BVB - Borussia Dortmund nach dem Sieg beim VfB Stuttgart: Erst gar nicht rein in die Komfortzone

Von Stefan Rommel
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Nach dem 2:0-Sieg von Borussia Dortmund beim VfB Stuttgart legt Trainer Marco Rose in Sachen Julian Brandt den Finger in die Wunde. Der BVB strapaziert sein Glück. Und: Der Auftritt von Marco Reus wirft eine Frage auf.

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Die Mercedes-Benz-Arena war schon fast leer, als Marco Rose zu den Medienvertretern auf der Pressetribüne sprach. Rose war aus dem Bauch des Stadions zugeschaltet und beantwortete die vorformulierten Fragen, die ihm ein Mitarbeiter der Dortmunder Presseabteilung vorlas.

Nein, er könne jetzt noch keine ganz konkreten Informationen zu den Verletzungen von Gio Reyna, Mo Dahoud und Mats Hummels liefern, "wir diagnostizieren das am Samstag". Danach referierte Dortmunds Trainer kurz über die Grundformation seiner Mannschaft und deren Sprint- und Lauffähigkeit. Und dann auch irgendwann über das Spiel, das seine Mannschaft kurz zuvor 2:0 gewonnen hatte.

"Wir haben es sehr ordentlich gemacht. Wir mussten viel investieren, hatten ordentliche Ballbesitzphasen und haben kein Gegentor bekommen. Und am Ende hatten wir vielleicht auch ein Quäntchen Glück", sagte Rose, der den Gegner auffällig oft und ausgiebig lobte und damit indirekt auch seine Mannschaft: Weil die allen Widrigkeiten trotzte und gegen den VfB, bei dem "schon andere Mannschaften in diesem Stadion Probleme hatten in der Rückrunde", ihren Lauf in fremden Stadien fortsetzte. Mit jetzt 17 von 21 möglichen Punkten ist die Borussia die auswärtsstärkste Mannschaft des Kalenderjahres 2022 und noch ungeschlagen.

Mit nun 60 Punkten und - zumindest bis Samstagabend - 15 Zählern Vorsprung auf den ersten Nicht-Champions-League-Platz bleibt die Bundesliga-Saison trotz einiger schwerer Durchhänger ziemlich gut. In einer Zeit vor den Über-Bayern und ein paar Mal auch dem einteilten BVB selbst hätten 60 Punkte nach 29 Spieltagen zu Platz eins gereicht, das sollte man bei aller berechtigten Kritik an der Borussia nicht vergessen.

BVB: Rose lobt und kitzelt Brandt

In Stuttgart wurden Rose und sein Team ein bisschen zu ihrem Glück gezwungen. Eine "brutale Qualität" konnte der Gegner eben nachlegen, "die bringen dann einfach mal Julian Brandt nach ein paar Minuten", sagte VfB-Sportchef Sven Mislintat. Brandt wurde für Reyna eingewechselt, traf dann nach zwölf Minuten zum frühesten Joker-Tor der Bundesliga und sorgte Mitte der zweiten Halbzeit für die Entscheidung.

Nach einer bisher doch einigermaßen komplizierten Rückrunde für den 25-Jährigen lieferte der wieder einen dieser "Geht doch"-Momente, die man sich viel öfter wünschen würde aus Dortmunder Sicht. "Jule ist reingekommen, war sofort da, hat zwei Tore geschossen und viel fürs Team gearbeitet. Er hat heute das gemacht, was ich noch mehr von ihm fordere. Er hat mehr Richtung gegnerisches Tor gearbeitet, war konsequenter. Das lässt sich nach einem Spiel mit zwei Toren immer schön aufzeigen", lobte Rose und schwenkte dann aber auch ein bisschen in eine grundsätzliche Kritik um.

"Und trotzdem gab es heute wieder Dinge, die ich nachhaltiger von ihm verlange. Jule marschiert, arbeitet, läuft an, macht die Wege zurück, powert sich immer aus. Aber es gibt so zwei, drei Dinge, um kompletter zu werden. Wir werden sicher kein Zweikampfmonster mehr aus ihm machen. Aber ich verlange einfach, dass wir alle bereit sind, uns auch weh zu tun."

