"Riberys Ausfall hat etwas Positives"

Von Daniel Reimann
Seit Sommer 2013 ist Horst Hrubesch (l., mit Emre Can) Trainer der deutschen U 21
© getty

1980 bescherte er Deutschland mit zwei Toren im Finale den EM-Sieg, 1982 schoss er das DFB-Team gegen Frankreich vom Punkt ins Endspiel. Heute trainiert Horst Hrubesch die U-21-Nationalmannschaft. Im Interview mit SPOX vor dem WM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Frankreich (18 Uhr im LIVE-TICKER) spricht über über die Lehren aus dem Algerien Spiel, Frankreichs Ribery-Effekt und Toni Schumachers üblen Aussetzer.

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SPOX: Herr Hrubesch, viele waren vom Auftreten der DFB-Elf gegen Algerien überrascht - Sie auch?

Horst Hrubesch: Kaum jemand wollte im Vorfeld glauben, dass es ein schweres Spiel werden würde. Dabei lief es so, wie ich es erwartet hatte. Nur hatte ich nicht gedacht, dass uns derart viele Abspielfehler in der Anfangsphase unterlaufen und dass es so schwer sein würde, das Spiel in den Griff zu bekommen. In der zweiten Halbzeit war es dann besser. Deutschland hat das Spiel diktiert, hatte die klareren Torchancen. Zu diesem Zeitpunkt hätten sie das Spiel auch entscheiden müssen. In der Verlängerung haben sie es dann zum Glück - von ein paar kleineren Aussetzern abgesehen - souverän zu Ende gespielt.

SPOX: Effektivität statt Schönspielerei: Hat das DFB-Team in dieser Hinsicht dazugelernt?

Hrubesch: Ja, natürlich. Doch nicht nur als Mannschaft, viele haben auch auf individuellem Wege dazugelernt. Spieler wie Mario Götze, Philipp Lahm oder Mesut Özil, die so technisch versiert sind, die mit solch hoher Geschwindigkeit spielen... Wenn du dann gegen Mannschaften wie Algerien spielst, die jeden einzelnen körperlich bearbeiten, dann musst du dagegenhalten. Das haben sie getan. Mich hat es sehr gefreut, wie Özil damit umgegangen ist. Das hat man bis zum Schluss und vor allem bei seinem Tor gesehen. Da war viel Wille dabei, wie er den Ball zum 2:0 reingehauen hat. Diesen unbedingten Willen muss er bei der WM weiterhin mitnehmen.

SPOX: Es wurde viel diskutiert, ob es die richtige Entscheidung war, körperlich schwächere Spieler wie Götze oder Özil gegen Algerien zu bringen. Hätte Löw auf robustere Spieler setzen sollen?

Hrubesch: Nicht, wenn man einmal seine Mannschaft zusammengestellt und diese für gut befunden hat. Diese Mannschaft muss dann einfach ihre Fähigkeiten ausspielen. In unserem Fall heißt das: Über eine hohe Ballgeschwindigkeit zielstrebig zum Abschluss kommen. Das ist der entscheidende Faktor. Man würde sich selbst schwächen, wenn man eine eingespielte Mannschaft auseinanderreißt, nur um körperbetonter Fußball zu spielen. Es kann ja gegen Frankreich auch wieder ein sehr körperbetontes Spiel werden.

SPOX: Das heißt, Sie sehen Löw auf dem richtigen Weg? Seine Aufstellung gegen Algerien wurde von vielen Seiten kritisiert.

Hrubesch: Wir haben zu Hause 80 Millionen Bundestrainer, zudem die Medien. Man kann nur aus eigener Überzeugung heraus aufstellen. Davon ausgehend, wie man trainiert hat, was am besten passt. Man hat ja auch in der zweiten Halbzeit gesehen, dass diese Mannschaft solche Situationen lösen kann. Das hat sie am Ende getan. Die Diskussionen kann ich nicht nachvollziehen.

SPOX: Eine andere häufig geführte Diskussion dreht sich um die falsche Neun. Wie verfolgen Sie diese als ehemaliger Mittelstürmer?

Hrubesch: Was ist schon eine falsche Neun? Thomas Müller ist ein sehr guter Mittelstürmer, mit Miroslav Klose haben wir noch einen auf der Bank. Das System wurde über die Qualifikation bis hin zur WM ausprobiert und einstudiert. Man kann nicht einfach jetzt das System großartig verändern, denn es ist abhängig von den Spielertypen. Wenn man mit den eigenen Spielertypen in der Lage ist, die Stärken des eigenen Systems auszuspielen, ist es egal, ob mit oder ohne Mittelstürmer. Das Personal stellt das System.

SPOX: Deutschlands Viertelfinalgegner Frankreich musste beim Personal einen schweren Rückschlag verkraften: Franck Ribery fiel kurz vor WM-Beginn aus. Dennoch spielt Frankreich bisher souverän auf. Hat Sie das überrascht?

Hrubesch: Nein, von ihrer spielerischen Qualität war ich überzeugt. Was mich überrascht hat, ist die Geschlossenheit. Sie sind wieder eine Mannschaft. Dafür war Riberys Ausfall vielleicht ausschlaggebend. Daraufhin haben sie sich erst recht zusammengerauft. Das ist nicht anders, als wenn jemand einen Platzverweis bekommt oder sich verletzt und man nur noch zu zehnt spielt. Das schweißt die Mannschaft zusammen, jeder macht noch einen Schritt mehr. Die Franzosen wollen genau das beweisen und das gelingt ihnen gut. Insofern hat Riberys Ausfall etwas Positives.

SPOX: Was ist den Franzosen bei dieser WM zuzutrauen?

Hrubesch: Frankreich ist für mich definitiv ein Titelkandidat. Das wird eine offene Partie gegen Deutschland, ein sehr schweres Spiel. Aber ich bin mir sicher, dass wir mit unseren technischen Fähigkeiten und dem schnellen Spiel die Franzosen schlagen werden.

SPOX: In der Vorrunde sind bereits Spanien und Italien rausgeflogen, im Achtelfinale mussten mehrere Geheimfavoriten wie Chile oder Uruguay dran glauben. Ist der Weg zum Titel dieses Jahr einfacher als sonst?

Hrubesch: Im Gegenteil: Es war lange nicht mehr so schwer, eine WM zu gewinnen. Gerade für die europäischen Mannschaften, die mit den klimatischen Bedingungen zu kämpfen habe. Nicht umsonst wurde noch nie eine europäische Mannschaft in Südamerika Weltmeister. Gleichzeitig macht es Spaß zu sehen, mit welcher Mentalität und mit welcher Freude die Südamerikaner bei dieser WM auftreten. Dazu sind Teams wie Argentinien und Brasilien noch längst nicht am Limit angekommen, da geht noch mehr. Und Frankreich wird, wie bereits erwähnt, auch eine wichtige Rolle spielen.

Seite 1: Hrubesch über Löw, Özil und den Ribery-Effekt

Seite 2: Hrubesch über Frankreich 1982 und Schumachers Aussetzer

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