Wohl kaum ein anderes Spiel hat in den letzten Jahren mehr Superstars zusammengeführt wie Real Madrid gegen Manchester United. Nach zehn Jahren treffen die beiden Giganten des europäischen Fußballs wieder aufeinander (20.30 Uhr im LIVE-TICKER). Zeit für einen Blick zurück auf unvergessene Momente einer großen Rivalität.
19. April 2000: Manchester United - Real Madrid 2:3
Real fährt lediglich mit einem 0:0 im Gepäck nach Manchester. Im Hinspiel im Bernaubeu zeigen beide Mannschaften zu viel Respekt voreinander, die Engländer ergrätschen sich das torlose Remis redlich. Davor hatten sich beide Klubs 32 Jahre lang nicht mehr gesehen.
15 Tage später beim Rückspiel: Die Fans im Old Trafford werden an diesem Abend Zeuge eines der bis dahin spektakulärsten Spiele der Champions League und dem Ende des "alten" United-Styles. Aber der Reihe nach.
Alles beginnt mit einem Eigentor von Roy Keane. Der Kapitän fliegt in eine scharfe Hereingabe und verlängert den Ball ins eigene Netz. United hatte bis dato schon Glück, dass es nicht in Rückstand gerät. Zu unsortiert und hölzern laufen die Red Devils übers Feld, "nahe der Anarchie", wie der "Guardian" fand.
Real Madrid dagegen begeht in der ersten Halbzeit kein einziges Foul. In einem Auswärtsspiel, im Champions-League-Viertelfinal-Rückspiel bei Manchester United. Unvorstellbar.
Stattdessen finden die Gäste immer besser die großen Lücken beim Gegner. In eine davon sticht Steve McManaman, der in seiner Eigenschaft als Die-Hard-Liverpudlian nicht eben den leichtesten Stand hat an diesem Abend im OT. McManaman fährt einen Konter über die linke Seite, bedient dann Raul und der schlenzt den Ball aus 16 Metern ins linke Eck.
Blog Real vs. ManUnited: Das Duell der Giganten
Ein schönes Tor, aber noch lange nichts gegen das 0:3, das Champions-League-Geschichte schreibt. Fernando Redondo ist bei den Königlichen eigentlich für die Ordnung im Mittelfeld zuständig. Der Argentinier findet aber ab und an auch mal Zeit für einen Ausflug nach vorne.
In der 53. Minute nimmt Redondo einen Ball tief in der eigenen Hälfte auf und zieht auf der linken Seite davon. Henning Berg drängt ihn lehrbuchmäßig nach außen ab. Redondo steht jetzt mit dem Gesicht zu den Fans, fast an der Seitenauslinie und hat Berg dicht im Nacken.
Die Torgefahr könnte niedriger kaum sein, Trainern gefällt so eine Situation. Nur ist Redondo zu der Zeit vielleicht der beste Mittelfeldspieler der Welt. Er legt sich den Ball selbst mit der Hacke in den Lauf, vorbei an Bergs linkem Fuß. Eine schnelle Drehung später ist er weg, hat den lästigen Verfolger abgeschüttelt. Redondo windet sich an der Torauslinie entlang und erspäht Raul am langen Pfosten. Punktgenauer Pass, Tor. Ein Meisterstück, bis heute kaum erreicht. In nur 138 Sekunden war Uniteds Empire durch den Raul-Doppelschlag zerstört.
David Beckham darf einen tollen Sololauf noch zum 1:3, Paul Scholes einen Elfmeter zum 2:3 verwandeln. Alles nur Staffage im Vergleich zur Anmut Redondos und zur Spielweise der Spanier. Keane, der Inbegriff des Körper-Fußballs der Red Devils, fällt nach dem Spiel als erstem auf, dass es in der Art für United nicht weitergehen kann.
"So spielen wir nun mal. So haben wir schon immer gespielt. Aber wir müssen daran etwas ändern - und das wird sehr, sehr schwierig werden." Der Ire wusste gar nicht, wie Recht er behalten sollte. Sir Alex Ferguson propagierte in den Jahren danach die Umkehr zu mehr Defensivarbeit, bekam seine Mannschaften aber nicht auf Linie.
Das Weiterkommen zwei Jahre später gegen Deportivo La Coruna sollte das letzte in einer K.o.-Runde (mit Hin- und Rückspiel) in Europa bis ins Frühjahr 2007 bleiben. Erst da konnte United den OSC Lille im Achtelfinale zweimal bezwingen und kam eine Runde weiter.
Nach der Nacht von Barcelona im Mai '99 war Europa noch von einer anhaltenden Regentschaft der Red Devils ausgegangen. Das Aus gegen Real aber bedeutete das abrupte Ende aller Träume.
8. April 2003: Real Madrid - Manchester United 3:1
Fast genau drei Jahre später: Diesmal geht Madrid als Titelverteidiger in die Partie, es ist wieder die Runde der letzten Acht. Bei den Madrilenen sitzt wieder Vicente del Bosque auf der Bank, der Fergie drei Jahre zuvor schon das Fürchten lehrte. Real-Boss Florentino Perez hat die fixe Idee, seinen Klub in einen Zirkus zu verwandeln, die ersten Ausläufer des Hirngespinsts sind schon zu erahnen.
