Die kompletteste Mannschaft Europas

Von Für SPOX in Barcelona: Andreas Lehner
Die Bayern bejubeln ihren Finaleinzug - allen voran Einpeitscher Thomas Müller
© getty

Der FC Bayern feiert seine nächste Sternstunde gegen den FC Barcelona und unterstreicht seine Dominanz in Europa. Die Münchner sind aktuell die wohl kompletteste Mannschaft des Kontinents. Zur Bestätigung bedarf es allerdings des Pokals. Dem steht ausgerechnet Borussia Dortmund im Weg.

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Lionel Messi schlich als einer der Letzten vom Mannschaftsbus in die Katakomben des Camp Nou. Richtig glücklich wirkte er dabei nicht. Doch noch wusste nur der engste Kreis, was später für die erste große Aufregung des Abends sorgen sollte. Messi stand nicht in der Startelf.

Sein Auftritt im Hinspiel in München vor acht Tagen war eine Farce. Der Argentinier wirkte nicht fit, konnte kaum sprinten und blieb an diesem aus Barcelona-Sicht trostlosen Abend beinahe unsichtbar. Doch dann der Samstag: Messi wurde beim 2:2 in Bilbao spät eingewechselt, erzielte sofort ein Tor und bereitete das zweite vor.

Mit einem gesunden Messi würde man das 0:4 aus dem Hinspiel wettmachen können, so lautete der Tenor im Umfeld. Er war die Trumpfkarte der Aufholjagd. Der Verzicht auf Messi wirkte schon vor Anpfiff wie das Eingeständnis, dass der Glaube an die Chance verschwindend gering war.

Barca auch mit Messi chancenlos

Warum hat Messi in München gespielt? Warum hat Messi in Bilbao gespielt? All diese Fragen blieben unbeantwortet. Trainer Tito Vilanova erklärte nur, warum er gegen Bayern nicht gespielt hat. "Er ist nicht verletzt. Aber nach so vielen Tagen ohne echtes Training, fühlte er sich nicht wohl. Es bestand ein Risiko, dass er sich verletzt."

Ob das Spiel mit Messi anders verlaufen wäre? Man wird es nie erfahren. Beeindruckt hat die Absenz des Argentiniers die Bayern jedenfalls nicht. "Mein erster Gedanke ist in solchen Situationen immer: Warum und Wieso? Welcher Plan steckt dahinter, wollen sie tricksen?", sagte Sportvorstand Matthias Sammer. "Wir haben es zur Kenntnis genommen, aber mehr auch nicht."

Die Selbstsicherheit, mit der die Bayern auf dem Platz agierten, wäre auch von einem gesunden Messi nicht im Zaum zu halten gewesen. Es war die nächste beeindruckende Leistung in einer Saison, die keinen Superlativ auslässt und in der K.o.-Phase der Champions League, vom Rückspiel gegen Arsenal mal abgesehen, an Perfektion grenzt.

Bayern gelingt Historisches

Barca durfte noch nicht einmal an der Wende schnuppern. Bevor die Katalanen ihren ersten ernstzunehmenden Torschuss abgaben, hatten die Bayern durch ihre schnellen Gegenangriffe schon mehrfach die Chance zur Führung.

Wie im Hinspiel hatte Barca kein Gegenmittel für das Umschaltspiel der Bayern. Vor allem auf der rechten Außenbahn hatte Arjen Robben immer wieder die Möglichkeit, mit Tempo in die Räume zu starten.

Robben war es dann auch, der mit seinem 1:0 die letzten Zweifel beseitigte. Am Ende stand ein 3:0 für den FC Bayern. Im Camp Nou. Zuvor war Barca in 21 Champions-League-Heimspielen unbesiegt geblieben. Die letzte Niederlage gab es am 20. Oktober 2009, 1:2 gegen Rubin Kasan. Die letzte Pleite dieses Ausmaßes setzte es vor knapp 16 Jahren beim 0:4 gegen Dynamo Kiew.

Eine Maschine ohne Fehler

Es war eine Demütigung im eigenen Haus. Die Bayern spulten ihr Pensum mit fast schon beängstigender Sicherheit herunter und leisteten sich dabei so gut wie keinen Fehler. Offensiv wie defensiv funktioniert die Mannschaft derzeit wie eine Maschine.

Schon in der 60. Minute feierten die mitgereisten Bayern-Fans die Pässe ihrer Spieler mit einem langgezogenen "Olé", wie es normalerweise die Spanier tun. Die nächste Ohrfeige für die stolzen Katalanen.

