Adrion: Sammer ist Barca-Fan

Von Interview: Daniel Börlein
Rainer Adrion (l.) ist seit Juli 2009 Trainer der U 21 des DFB
© Getty

Seit neun Monaten ist Rainer Adrion U-21-Nationaltrainer beim DFB. Bislang lief es in der EM-Qualifikation allerdings noch nicht nach Wunsch. Bei SPOX spricht Adrion über Druck beim DFB, Anregungen vom FC Barcelona und das Kompetenzgerangel zwischen Sammer und Löw.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Adrion, Sie sind seit rund neun Monaten beim DFB. Bislang lief es in der U-21-EM-Qualifikation recht durchwachsen. Wie bewerten Sie Ihre Arbeit bis dato?

Rainer Adrion: Das muss man zweigeteilt betrachten. Fangen wir mit dem weniger Guten an: Die sportliche Bilanz ist nicht zufriedenstellend, keine Frage. Wir haben zwar zweimal klar gegen San Marino gewonnen, aber gegen Tschechien verloren und in Nordirland das Last-Minute-Tor zum 1:1 bekommen. Darum muss man schon jetzt sagen, dass wir uns keinen Punktverlust mehr erlauben dürfen.

SPOX: Wie läuft es abseits der bloßen Ergebnisse in der Qualifikation?

Adrion: Es macht großen Spaß. Die Zusammenarbeit mit allen Beteiligten läuft wirklich gut, sowohl mit den anderen Trainern der U-Mannschaften, als auch mit Matthias Sammer und nach oben mit Jogi Löw und den Verantwortlichen der A-Nationalmannschaft.

SPOX: Dennoch wird es auch beim DFB so sein, dass man als Trainer unter Druck steht, wenn nicht die gewünschten Ergebnisse geliefert werden.

Adrion: Von offizieller Seite wird kein Druck ausgeübt. Wir wollen ja selbst mit dem Team unsere Ziele erreichen. Von daher ist es nicht nötig, zusätzlichen Druck aufzubauen. Aber keine Frage: Natürlich sind alle angespannt, weil wir uns schon Ausrutscher erlaubt haben und nun nichts mehr passieren darf.

SPOX: Dadurch steht auch die Mannschaft schon unerwartet früh unter Druck. Wer kann und muss in dieser Situation Verantwortung übernehmen und vorangehen?

Adrion: Wir haben eine gewisse Anzahl an Leuten, die das können. Tobias Sippel hat im Tor alle Spiele gemacht. Auch Höwedes, Hummels, Badstuber, Schwaab und Reinartz waren immer dabei. Von denen muss man eine gewisse Stabilität erwarten. Hinzu kommen Spieler wie Toni Kroos und Thomas Müller, die nun in die A-Nationalmannschaft reinschnuppern. Beide sind aufgrund ihrer Qualität sehr wichtig. Denn ein Führungsspieler definiert sich auch immer über die Leistung.

SPOX: Sie selbst standen vor Ihrer Zeit beim DFB als Vereinscoach jeden Tag auf dem Platz. Inwieweit hat sich Ihre Trainertätigkeit nun verändert?

Adrion: Vorher war ich jeden Tag mit Talenten zusammen, habe die Basisarbeit verrichtet. Jetzt ist für mich die Zusammenarbeit mit den Vereinen enorm von Bedeutung. Ein wichtiges Kriterium ist die richtige Auswahl der Spieler und der sukzessive Aufbau einer funktionierenden Mannschaft in den Lehrgängen. Wir erwarten, dass man mittlerweile Fortschritte erkennt, weil wir seit acht Monaten zusammenarbeiten.

SPOX: Sie haben die Zusammenarbeit mit den Vereinen angesprochen. Zwischen der A-Nationalmannschaft und den Bundesligisten lief das in der Vergangenheit nicht immer perfekt ab. Wie sieht es bei der U 21 in den entsprechenden Klubs aus?

