Marc Wilmots: "Ein 0:3 ist nicht schlimm"

Von Interview: Haruka Gruber
Schalkes ehemaliger Publikumsliebling Marc Wilmots glaubt an eine Chance auf das Weiterkommen
© spox

Kein Kampf, nur Angst: Schalke-Legende Marc Wilmots war vom Hinspiel tief enttäuscht. Dennoch glaubt er im Rückspiel bei Manchester United (Mi., 20.15 Uhr im LIVE-TICKER) an eine Chance aufs Weiterkommen. Der 42-Jährige, der mit Schalke den UEFA-Cup gewann und derzeit als Co-Trainer der belgischen Nationalmannschaft arbeitet, über Benedikt Höwedes, Kyriakos Papadopulos und das Raul-Wunder.

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SPOX: Marc Wilmots, hat Schalke bei Manchester United überhaupt eine Chance auf das Weiterkommen?

Marc Wilmots: Definitiv - aber nur, wenn Schalke mit mehr Courage auftritt. Die Mannschaft muss mit der Einstellung reingehen, dass selbst ein 0:3 nicht schlimm ist, solange man mit aller Macht nach vorne spielt und zeigt, dass man die kleine Chance ergreifen will.

SPOX: Obwohl das Hinspiel so desaströs verlief?

Wilmots: Für mich war im Hinspiel das Resultat eher nebensächlich. Mich hat vielmehr sehr enttäuscht, dass ich Schalke nicht mehr wiedererkannt habe. Kein Kampf, nur Angst: So darf eine Schalker Mannschaft nicht auftreten. Einige Spieler haben vor Respekt nur zugeschaut und vergessen, dass man auch mal pressen muss, um den Ball zu erobern. Nein, das war nicht das Schalke, das ich kenne. Aber wenn die Spieler sich darauf besinnen, was das wahre Schalke ausmacht, diesen übertriebenen Respekt ablegen und vielleicht ein schnelles Tor erzielen, ist etwas drin.

SPOX: Analytisch betrachtet: Was waren die Hauptgründe für das 0:2 im Hinspiel?

Wilmots: Ein wichtiger Faktor war die Innenverteidigung mit Christoph Metzelder und Joel Matip. Sie sind groß, aber zu langsam, um Stürmer wie Wayne Rooney und Javi Hernandez zu stoppen. Man hat ihnen regelrecht die Angst angesehen, dass sich Rooney oder Hernandez in ihren Rücken schleichen und angespielt werden. Deswegen beteiligten sie sich kaum am Pressing und standen zu tief. So ging die Harmonie verloren.

SPOX: Harmonie?

Wilmots: Weil Schalke hinten so unsicher war, haben sich die fünf Defensivspieler ausschließlich um die Defensive gekümmert, während die fünf Offensivspieler nur an die Offensive dachten. Deswegen entstanden immer wieder große Löcher. Es fehlte ein Pendelspieler, der alles ausbalanciert hat. Vielleicht kann Peer Kluge diese Rolle übernehmen.

SPOX: Wie wichtig ist Benedikt Höwedes' Rückkehr?

Wilmots: Durch seine Kombination aus Schnelligkeit und Kopfballstärke ist Höwedes ungemein wichtig. Er kann einen wendigen Spieler wie Hernandez genauso ausschalten wie den größeren Dimitar Berbatow. Außerdem darf man nicht unterschätzen, wie wichtig er mit seinem Aufbauspiel, seiner Torgefährlichkeit und seinem taktischen Verständnis für Schalkes Offensive geworden ist.

Poker oder Ernst: Schont Fergie Rooney und Hernandez?

SPOX: Der FC Bayern zeigt Interesse an ihm. Zu Recht?

Wilmots: Zu Recht. Dennoch würde ich ihm raten, noch zwei, drei Jahre auf Schalke zu bleiben und dann den Schritt zu einem großen Verein zu gehen. Das wäre ein guter Karriereplan. Er bringt alles mit, ich sehe bei ihm keine Schwäche. Aber: Er ist erst 23 Jahre alt und ein Top-Innenverteidiger muss reifen. Philippe Mexes zum Beispiel war mit 20 Jahren bereits ein großes internationales Talent, sein richtiger Durchbruch gelang ihm jedoch erst jetzt, mit 29 Jahren.