Ein derart einseitiges Halbfinale hatte nach der Auslosung keiner erwartet. Barcelona war sogar als leichter Favorit gehandelt worden. Schließlich sei Barca die beste Mannschaft der Welt, wie Spieler und Verantwortliche des FC Bayern ständig wiederholten. Das Stilbild des modernen Fußballs und ein Vorbild in allen Bereichen.

Rosell: "Bayern die beste Mannschaft Europas"

Nach diesen beiden Partien, die in Addition das unfassbare Ergebnis von 7:0 ergeben, muss aber die Frage gestattet sein, ob nicht der FC Bayern aktuell das Nonplusultra des internationalen Klubfußballs ist. Barcas Präsident Sandro Rosell bezeichnete die Münchner immerhin als "die beste Mannschaft Europas".

Bayern-Trainer Jupp Heynckes formulierte es etwas konservativer: "Beide Spiele haben gezeigt, dass wir auf ganz hohem Niveau Fußball spielen können." Das konnten die Bayern auch schon vorher. Schließlich ist die kommende Finalteilnahme die dritte in vier Jahren.

Außergewöhnlich ist in dieser Saison die Konstanz und Stabilität, mit der die Münchner durch Europa pflügen. "Man merkt, dass wir reifer geworden und ein Team sind. Die Mannschaft hat riesiges Talent in der Vorwärtsbewegung, nach hinten hatten wir gewisse Probleme. Das ist alles weg."

Lahm fordert den Pokal

Es ist nicht zu verwegen zu sagen, dass die Bayern aktuell die kompletteste Mannschaft Europas sind. Sie beherrschen das Ballbesitzspiel und die Spielkontrolle genauso wie das Arbeiten gegen den Ball und das Umschaltspiel. Sie können wie gegen Arsenal und Juventus als Favorit und wie gegen Barca als Außenseiter agieren. Die Mannschaft findet immer die richtige Lösung.

"Wenn man im Camp Nou gegen die weltbeste Mannschaft der letzten fünf Jahre so überzeugend gewinnt, was will man mehr? Im Moment gibt es schon eine neue beste Mannschaft", sagte Robben. Die Dominanz der Bayern muss nicht zwingend das Ende der Ära Barcelona bedeuten. Barca ist noch immer eine herausragende Mannschaft, vor allem mit einem fitten Messi.

Nichts spricht gegen eine Koexistenz zweier oder mehrerer überlegener Vereine. Um wirklich eine Ära zu prägen und die Stufe Barcas zu erklimmen, fehlt den Bayern immer noch die Silberware. "Der Pokal muss jetzt her", sagte Kapitän Philipp Lahm.

Ausgerechnet Dortmund

Dass der Gegner im Finale in Wembley ausgerechnet Borussia Dortmund heißt, ist eine weitere Pointe dieser Saison. Die Dortmunder haben mit zwei Meisterschaften in Folge und dem DFB-Pokalsieg in München ein Umdenken forciert und eine Wunde hinterlassen.

Der Erfolg im Pokal-Viertelfinale in dieser Saison und der Durchmarsch in der Liga haben die Seele der Bayern gestreichelt, eine vollkommene Genesung würde aber ein Triumph am 25. Mai in London bedeuten.

Auf der anderen Seite wissen die Bayern, wie gefährlich ihnen die Borussia werden kann. Drei Mal standen sich beide Teams in dieser Spielzeit schon gegenüber: Zwei Mal siegten die Bayern (2:1, 1:0), eine Partie endete unentschieden (1:1). Allerdings fanden alle Spiele in München statt.

Hat Hoeneß Recht?

Am Samstag kommt es in Dortmund zum Probelauf, der keine Generalprobe ist, weil beide Trainer wohl ihre zweite Garnitur ins Rennen schicken werden. Aussagekraft für das Endspiel der Champions League hat dieses Spiel nicht.

Die Rollen in London sind ohnehin klar verteilt. Und daran sind nicht nur die Leistungen der Bayern schuld. Präsident Uli Hoeneß hatte vor der Halbfinalauslosung Dortmund als den leichtesten Gegner aller drei möglichen Kontrahenten bezeichnet. Seine Mannschaft muss jetzt zeigen, dass dies keine Fehleinschätzung war.

FC Barcelona - FC Bayern München: Fakten zum Spiel