte der Fußball-Nation, was überfällig war. Deutschland gehöre eben nur noch in der Selbstwahrnehmung "zu den besten 10 oder 15 der Welt", vielleicht in der Theorie, "aber nicht in der Realität".

Jetzt soll es Flicks Nachfolger richten.

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