DFB-Ethiker: Knobloch erhebt nach Rücktritt schwere Vorwürfe gegen Koch und Osnabrügge

SID
Die Unruhen in der DFB-Spitze reißen nicht ab.
© getty

Die Rücktritte der DFB-Ethiker bergen gewaltigen Sprengstoff. Es werden schwere Vorwürfe gegen Interimspräsident Rainer Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge laut.

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Es hätte ein solch schöner Sommer werden können für Rainer Koch. Nach Monaten im Kreuzfeuer der Kritik war die EM mit ihren Spielen in München der perfekte Anlass, um den Blick beim krisengeschüttelten Deutschen Fußball-Bund (DFB) von den unzähligen Streitereien und Querelen einmal wieder aufs Sportliche zu lenken. Doch schon zieht eine neue Krise herauf, Interimspräsident Koch steckt wieder mittendrin - und der Druck steigt gewaltig.

Denn nach den Rücktritten von drei Mitgliedern der Ethikkommission hat der DFB seinen nächsten Brandherd. Der eine Ethiker prangerte eine "Demontage" durch Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge an, ein anderer "schlechten Stil" der Verbandsspitze. Fakt ist: Die Ethikkommission ist durch den Eklat nach der Wahl von Irina Kummert zur neuen Vorsitzenden des Gremiums handlungsunfähig. Und das, obwohl auch Ermittlungen gegen Koch liefen.

Die Empörung ist groß - und ruft nun sogar die Sponsoren auf den Plan, die langsam genug vom DFB-Chaos haben. "Der Rücktritt von drei von vier Mitgliedern der DFB-Ethikkommission ist leider ein weiterer Beleg für den desolaten Zustand des größten Fußballverbandes weltweit", sagte Jana Bernhard dem SID. Sie ist Geschäftsführerin von S20, einer Vereinigung der 20 namhaftesten deutschen Sportsponsoren, darunter auch große DFB-Partner wie Adidas oder die Telekom.

"Wir Sponsoren erwarten in diesem Fall maximale Transparenz, wie es zu diesem beispiellosen Vorfall kommen konnte", sagte Bernhard weiter und machte klar: "Jeglicher Verschleierungsversuch wird sich als untauglich erweisen." Die bislang vorliegenden Aussagen der zurückgetretenen Ethiker ließen aber "nichts Gutes erwarten".

Nach Rücktritten: DFB-Gremium arbeitsunfähig

Mit Kopfschütteln reagierte auch Sylvia Schenk. "Der DFB zerlegt sich selbst weiterhin in einem Maß, das nur noch Ungläubigkeit hinterlässt. Ein grundlegender personeller und struktureller Reset ist unausweichlich", sagte die Anti-Korruptions-Expertin von Transparency Deutschland und warnte: "Neue Mitglieder der Ethik-Kommission dürfen jetzt nicht satzungswidrig durch das Präsidium bestimmt werden."

Der DFB widersprach kurz darauf Schenks Satzungsverständnis. Zugleich betonte der Verband jedoch auch, dass "das Präsidium es sich zum Ziel gesetzt hat", unabhängige Vorschläge von Kummert und der Büroleitung der Ethiker "zu übernehmen".

Ausgelöst hatte die Rücktrittswelle Kummerts Wahl durch das DFB-Präsidium. Einen Zusammenhang des umstrittenen Abstimmungsergebnisses mit den Untersuchungen gegen Koch wollte der zurückgetretene Ethiker Nikolaus Schneider im Gespräch mit dem SID nicht ziehen - doch er merkte an, dass es gewiss eine "zeitliche Koinzidenz" gebe. Schließlich hatte das DFB-Präsidium am Mittwoch bei seiner Sitzung die Wahl selbst forciert. "Es besteht kein zeitlicher oder inhaltlicher Zusammenhang mit Verfahren bei der Ethikkommission", erklärte der DFB dazu.

Nach dem Tod des Bundestags-Vizepräsidenten Thomas Oppermann (SPD) im vergangenen Oktober war die Ethikkommission kommissarisch von Bernd Knobloch geleitet worden. Bis Mittwoch war dieser auch von seiner Berufung zum ordentlichen Vorsitzenden ausgegangen - das DFB-Präsidium wählte aber mit 7:5 Stimmen Kummert.

Knobloch warf Koch und Osnabrügge "Rufschädigung" vor

Knobloch warf daraufhin wie die weiteren Mitglieder Schneider und Birgit Galley das Handtuch - und schoss scharf. In seiner Rücktritts-Mail, aus der die Süddeutsche Zeitung zitierte, schrieb der Jurist vom "Gipfel einer seit Monaten laufenden Kampagne gegen mich als Vorsitzenden". Laut SZ sollen Knobloch und Galley ihre Rücktritte bereits verbandsintern angekündigt haben, falls Kummert gewählt werde. Nun steht die Präsidentin des Ethikverbands der Deutschen Wirtschaft alleine da, das DFB-Gremium ist arbeitsunfähig.

Auch die Untersuchungen gegen Koch liegen damit vorerst auf Eis. Die Frauen-Initiative um Katja Kraus hatte sich jüngst an die Kommission gewandt, um einen Vorfall mit dem 62-Jährigen bewerten zu lassen. Koch soll Ex-Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb, die auch Teil der Frauen-Bewegung für grundlegende Änderungen in Fußballverbänden ist, zu Zurückhaltung gedrängt haben. Koch bestreitet dies, doch das war längst nicht alles.

So warf Knobloch im kicker Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge bei verschiedenen Vorgängen im März und April "Rufschädigung" vor. Diese sollten "den Weg bereiten, den Vorsitzenden der Kommission zu demontieren." Das will Koch, der den DFB derzeit an der Seite von Profi-Vertreter Peter Peters bereits zum dritten Mal als Co-Interimsboss führt, nicht auf sich sitzen lassen und wies die "entsprechenden gegenteiligen Behauptungen" als "zweifelsfrei falsch" zurück.

Doch als wäre das nicht schon genug, warf der ebenfalls zurückgetretene Schneider der DFB-Führung auch noch schlechten Stil vor - da erst seine Bereitschaft zur Wahl des Vorsitzenden abgefragt worden war, er aber ohne ein weiteres Gespräch gar nicht zugelassen wurde. "Das lasse ich nicht mit mir machen, dass die mich da wie eine Schachfigur auf dem Brett hin- und herschieben", sagte der Theologe.

Der DFB wies Knoblochs und Schneiders Vorwürfe indes zurück: Die Aussagen würden "den tatsächlichen Abläufen nicht gerecht".

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