Wäre da nur nicht dieses verdammte Rostov...

Nach dem Sieg gegen Atletico hatten die Bayern-Spieler gemischte Gefühle
© getty

Der FC Bayern München hat mit dem Sieg gegen Atletico Madrid einen versöhnlichen Abschluss der Gruppenphase gefeiert. Wenngleich die Partie bedeutungslos war, betonen die Münchner die Wichtigkeit für das eigene Selbstvertrauen. Das Fazit nach der Vorrunde fällt gemischt aus. Robert Lewandowski entdeckt eine neue Qualität. Die wird er vermutlich bereits im Achtelfinale brauchen - dort lauern nämlich dicke Brocken.

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Freistoß für die Bayern. Der Ball liegt 18 Meter vor dem Tor, halblinke Position.

David Alaba steht als Linksfuß bereit, Robert Lewandowski als Rechtsfuß. Der Pole dribbelt drei Schritte, als würde er Treppensteigen und löffelt den Ball gefühlvoll über die Mauer. Im linken Eck schlägt es ein. Da kann sich Atletico-Keeper Jan Oblak so lang machen, wie er will. Der FC Bayern führt gegen die von den Medien zum "Angstgegner" stilisierten Rojiblancos mit 1:0.

Auffällig sind die Parallelen zum Rückspiel im Champions-League-Halbfinale der vergangenen Saison. Am 3. Mai gingen die Bayern ebenfalls um die Halb-Stunden-Marke in Führung. Durch einen direkt verwandelten Freistoß. Aus halblinker Position kurz vor der Sechzehnerlinie.

Das Label "Freistoßexperte"

Damals war der Schütze jedoch Xabi Alonso. Einer, der in Pflichtspielen für die Bayern immerhin schon fünf direkte Freistoßtore erzielte. Einer, bei dem man das Label "Freistoßexperte" herauskramen könnte.

Dieses Label passte auf Robert Lewandowski bislang nicht unbedingt. Innerhalb von fünf Tagen zirkelte der Torschützenkönig der vergangenen Bundesliga-Saison nun jedoch bereits zweimal einen ruhenden Ball direkt in die Maschen. Aus der gleichen Position. Mit der gleichen Technik.

"Ich habe keine Vorbilder beim Freistößeschießen", sagte Lewandowski nach dem Spiel in der Mixed Zone: "Ich wusste von Beginn an, dass ich meine persönliche Technik finden muss."

Im Training hat der Pole an dieser Technik in Extraschichten gearbeitet: "Ich habe auf diesen Moment gewartet. Carlo Ancelotti hat zu mir gesagt, dass ich die Freistöße schießen darf."

Unbedeutend und seltsam

Nach seinen beiden jüngsten Demonstrationen wird er seine neu entdeckte Qualität in den kommenden Wochen häufiger unter Beweis stellen dürfen.

Lewandowskis Türöffner am Dienstagabend in der eisig kalten Allianz Arena war zugleich der Spielentscheider. Die Bayern schlugen Atletico in einem unbedeutenden und seltsamen letzten Gruppenspiel mit 1:0.

Unbedeutend, weil bereits vor der Partie klar war: Atletico beendet Gruppe D als Erster, die Bayern als Zweiter.

Seltsam wegen des Spielverlaufs. Zunächst hatte es so ausgesehen, als seien die Rojiblancos bis in die Haarspitzen motiviert. Das übliche aggressive Anlaufen, zwei gute Gelegenheiten durch Yannick Carrasco (10./16.), eine enge Zweikampfführung.

Relativ schnell schienen die Gäste jedoch die Lust am Offensivspiel verloren zu haben. So zogen sie sich weit zurück und konzentrierten sich auf das Verteidigen. Und das machten sie so gut, dass die Zweikampfstatistiken zur Halbzeit bizarr waren: Nur 25 Prozent der Duelle konnten die Bayern für sich entscheiden.

Mental wichtig

Große Torchancen waren auch in der zweiten Hälfte Mangelware, Thiago vergab die beste (77.). Am Ende stand ein 1:0-Sieg gegen einen Gegner, der zwar auf dem Papier eine A-Elf ins Rennen schickte, nicht aber den motiviertesten Eindruck machte.