Adrion: Wenn keine Lehrgänge stattfinden, schaue ich bei den Klubs vorbei und fahre zu Trainingslagern, um den Kontakt zu Spielern und Trainern aufrechtzuerhalten. Vieles läuft natürlich telefonisch ab. Wichtig waren für mich vor allem die ersten persönlichen Kontakte, bei denen ich festgestellt habe, dass der U 21 und den damit verbundenen Maßnahmen alle Beteiligten sehr positiv gegenüber stehen. Die Zusammenarbeit mit den Klubs kann ich bislang nur loben.

SPOX: Beim DFB hat Matthias Sammer ein Konzept für die Förderung des Nachwuchsbereichs auf den Weg gebracht. Inwieweit sind Sie als U-Trainer in diese Prozesse involviert?

Adrion: Wir treffen uns regelmäßig zusammen mit allen Auswahltrainern. Da wird sehr viel über Spielsysteme, Spielphilosophien und Spielerentwicklung gesprochen. Es geht um die Fragen: Wann ist es richtig welchen Spieler wo einzusetzen? Gerade in den unteren Jahrgängen sind diese Fragen ganz wichtig.

SPOX: Wird sich dabei auch anderen Verbänden orientiert? Matthias Sammer hat früher immer von der Jugendarbeit in Frankreich geschwärmt.

Adrion: Aus meiner Beobachtung heraus ist Matthias Sammer eher Fan vom FC Barcelona und vom Jugendkonzept, das dort praktiziert wird. Da gibt es sicher auch die eine oder andere Parallele zum DFB. Es kann ja nicht schaden, wenn man sich über Trainingsinhalte Anregungen von außen holt. Aber letztendlich ist es uns wichtig, dass wir eine eigene Identität entwickeln.

SPOX: In letzter Zeit konnte der DFB im Nachwuchsbereich einige Erfolge einfahren. Wo steht Deutschland derzeit im internationalen Vergleich?

Adrion: Von Seiten des Verbandes geht man sehr offensiv an die Sache ran und sagt: wir wollen die Besten sein. Auf dem Weg dorthin befinden wir uns. Wir haben eine große Auswahl an Spielern, wir haben Nachwuchsleistungszentren und wir haben es in den vergangenen Jahren geschafft, Spieler aus dem Jugendbereich erfolgreich heranzuführen. Leute wie Özil, Boateng und Marin gehören längst zum festen Stamm der A-Nationalmannschaft, obwohl sie noch U 21 spielen dürften.

SPOX: Dementsprechend eng arbeiten Sie auch mit dem Bundestrainer zusammen. Zuletzt gab es allerdings ein Kompetenzgerangel zwischen Löw und Sammer um die Zuständigkeit für die U 21. Sie sitzen dabei als Neuling quasi zwischen den Stühlen.

Adrion: Ich empfinde es nicht so, dass ich beim DFB zwischen den Stühlen sitze. Aus meiner Sicht hat sich die Situation eingependelt. Ich habe einen regelmäßigen Austausch mit Matthias Sammer, das passt wunderbar. Auf der anderen Seite arbeite ich auch eng mit Jogi Löw, unter dem ich in Stuttgart als Co-Trainer wirken durfte, zusammen. Er fragt mich bei den jungen Spielern nach meiner Meinung. Ich sehe mich als wichtiges Verbindungsglied im Verband an einer entscheidenden Schnittstelle. Probleme habe ich nicht festgestellt.

SPOX: Der eine oder andere U-21-Akteur spielt schon in der A-Nationalmannschaft, andere stehen auf dem Sprung ins Team. Wer ist bei der WM in Südafrika dabei?

Adrion: Die Entscheidung trifft der Bundestrainer, auch wenn wir natürlich darüber sprechen und ich ihm meine Einschätzung mitteile. Bei Jerome Boateng kann man sich wohl dahingehend festlegen, dass er dabei sein wird, wenn nichts Gravierendes mehr passiert. Er war zuletzt nominiert, hat seine Sache gut gemacht und ist vielseitig einsetzbar. Mesut Özil und Marko Marin haben ebenfalls gezeigt, dass sie über besondere Qualitäten verfügen. Bei Toni Kroos und Thomas Müller ist die Frage der WM-Nominierung noch offen.

Alles zum DFB-Team