Damit sprach Rose eine grundlegende Tugend an, die seiner Mannschaft in dieser Saison oft genug auch abgegangen war. Und die bei genauerer Betrachtung eigentlich auch in Stuttgart nicht eben herausragend war. Immerhin oder vielleicht auch gerade deshalb legte der Trainer den Finger ein wenig in die Wunde und wollte nicht nur loben, sondern schon wieder nach vorne denken und den Schritt in die Komfortzone erst gar nicht zulassen.

Dortmund strapaziert auch sein Glück

Gegen einen zunächst gehemmt wirkenden Gegner hatte Dortmund eine gute Anfangsphase und die Kontrolle über das Spiel, rannte aber doch auch wieder in zwei, drei richtig gefährliche Konter. Nur wurden die Fehler dieses Mal nicht so kühl bestraft wie noch wenige Tage zuvor vom Spitzenteam aus Leipzig. Und in der Schlussphase, als Dortmund schon 2:0 führte und wie der sichere Sieger aussah, hätte die Partie durchaus noch einmal kippen können.

Es war jedenfalls weniger Dortmunds defensives Geschick, das die Null hielt. Sondern vielmehr eine eklatante Abschlussschwäche des Gegners, ein guter Gregor Kobel im Tor und eine Portion Spielglück. Denn auch das wurde in Stuttgart erneut deutlich: Dortmunds Mannschaft schafft es immer noch zu selten, eine konstant gute Leistung über 90 Minuten abzurufen. Die Schwankungen bleiben ein Thema, wohl über den Sommer hinaus und eine Aufgabe, um die sich Rose und sein Trainerteam kümmern müssen.

Marco Reus (l.) blieb in Stuttgart blass, Julian Brandt (r.) wurde zum Matchwinner
© Getty
Marco Reus (l.) blieb in Stuttgart blass, Julian Brandt (r.) wurde zum Matchwinner

In welcher Rolle wird Reus bald helfen?

Immerhin ist durch den Sieg die Planungssicherheit für die neue Saison insofern gegeben, da die Borussia fest mit den Geldern aus der Champions League rechnen kann. Und das ist schon ein großer Fortschritt im Vergleich zur letzten Saison. Jetzt dürfen einige Spieler vorspielen, Emre Can - den die Gerüchte über ein vorzeitiges Vertragsende in Dortmund nach eigener Auskunft überhaupt nicht interessieren - oder die eingewechselten Brandt und Dan-Axel Zagadou.

Und in gewisser Weise auch Marco Reus. Der wird den Klub ganz sicher nicht verlassen (müssen). Aber die Entscheider brauchen eine Grundlage, auf welchem Niveau und in welcher Verantwortungsstufe sie mit Reus in Zukunft planen sollen. Der Kapitän ist immer für herausragende Momente und Spiele gut. Er mischt diese Höhepunkte dann aber auch mit Spielen wie nun in Stuttgart, wo er 90 Minuten lang beinahe unsichtbar blieb und in seinen wenigen Aktionen jene Durchsetzungsfähigkeit und Zweikampfführung vermissen ließ, die Rose von Brandt einfordert.

Bundesliga: Die Tabelle vor den Samstagsspielen

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Bayern München2885:295666
2.Borussia Dortmund2970:422860
3.Bayer Leverkusen2868:422651
4.RB Leipzig2861:313048
5.Freiburg2844:331145
6.Hoffenheim2850:42844
7.Union Berlin2834:38-441
8.Köln2838:41-340
9.Eintracht Frankfurt2839:38139
10.Mainz 052841:33838
11.Bochum2830:40-1035
12.Borussia M'gladbach2839:52-1334
13.Augsburg2834:45-1132
14.Wolfsburg2829:45-1631
15.Stuttgart2936:53-1727
16.Arminia Bielefeld2823:39-1626
17.Hertha BSC2830:62-3226
18.Greuther Fürth2824:70-4616
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