Im Bernabeu ist die Sache nach 49 Minuten eigentlich schon vorbei. Real fegt wie ein Wirbelsturm über United hinweg. Die Grätschen von Keane, Butt, Scholes und Brown fliegen entweder ins Leere oder an spanische Schienbeine. Luis Figo und erneut ein Doppelpack von Manchester-Schreck Raul lassen Böses erahnen.
Im Wettrüsten der beiden CL-Torjäger hat aber auch Ruud van Nistelrooy noch einen Kopfball im Köcher. Das Tor des Niederländers lässt United wenigstens noch den Hauch einer Chance. "Der Enthauptung knapp entkommen", krakelt die "Sun".
Mit Ausnahme einer Partie gegen La Coruna ein Jahr zuvor schafft es United einfach nicht mehr, in K.o.-Partien ohne Gegentor zu bleiben. In sieben von acht kassieren die Red Devils mindestens einen Treffer, für gehobene Ansprüche ist da kein Platz mehr. Aber das Schlimmste steht Sir Alex ja noch bevor...
Seite 2: Ein Stück Fußballgeschichte
23. April 2003: Manchester United - Real Madrid 4:3
Wieder das Theater der Träume, wieder ein Stück Fußballgeschichte. Was sich an diesem Abend zwischen beiden Mannschaften zutragen sollte, veränderte nicht nur die Spielweise beider Klubs in deren Zukunft, sondern auch die Gemengelage im europäischen Fußball allgemein.
Im Vorfeld der Partie zündelt die Yellow Press wie wild. Sir Alex und sein Ziehsohn David Beckham haben sich nicht mehr lieb. Einige Wochen zuvor trat Fergie nach dem Pokal-Aus gegen Arsenal in der Kabine wutentbrannt gegen einen Fußballschuh.
Das Geschoss trifft Becks mitten im Gesicht, der Superstar erleidet eine klaffende Platzwunde oberhalb des Auges. "Flickt ihn zusammen", raunzt Fergie die Ärzte in der Kabine an. Mehr lässt er sich zum Vorfall nicht entlocken. Auch nicht Beckham gegenüber, der eine Entschuldigung einfordert.
"Posh Spice will Fergie an die Wäsche", weiß die "Sun". Was sie nicht weiß: Der United-Coach wird Becks gegen Madrid nicht von Beginn an aufstellen. Schon längst kursieren mehr als handfeste Gerüchte, dass Beckham den Verein verlassen will, sehr wahrscheinlich zum kommenden Gegner wechselt.
Dort bastelt Präsident Perez weiter an der irren Idee, einfach die besten Fußballspieler der Welt zusammenzukaufen und als glitzernde Kirmesveranstaltung um die Welt fliegen zu lassen. Einer wie Beckham fehlt da noch.
Im ganzen Trubel geht fast unter, dass Real mit einem endlich ganz fitten Ronaldo auflaufen wird. Die Aussicht auf das Finale dahoam lässt United wie wild beginnen. Dass es sich in Abwesenheit von Beckham und mit Nicky Butt auf dem Flügel aber eher um ein wenig Blendwerk handelt, lässt die 12. Minute erahnen.
Das überlegene Passspiel der Gäste mündet da in einen Konter. Eingeleitet von Zinedine Zidane und hervorragend in die Spitze geleitet von Guti, enteilt Ronaldo seinem Bewacher Rio Ferdinand. Trockener Schuss ins kurze Eck, Fabian Barthez sieht nicht wirklich gut aus.
Wieder van Nistelrooy hält die Hoffnungen zwei Minuten vor der Pause am Leben. Nach der Pause entwickelt sich eine der spektakulärsten Halbzeiten überhaupt und die Hauptdarsteller sind: Ronaldo und Beckham.
Die totale Dominanz der Spanier zeigt sich in Ronaldos zweiten Treffer, als Figo erst die Latte trifft. Real bleibt aber in Ballbesitz und spielt nach 15, 20 Pässen ohne Gegnerzugriff in Person von Zidane fantastisch in die Tiefe. Roberto Carlos legt quer, Ronaldo schiebt zum 1:2 ein. Fast wie zum Hohn lässt Ivan Helguera mit seinem Eigentor die Gastgeber noch einmal hoffen - nur um dann Ronaldo zuzusehen, wie der einen Schuss aus 23 Metern satt ins Netz hämmert und Manchester endgültig zu Boden zwingt.
Vier Minuten später gibt Ferguson nach und bringt Beckham für den schwachen Juan Sebastian Veron ins Spiel. Kurz darauf geht Ronaldo vom Platz. Das OT erhebt sich, es hat heute einen Spieler gesehen wie vor ihm schon lange keinen mehr an dieser Stelle. Ein großer Moment für einen der größten Spieler seiner Zeit.
Das Spiel ist aber noch lange nicht vorbei. Auf der Tribüne sieht ein russischer Milliardär das Treiben unten auf dem Rasen und er sieht noch zwei Tore des gefallenen Engels. Das 4:3 reicht United aber nicht. Wieder einmal ist Madrid für die Red Devils Endstation.
Roman Abramowitsch fasst in dieser Nacht einen Plan. Er, der durch Toilettenhäuschen und später tausenden Gallonen Öl zu unfassbarem Reichtum gelangt war, wird sich schon bald einen Fußball-Klub kaufen. Real Madrid wird er nicht bekommen, dort wird an den Galaktischen geplant inklusive David Beckham. Vermutlich wird er sich also einen Klub aus seiner Wahlheimat London leisten...
Der komplette Spielplan der Champions League