SPOX: Was halten Sie vom jungen Griechen Kyriakos Papadopoulos, dem zugetraut wird, Sie als Schalker 'Kampfschwein' zu beerben?

Wilmots: Ich war ein anderer Spielertyp, offensiver und torgefährlicher. Dennoch sehe ich sehr viel von mir in ihm. Von daher: Ja, er wäre ein würdiger Nachfolger. Er geht mit der gleichen Denke in ein Spiel rein, lässt sich nicht von großen Namen beeindrucken und kennt keine Angst. So eine Mentalität muss man haben, um es auf Schalke zu schaffen.

SPOX: Papadopoulos ist wegen seiner Spielweise beliebt, umstrittener sind hingegen die beiden offensiven Mittelfeldspieler Jose Jurado und Alexander Baumjohann. Sind sie zu verspielt und zu weich für Schalke?

Wilmots: Jurado wird immer besser und zeigt, dass er die 13 Millionen Euro Ablöse womöglich doch wert ist. Ich halte viel von ihm, nicht nur wegen seiner Technik. Baumjohann hat mich gegen United wesentlich mehr enttäuscht. Er ist noch jung und hatte früher Probleme, entsprechend muss er jetzt beweisen, dass er das Zeug zum Stammspieler hat.

SPOX: Woran lag es, dass Schalke im Hinspiel gegen United offensiv so ungefährlich war?

Wilmots: Manchester kam es sehr gelegen, dass sich Raul immer wieder ins Mittelfeld zurückfallen musste, um überhaupt den Ball zu bekommen. Das spielte United perfekt in die Karten. Denn Schalkes größte Waffe ist nun mal Raul - aber wenn Raul nicht im Strafraum angespielt wird, fehlt dem Team die Unberechenbarkeit.

Raul: "Manchester United war eine Option"

SPOX: Hätten Sie erwartet, dass Raul auf Schalke ansonsten derart überzeugt?

Wilmots: Ich habe mir nicht vorstellen können, dass er so stark ist. Er hat alles gewonnen und genug Geld verdient - und dann wechselt er in die Bundesliga, wo er die Gegenspieler nicht kennt und viel mehr Zweikämpfe bestritten werden als in Spanien. Aber was er macht - unglaublich! Raul verdient das Trikot von Schalke.

SPOX: Fehlt ihm aber nicht ein geeigneter Sturmpartner? Klaas-Jan Huntelaar definiert sich nur über Tore und verschafft Raul wenig Freiräume, Edu wiederum ist spielerisch limitiert.

Wilmots: Für die kommende Saison muss Schalke ein oder zwei gute Stürmer verpflichten, das ist offensichtlich. Raul wird im Sommer 34, da sind Huntelaar und Edu nicht genug, um nächstes Jahr oben anzugreifen.

SPOX: Sind Sie von Huntelaar enttäuscht?

Wilmots: Er begann gut, schlitterte in eine Krise und fiel lange aus. Entsprechend muss er darauf eingestellt sein, dass er im Sommer wieder bei Null anfängt. Andererseits finde ich es nicht ganz fair, ihn wegen seiner Spielweise zu kritisieren. Er hat in seiner Karriere nie etwas anders gemacht außer Tore zu schießen, das war bei Ajax genauso wie bei Real oder Milan. Bei ihm zählen nur Tore. Wenn man einen anderen Stürmertypus gewollt hätte, hätte man ihn nicht verpflichten dürfen.

SPOX: Schalke plant die Offensive zu stärken - und wird immer wieder mit belgischen Talenten in Verbindung gebracht. Ein Kandidat soll Anderlechts Jonathan Legear sein. Was halten Sie von ihm?

Wilmots: Legear ist ein Guter, aber er hat ein großes Problem: Er ist immer verletzt. Ansonsten möchte ich aber nicht allzu viel über die belgischen Spieler sprechen. Wenn die Schalker Informationen haben möchten, können sie mich gerne anrufen. (lacht)

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