Szenen einer Ehe

Von Stefan Rommel
August 2006: Joachim Löw bereitet sich auf sein erstes Länderspiel als Bundestrainer vor
© getty

Joachim Löw steht beim Länderspiel in Mailand gegen Italien (20.45 Uhr im LIVE-TICKER) zum 100. Mal als Trainer der deutschen Nationalmannschaft am Spielfeldrand. Ein Rückblick auf sieben Jahre, in denen der deutsche Fußball neue Höhen erklommen und gleichzeitig seinen Schrecken von einst verloren hat.

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Von Erich Ribbeck trennt ihn nicht nur das Alter und die die äußere Erscheinung. Joachim Löw ist der erfolgreichste Bundestrainer in der Geschichte des DFB. Sein Vor-Vor-Vorgänger Ribbeck der erfolgloseste.

Die Statistik hinkt ein wenig, durfte Ribbeck doch nur 24 Spiele absolvieren und ist damit zugleich auch der Bundestrainer mit der kürzesten Amtszeit. Und überhaupt wurde Ribbeck in einer Zeit verheizt, als der deutsche Fußball so tief gesunken war wie nie zuvor in der Nachkriegszeit.

Unterm Strich bleiben aber 1,50 Punkte pro Spiel, die Ribbecks Mannschaften eingefahren haben. Joachim Löw kommt in 99 Länderspielen unter seiner Regie auf 2,22 Punkte.

Am Freitag in Mailand macht es Löw dreistellig, er rückt damit in den Klub der Hunderter auf, dem bisher nur Sepp Herberger (167 Spiele) und Berti Vogts (102) angehören.

Es ist einiges passiert in den über sieben Jahren, in denen Löw der Mannschaft als Bundestrainer vorsteht. Löw hat Triumphe gefeiert und Tiefschläge eingesteckt, hat persönliche Titel errungen und Tragödien erlebt. Die Eckpfeiler einer außergewöhnlichen Beziehung.

16. August 2006: Der neue Bundestrainer legt mit einem Freundschaftsspiel gegen Schweden los. In Gelsenkirchen sitzt Löw nach dem Rückzug von Jürgen Klinsmann erstmals in verantwortlicher Position auf der Bank. Knapp vier Wochen davor, am 12. Juli, wurde Löw ins Amt gehievt. Für den "ausgebrannten" Klinsmann der einzig logische Schritt. "Training, Videoanalysen - Jogi hat bisher schon immer die eigentliche Arbeit verrichtet", sagte Klinsmann damals. Löw unterschreibt einen Zweijahresvertrag und bekommt von DFB-Präsident Theo Zwanziger mit auf den Weg: "Das Ziel heißt schlicht und klar, wir wollen Europameister 2008 werden." Der Auftakt jedenfalls gelingt. Deutschland schlägt Schweden mit 3:0.

24. März 2007: Ein erstes Highlight unter Löws Regie. In Prag spielt die deutsche Mannschaft die damals noch sehr starken Tschechen an die Wand und siegt am Ende viel zu knapp mit 2:1. Die Elogen auf den Auftritt aus dem In- und Ausland überhäufen die Mannschaft, Franz Beckenbauer sieht in Deutschland "die derzeit beste Mannschaft Europas". Spätestens von da an ist der Titel bei der EM auch in der öffentlichen Wahrnehmung mehr als ein Traum. Die Qualifikation für das Endturnier verläuft reibungslos, erst im unbedeutenden letzten Heimspiel gegen die Tschechen gibt es beim 0:3 erstmals Pfiffe gegen Löw und seine Mannschaft.

Juni 2008: Bei der Europameisterschaft 2008 erfährt Löw, dass ein Endturnier als verantwortlicher Trainer doch nochmal eine andere Hausnummer ist. Nach einem 1:2 gegen Kroatien im zweiten Gruppenspiel flammt heftige Kritik auf, innerhalb der Mannschaft bilden sich zwei Gruppen. Indiskretionen aus dem Mannschaftskreis finden den Weg zu den Medien. Löw steht vor dem Österreich-Spiel gewaltig unter Druck. Ein Scheitern gegen den Gastgeber wäre das sichere Aus für den Bundestrainer noch vor Ablauf seines Vertrags. Ballacks Geschoss gibt der deutschen Seele Ruhe und Löw etwas Luft zum Atmen.

Vor dem Viertelfinale stellt er das Grundsystem um, weg vom 4-4-2 und hin zu einem klaren 4-2-3-1. Die Partie gegen Portugal verfolgt er nach seiner Sperre in einer VIP-Loge und sieht die beste Leistung der Mannschaft unter seiner Regie. Die Medien feiern Löw, in der Wahrnehmung der Öffentlichkeit hat er sich spätestens mit dieser Partie von Klinsmann emanzipiert und sich selbst als Autorität etabliert. Intern laufen die Dinge aber weiter etwas anders. Das verlorene Finale gegen Spanien bringt einige unschöne Dinge ans Tageslicht. Speziell die arrivierten Spieler scheinen weiter einige Vorbehalte gegenüber Löw zu haben.

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Seite 4: EM 2012 und die große Abrechnung

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