Den Spielern war es egal: "Das gibt auf jeden Fall Selbstvertrauen. Wir wollten das Spiel unbedingt gewinnen. Für unser eigenes Gefühl ist es besonders wichtig, weil wir in diesem Jahr gegen die ganz großen Mannschaften nicht so viel gewonnen haben. Ich glaube, Atletico hat es auch nicht abgeschenkt. Es war schon eine sehr ernsthafte Aufstellung und eine sehr ernstzunehmende Herangehensweise. Deswegen können wir zufrieden sein mit der Partie, aber wir sollten sie auch nicht größer machen, als sie ist", sagte der überragende Mats Hummels.

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Lewandowski stieß ins gleiche Horn: "Natürlich war es von der Konstellation her kein wichtiges Spiel, aber mental war es sehr wichtig."

Rekord ausgebaut

Mit dem Erfolg über den Gegner, der in der Vorsaison das Halbfinal-Aus bedeutete und auch in dieser Spielzeit auswärts eine Nummer zu groß war, bauen die Bayern ihren Rekord aus und gewinnen das 15. Königsklassen-Heimspiel in Serie.

Darüber hinaus ist er ein versöhnlicher Abschluss der Gruppenphase. Das Fazit für diese fällt gemischt aus. Drei überzeugenden Heimsiegen stehen auswärts ein zwar starker, aber knapper Sieg in Eindhoven sowie eine bittere, jedoch akzeptable Niederlage in Madrid und eine hochgradig peinliche Niederlage in Rostov gegenüber.

Dieses verdammte Rostov, werden sich die Bayern denken. Hätte das Team von Carlo Ancelotti in Russland vor zwei Wochen seine Hausaufgaben erledigt, hätte es mit dem Ergebnis am Dienstagabend die Gruppe als Sieger beendet. Hätte, hätte, Fahrradkette - dass Atletico in dem Fall anders aufgetreten wäre, ist sehr wahrscheinlich.

Alles Konjunktiv. Im Indikativ steht: Erstmals seit der Saison 2009/2010 unter Louis van Gaal beendet der FC Bayern eine Champions-League-Gruppenphase als Zweiter. Damals steigerten sich die Münchner in der Rückrunde derart, dass man erst im Finale von Madrid an Jose Mourinhos Inter Mailand scheiterte.

Doch an Cardiff, wo das Endspiel 2017 stattfinden wird, denkt noch lange niemand. Schließlich drohen einem Gruppenzweiten am Montag um 12 Uhr bei der Achtelfinal-Auslosung (ab 12 Uhr im LIVETICKER) in Nyon Brocken wie der FC Barcelona.

Wer lauert im Achtelfinale?

Thomas Müller hält das Abschneiden für gar nicht so tragisch: "Wenn ich mir anschaue, wer alles Gruppenzweiter wird, ist es beinahe egal, ob wir Erster oder Zweiter geworden sind. Natürlich war es unser Anspruch, die Gruppe zu gewinnen, aber jetzt nehmen wir es eben, wie es kommt."

Tatsächlich gehen die Münchner als Zweiter mit Paris Saint-Germain, Manchester City und womöglich auch Real Madrid echten Schwergewichten aus dem Weg, während sich in Topf eins neben Kalibern wie Barca, Juventus und Arsenal auch vermeintlich machbare Lose wie Leicester, Napoli oder Monaco befinden.

Hummels wünscht sich indirekt sogar das dicke Ding: "Ich habe immer gerne Mannschaften und Stadien, die ich noch nicht hatte. In Barcelona habe ich mal mit 17 ein Freundschaftsspiel gehabt, da haben wir vier Stück kassiert." Mit einem Augenzwinkern fügte er an: "Aber ich weiß nicht, ob das als schon mal dort gespielt zählt."

Fakt ist, dass Hummels seinen potentiell neuen Stadionpunkt erst im Rückspiel sammeln kann. Als Gruppenzweiter treten die Bayern zunächst in der heimischen Arena an. Vor dem Hintergrund der aktuellen Heimstärke auf europäischem Boden werden die Verantwortlichen wohl nicht einmal unzufrieden sein, erst einmal vorlegen zu können.

Und wenn gar nichts geht, hilft vielleicht ein direkter Freistoß. Einen neuen Spezialisten haben die Bayern seit den letzten Tagen ja im Kader...

FC Bayern - Atletico Madrid: Die Statistik zum Spiel