Jan Oblak von Atletico Madrid: Am Besten unter Dauerbeschuss

Von Stefan Rommel
Jan Oblak spielt seit 2014 für Atletico Madrid.
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Jan Oblak: Anders als die anderen

Diego Simeone war die treibende Kraft hinter der Verpflichtung Oblaks. Der verrückte Argentinier war mit Atletico gerade erst Meister geworden - mit nur 26 Gegentoren in 38 Saisonspielen. Weil aber Thibaut Courtois wieder zurück nach London musste und Simeone den Defensivstil seiner Mannschaft noch weiter zementieren wollte, musste ein Torhüter her, der etwas abwich vom neuen Ideal des "Torspielers". Während alle Welt Manuel Neuers Kunststückchen bei der WM 2014 bestaunte und sich eing war, dass das die Zukunft des Torhüterspiels sein müsste, ging Simeone mit der Wahl Oblaks einen etwas anderen Weg.

Der Trainer benötigte keinen Torhüter für die Galerie oder mit einem großen Namen, mit dem man hausieren gehen könnte oder der als Rollenmodell taugte. Simeone brauchte eine Nummer eins, die in Sachen Strafraumbeherrschung und Reaktionsvermögen auf der Linie weltklasse war und damit perfekt zum eher defensiven Ansatz Atleticos passte. Die Madrilenen standen damals an der Schwelle zur europäischen Spitzenmannschaft und das mit einem Spielstil, der sich von dem der Konkurrenz auf diesem Niveau doch sehr unterschied. Während Real und Barca, die Guardiola-Bayern und in Ansätzen auch schon Manchester City und PSG sehr dominanten, offensiv ausgerichteten Fußball spielten, wagte Atletico sich freiwillig in die Rolle des Underdogs.

Simeones Team kultivierte die 1:0-Siege, selbst in der heimischen Primera Division gegen Kellerkinder gab es allenfalls die kontrollierte Offensive im 4-4-2, wo doch alle Welt in anderen Spielsystemen nach vorne stürmte. Vorne trafen Saul oder Griezmann oder der liebe Gott und hinten hielten die bärenstarke Abwehr und zur Not dann eben Oblak den Kasten sauber. In dessen zweiter Saison knackte er die Marke von lediglich 18 Gegentoren in 38 Spielen, in der langen Geschichte der spanischen Liga gab es das zuvor erst ein einziges Mal. Vier Mal in Folge holte sich Oblak die Trofeo Zamora für den Keeper mit den wenigsten Gegentoren in einer Saison, vor ein paar Wochen wurde er zum ersten Torhüter überhaupt in Spaniens Eliteliga, der die Marke von 100 Zu-Null-Spielen in weniger als 200 Partien knackte.

"Wenn das Hauptziel eines Torhüters immer noch ist, Tore zu verhindern, gibt es keinen Besseren als Oblak", sagt Sam Jackson, Chefanalyst der Agentur "World in Motion", die sich unter anderem auf Torhüter spezialisiert hat. "So sehr sich das Torhüterspiel auch verändert hat, geht es letztlich immer noch in erster Linie darum, Bälle zu halten."

Jan Oblak hat schon viele Top-Stürmer zur Verzweiflung gebracht.
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Jan Oblak hat schon viele Top-Stürmer zur Verzweiflung gebracht.

In den Kerndisziplinen ist Oblak überragend

Im Frühjahr 2016 führte er Atletico ins Finale der Champions League. In der K.o.-Phase kassierte Oblak in sieben Spielen nur fünf Gegentore unter anderem gegen die Großmächte Barcelona, Bayern und Real und festigte seinen sehr speziellen Ruf: Oblak hat die Gabe, Spiele fast im Alleingang für seine Mannschaft zu entscheiden. Auch - oder gerade - unter Dauerbeschuss bringt er das Beste in sich zum Vorschein. Handballtorhütern sagt man dieses gewisse Etwas nach, dass sich die Besten der Besten in den Kopf der gegnerischen Angreifer arbeiten können, mit jeder weiteren Parade noch unbezwingbarer erscheinen und das Tor am Ende wie vernagelt scheint. In dieser Disziplin gibt es auf der Welt seit Jahren keinen Besseren als Oblak.

Im März führte Oblak seine Mannschaft an der Anfield Road erst ins Viertelfinale der Champions League gegen RB Leipzig. In einer abermals magischen Nacht in der Königsklasse parierte Oblak Schuss um Schuss der Reds, die am Ende nur noch verzweifelten. "Unser Torwart ist der Beste der Welt. Er entscheidet Spiele so, wie es Messi für den FC Barcelona tut", sagte sein Trainer damals nach dem Spiel. Oblak machte neun (Groß)Chancen des Titelverteidigers zunichte - eine selten gesehene Vorstellung, selbst auf Champions-League-Niveau.

Die Spielweise anderer Mannschaften verschafft deren Torhütern viel längere Erholungsphasen in großen Spielen gegen große Gegner. Dann konzentriert sich einiges auf diese vielleicht zwei oder drei Aktionen pro Spiel. Neuer, Courtois, Ederson, Alisson Becker, Marc-Andre ter Stegen kennen das Gefühl kaum noch, im Hagel gegnerischer Torschüsse zu stehen. Diese Torleute haben andere Vorzüge, sind mit dem Ball am Fuß besser als Oblak, können weiter und genauer abstoßen, tatsächlich als elfter Feldspieler agieren, weit vor dem eigenen Tor postiert. Oblak aber ist der Meister des Strafraums. Seine groben Fehler in sechs Jahren in Madrid lassen sich an einer Hand abzählen.

Jan Oblak: Bald der teuerste Keeper der Welt?

Jan Oblak ist der selten besungene Atleti-Held, ein stiller Arbeiter mit größtmöglichen Wirkungsgrad für seine Mannschaft. Und in der Reihe der angebliche besten Torhüter derzeit ein wenig der Außenseiter: Weil sein Spiel noch am ehesten wie ein Relikt aus alten Tagen wirkt. Womöglich wird sich Oblaks Status in den kommenden Wochen aber noch gravierend ändern. Der FC Chelsea soll starkes Interesse an Oblak zeigen, die Blues sind mit ihren Keepern Willy Caballero und Kepa nicht besonders zufrieden. Caballero ist 38 und derzeit trotzdem gesetzt, weil sich das Versprechen in Kepa Arrizabalaga Revuelta nicht eingelöst hat.

Den jungen Spanier holte Chelsea vor zwei Jahren aus der Talentschmiede von Athletic Bilbao und legten dafür 80 Millionen Euro auf den Tisch. Kepa wurde zum teuersten Torhüter überhaupt. Diesen Rekord könnte nun Oblak brechen und Kepa erneut eine wichtige Rolle dabei einnehmen. Englische Medien bringen ein Tauschgeschäft ins Spiel, Oblak nach London, Kepa dafür nach Madrid. Die in Oblaks Vertrag angeblich festgeschriebene Ablösesumme von 130 Millionen Euro dürfte nämlich selbst den akkurat subventionierten Engländern zu hoch sein.

Jan Oblak: Seine Karrierestationen

VereinJahr
NK Olimpija Ljubljana2009-2010
Benfica Lissabon2010-2014
SC Beira-Mar (Leihe)2010
SC Olhanense (Leihe)2011
Uniao Leiria (Leihe)2011-2012
Rio Ave FC (Leihe2012-2013
Atletico MadridSeit 2014
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