Wolfsburger Festwochen

Von Stefan Rommel
Immer mittendrin: Wolfsburgs Grafite war an (fast) jeder entscheidenden Szene beteiligt
© Getty

Durch den überaus glücklichen Sieg über Bayer Leverkusen bliebt der VfL Wolfsburg an der Tabellenspitze. Trainer Felix Magath kann seine aufreizendes Kokettieren weiter kultivieren - auch dank Schiedsrichter Dr. Jochen Drees und dessen merkwürdigen Entscheidungen.

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Am Donnerstag wurde Dr. Martin Winterkorn von französischen Medien zum Mann des Jahres gekürt. Winterkorn ist Vorstandschef bei Volkswagen und sein Konzern auf dem besten Weg, die jahrzehntelange Phalanx der Platzhirsche General Motors und Toyota auf dem Auto-Weltmarkt zu durchbrechen.

Seit gut zwei Jahren ist Winterkorn der starke Mann an der VW-Spitze, mit ihm kam der Erfolg. Nur wenige Monate danach heuerte Felix Magath beim VfL Wolfsburg an, als Trainer. Manager und Geschäftsführer in Personalunion. Und wie bei Winterkorn kam auch mit Magath der Erfolg.

Und Wolfsburg schweigt

Magath formte aus einer überwiegenden Zahl von Nobodies aus einem Abstiegs- einen veritablen Titelkandidaten. Sehen kann das jeder, wie am 28. Spieltag beim 2:1 über Bayer Leverkusen. Darüber reden will man in Wolfsburg aber nicht.

Sechs Spiele sind nur noch zu absolvieren und der VfL steht mit drei Punkten Vorsprung an der Spitze. Christoph Daum etwa würde seit Wochen schon auf den Busch klopfen, Felix Magath bleibt dagegen betont zurückhaltend - ohne dabei aufreizend zu wirken.

"Der FC Bayern wird Meister. Ein 1:0 ist das, was die Bayern auszeichnet: Das Ergebnis zu erzielen, das sie brauchen. Sie kommen nach einer 1:0-Führung nicht so in Schwierigkeiten wie wir", sagte Magath nach dem Spiel. Natürlich mit einem süffisanten Lächeln auf den Lippen.

Premiere-Experte Matthias Sammer ist sich nicht sicher, ob Magaths defensive Herangehensweise der richtige Weg ist. "Einerseits wird die Leistung vom Trainer realistisch eingeschätzt. Andererseits könnte eine Disbalance entstehen, wenn man die Meisterschaft immer ein Stück weit wegdrückt. Ich bin gespannt, wann der Großangriff kommt, auch verbal. Vielleicht kommt er auch nicht, oder erst nach dem 33. Spieltag. Das ist ein Tanz auf der Rasierklinge. Man muss auch sehen, dass man die Spieler emotional packt."

Magath erkennt Formschwankungen

Magath aber hat sich eine Strategie zurecht gelegt für den Endspurt im Titelkampf und die fährt er bisher ungeheuer subtil und immer mit einem kleinen Seitenhieb auf die Bayern. Magath kostet seine Rolle auf der für die Bayern reservierten Position ganz oben in der Tabelle in vollen Zügen aus.

Obwohl auch dem Trainer die Formschwankungen seiner Mannschaft in den letzten beiden Spielen nicht verborgen geblieben sind. "Man gesehen, dass wir Schwierigkeiten haben mit der Situation, in der Tabelle vorne zu sein und gejagt zu werden. Wir waren heute wieder einmal ein glücklicher Sieger", musste Magath zugeben.

Zweieinhalb Fehlentscheidungen von Schiri Drees

Glücklicher Sieger deshalb, weil Leverkusen die Wolfe in der zweiten Halbzeit über weite Strecken beherrscht hatte. Und weil Schiedsrichter Dr. Jochen Drees zwei von drei entscheidenden Szenen zum Wolfsburger Vorteil ausgelegt hatte.

Der Elfmeterpfiff zum 1:0 durch Grafite war eine krasse Fehlentscheidung. Der Brasilianer zupfte an Manuel Friedrichs Trikot und fiel danach plötzlich zu Boden. "Im Fernsehen hat man gesehen, dass vor dem Elfmeter eher ein Stürmerfoul vorlag", meinte Bayer-Coach Bruno Labbadia.

Ganz schön frech von Grafite, sich danach zu folgender Aussage hinreißen zu lassen: "Natürlich war das ein Elfmeter. Ich gehe in den Strafraum, er zieht mich runter, der Schiedsrichter pfeift Elfmeter."

Noch ärgerlicher als das Geschenk zur Wolfsburger Führung dürfte aus Leverkusener Sicht die Aktion von Wolfsburgs Jan Simunek gewesen sein. Nachdem Sascha Dum von der Torauslinie geflankt hatte, rauschte der Ball dem Innenverteidiger an die rechte Hand. Absicht oder nicht? Auf jeden Fall wurde den Gästen eine gute Chance geraubt.

Niemand hätte sich beschweren können, hätte Drees in quasi letzter Sekunde noch auf den Punkt gezeigt. Ein zweites Mal Glück für Wolfsburg.

Adler im Glück

Allerdings sei auch auf ein kniffliges Einsteigen von Bayers Torhüter Rene Adler hingewiesen, als er weit vor dem Tor mit Grafite zusammenrasselte. Rot wäre möglich gewesen, Drees ließ großzügig weiterspielen. "Er war eher am Ball. Meine einzige Chance war es, in den Ball zu gehen. Es ist Auslegungssache", sagte Adler nach dem Spiel.

So wurde der Schiedsrichter unfreiwillig zum Hauptdarsteller eines munteren Spiels, das sich für Wolfsburg auf dem Weg zum großen Wurf noch als Meilenstein entpuppen könnte.

Schöner Druck

Seit Wochen reden die Bayern schon vom Gipfelsturm, aber an Wolfsburg gibt es offensichtlich kein Vorbeikommen. Und die Spieltage rinnen weiter dahin. "Wir haben eine gute Ausgangsposition, und wenn wir routiniert weiterspielen, haben wir eine gute Chance", traut sich Grafite eine offensive Prognose zu.

Aber Magath - wen wundert's - mauert noch: "Man merkt schon, dass der Druck als Spitzenreiter ein anderer ist. Das hat man letzte Woche gemerkt, das hat man heute gemerkt und das wird man auch nächste Woche merken."

Aber es ist ein schöner Druck, wöchentlich von ganz oben zu grüßen. Insofern hat Magath dem anderen wichtigen Wolfsburger Martin Winterkorn schon einiges voraus. Aber nicht mehr lange.

Kommende Woche werden die Quartalszahlen der Automobilindustrie bekannt gegeben. Volkswagen wird dann sehr wahrscheinlich erstmals an der Weltspitze stehen. Es sind schöne Wochen in Wolfsburg. Am 23. Mai könnten sie ihren absoluten Höhepunkt erfahren.

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