VfB Stuttgart - Kommentar zum direkten Klassenerhalt: Das leuchtende Gegenbeispiel zu Hertha BSC

Von Tim Ursinus
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Der VfB Stuttgart ist der Relegation nach einem dramatischen 34. Spieltag im wortwörtlich letzten Moment von der Schippe gesprungen. Den direkten Klassenerhalt nach so einer Höllensaison doch noch zu schaffen, könnte ein Wendepunkt für die Schwaben in der Bundesliga sein. Ein Kommentar.

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Nervenaufreibender hätte das Saisonfinale nicht ausfallen können. Erst schoss Youssoufa Moukoko den BVB in der 84. Minute gegen Stuttgarts direkten Konkurrenten Hertha BSC in Führung, nur wenige Minuten später erzielte der VfB in der Nachspielzeit den Siegtreffer gegen den 1. FC Köln. Nach Schlusspfiff brachen alle Dämme - auch auf den Rängen.

"Das tut gut. Ich habe nach diesem Geschrei und dem Jubel einen Schädel. Das war Ekstase, ein toller Moment überragend. Das freut mich so auf die Jungs. So einen Moment wie heute vergisst man nie", sagte Trainer Pellegrino Matarazzo nach dem 2:1-Erfolg.

Matarazzo war es auch, der Anfang des Jahres betont hatte: "Wenn wir zurückblicken können, dann das Riesenbrett sehen und trotzdem feiern können, dass wir es geschafft haben, dann wird uns das eine Kraft und eine Stärke geben und eine Bindung, die ein Leben lang halten wird."

Und damit fand der 44-Jährige womöglich beinahe prophetische Worte. Die Klasse unter den über die gesamte Saison hinweg so schwierigen Umständen zu halten, kann den VfB für die Zukunft nur optimistisch stimmen: Die Voraussetzungen, sich schon im kommenden Jahr weg von einer Fahrstuhlmannschaft - es drohte der dritte Abstieg in sechs Jahren - hin zu einem etablierten Bundesligisten zu entwickeln, sind nämlich hervorragend.

Behielten stets die Ruhe: Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo und Sportdirektor Sven Mislintat.
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Behielten stets die Ruhe: Stuttgarts Trainer Pellegrino Matarazzo und Sportdirektor Sven Mislintat.

VfB Stuttgart: Eigene Prinzipien verhindern Abstieg

Die gerade beendete Spielzeit nach der starken Aufstiegssaison 2020/21, in der Stuttgart sogar um Europa spielte, stand lange unter einem schlechten Stern. So hatte der VfB von Beginn an mit unzähligen Corona-Fällen und Verletzungen zu kämpfen.

Die Verantwortlichen um Sportdirektor Sven Mislintat ließen sich allerdings nie aus der Ruhe bringen, selbst als die nötigen Ergebnisse ausblieben, und holten im Winter trotz Rang 16 mit Thiago Tomas nur einen Spieler. Der eingeschlagene Weg, vorwiegend auf junge Spieler zu setzen, wurde mit dem Transfer des 19-Jährigen eisern weiterverfolgt: In den Top 5 der jüngsten Startformationen tauchen die Schwaben dreimal auf und führen die Rangliste mit einem Durchschnittsalter von 23,5 an. Auch Trainer-Diskussionen wurden nicht geführt, ein öffentliches An-den-Pranger-Stellen von Wortführern vermieden.

Für einen Richtungswechsel hatte es dabei genügend Gründe gegeben. Von Dezember bis März fuhr der VfB beispielsweise neun Spiele in Folge keinen Sieg ein, nach der 0:2-Pleite gegen Hertha BSC im April war man bereits als sicherer Kandidat zumindest für die Relegation deklariert worden. Auch der Abschied von Sportvorstand Thomas Hitzlsperger führte zu keinem Umdenken der eigenen Prinzipien. Und ein erneuter Abstieg wurde dennoch - oder gerade deshalb - verhindert.

VfB Stuttgart: Das leuchtende Gegenbeispiel zu Hertha BSC

Der Gang in die Zweitklassigkeit hätte zweifelsohne den Super-GAU für den VfB bedeutet und den Klub in seiner Entwicklung weit zurückgeworfen. Viele Leistungsträger hätten ersetzt werden müssen, und die finanzielle Situation hätte sich nach der Corona-Pandemie, die den VfB noch immer zurichtet, noch einmal verschlechtert.

So aber hat der VfB ein gutes Fundament für die nächsten Jahre geschaffen - und mit dem dramatischen Siegtreffer von Wataru Endo einen Moment erlebt, der Spieler und Fans zusammenschweißen wird. Die Mannschaft und Matarazzo sind gereift, die finanziellen Möglichkeiten durch den Klassenerhalt und die wieder voraussichtlich dauerhaft vollen Stadien werden sich in der kommenden Saison entspannen.

Dass es ganz anders laufen kann, beweist der Blick in die Hauptstadt. Dort wechselte Fredi Bobic gleich zweimal den Coach, der Kader ist obendrein mit kostspieligen Verpflichtungen gespickt, acht Akteure sind 30 oder älter. Und es braucht nach Feuerwehrmann Felix Magath einen neuen Trainer.

Selbst wenn der Klassenerhalt über den Umweg Relegation gelingen sollte, müsste die Alte Dame wieder bei null anfangen. Der VfB ist da schon ein ganzes Stück weiter.

Erzielte den entscheidenden Treffer: Wataru Endo.
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Erzielte den entscheidenden Treffer: Wataru Endo.

Bundesliga: Die Abschlusstabelle

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Bayern München3497:376077
2.Borussia Dortmund3485:523369
3.Bayer Leverkusen3480:473364
4.RB Leipzig3472:373558
5.Union Berlin3450:44657
6.Freiburg3458:461255
7.Köln3452:49352
8.Mainz 053450:45546
9.Hoffenheim3458:60-246
10.Borussia M'gladbach3454:61-745
11.Eintracht Frankfurt3445:49-442
12.Wolfsburg3443:54-1142
13.Bochum3438:52-1442
14.Augsburg3439:56-1738
15.Stuttgart3441:59-1833
16.Hertha BSC3437:71-3433
17.Arminia Bielefeld3427:53-2628
18.Greuther Fürth3428:82-5418
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