Szenen einer Ehe

Von Stefan Rommel
August 2006: Joachim Löw bereitet sich auf sein erstes Länderspiel als Bundestrainer vor
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11. Oktober 2008: In der Halbzeit der wichtigen Qualifikationspartie gegen Russland verlässt kevin Kuranyi das Stadion in Dortmund. Kuranyi war von Löw wenige Stunden davor aus dem Kader gestrichen worden. Erste Meldungen vom Verschwinden Kuranyis machen eine Stunde nach dem Spiel die Runde, am Tag darauf reagiert der Bundestrainer mit aller Härte. Auf einer Pressekonferenz verbannt Löw seinen Angreifer: "So wie Kevin gestern reagiert hat, kann ich das nicht akzeptieren und werde ihn deshalb in Zukunft nicht mehr für die Nationalmannschaft nominieren." Löw muss erstmals klar Kante zeigen und greift rigoros durch. Fast auf den Tag genau ein Jahr später qualifiziert sich die Mannschaft durch ein 1:0 in Moskau im vorletzten Gruppenspiel für die WM in Südafrika.

22. Oktober 2008: In einem von Ballack eingefädelten Interview mit der "FAZ" geht der Kapitän seinen Vorgesetzten scharf an. Ballack prangert besonders den Umgang mit seinem Attache Torsten Frings an, wirft Löw konkret und zwischen den Zeilen Heuchelei und einen schlechten Stil im Umgang mit verdienten Spielern vor. Unter anderem sagt Ballack: "Wenn man einen nicht mehr will, sollte man das ehrlich ansprechen. Respekt und Loyalität ist doch das Wenigste, was man als verdienter Nationalspieler erwarten kann." Löw keift zurück, zeigt sich "total überrascht, verwundert und enttäuscht" und fordert ein Vieraugengespräch mit Ballack ein. "Ich lasse mir das nicht gefallen und werde auf diese Unterredung bestehen. Alles Weitere wird man dann sehen, meine Entscheidung hängt dann auch vom Verlauf dieses Gesprächs ab." Erst nach einigen Tagen und der Intervention von Theo Zwanziger legt sich der Streit wieder. Ballack bleibt Kapitän, es bleiben aber auch Risse im Verhältnis zwischen Löw und Ballack zurück. Torsten Frings wird im Februar 2009 in der Tat sein letztes Länderspiel bestreiten.

10. November 2009: Robert Enke nimmt sich in der Nähe von Hannover das Leben. Die Nationalmannschaft ist in Köln zusammengekommen, um sich auf die Testspiele gegen Chile und die Elfenbeinküste vorzubereiten. Plötzlich steht alles still. Das Spiel gegen Chile wird abgesagt. "Das ist ein Moment, bei dem man auch im Fußball innehalten muss", sagt Löw. Später bezeichnet er die Tage im November als die schwersten seiner Karriere.

16. Dezember 2009: Die "Bild" posaunt die angebliche feststehende Vertragsverlängerung des DFB mit Löw hinaus. Offenbar hätten sich beide Seiten auf eine Fortführung bis 2012 geeinigt. So artikuliert sich auch Theo Zwanziger.

Das Problem: Löw will davon nichts wissen. Nach Wochen des ewigen Hin und Her lässt der Bundestrainer im Februar ein Kommunique verfassen: "Ganz bewusst haben wir uns in den vergangen Wochen nicht konkret zur Vertragssituation geäußert. Umso verwunderter sind wir über die plötzlich in der Öffentlichkeit diskutierten angeblichen Vertragsdetails. Dadurch sind viele Unwahrheiten in Umlauf gekommen. Einen Handschlag-Vertrag hat es zum Beispiel nicht gegeben." Die Fronten zwischen DFB-Boss Zwanziger und Löw, seinem Trainerstab und Manager Oliver Bierhoff sind total verhärtet. Am Ende einigen sich beide Parteien darauf, die Vertragslage nach der WM in Südafrika weiter zu diskutieren.

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Seite 2: Kuranyi, Ballack, Enke, Zwanziger

Seite 3: WM in Südafrika und immer wieder Ballack

Seite 4: EM 2012 und die große Abrechnung

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