Maschinen kennen keine Euphorie

Von Andreas Lehner
Mladen Petric war mit seinen beiden Treffern der Mann des Tages im Spiel gegen Hannover 96
© Imago

Der HSV geht in drei Wettbewerben in die entscheidende Phase und macht sich Sorgen um den Kräfteverschleiß. Die Fans träumen vom Triple, die Verantwortlichen legen den Fokus auf die Liga.

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Martin Jol ist ein seriöser Mensch. Immer mal zu einem Scherz aufgelegt, selten euphorisch, dafür immer unaufgeregt. Der Choreografie der HSV-Fans vor dem Spiel gegen Hannover 96 hätte er sich jedenfalls nicht angeschlossen.

Mit blau-weißen Regenschirmen bewaffnet, hatten sie sich auf der Tribüne versammelt und ihre Mitbringsel im Kreis gedreht. Das Motto: Durchdrehen, Hamburg!

Genau dagegen kämpft der Trainer wie auch die anderen Verantwortlichen in der Hansestadt allerdings an. Zwar steht der HSV sowohl im UEFA-Cup als auch im DFB-Pokal im Halbfinale und liegt in der Meisterschaft auf Platz drei, aber kein Moment bleibt ungenutzt um nicht darauf hinzuweisen, dass man noch nichts erreicht habe.

Dreifach-Freude statt Dreifach-Belastung

Natürlich kann man dem nicht widersprechen, die letzten Wochen und Monate weisen aber deutlich daraufhin, dass sich das am Ende der Saison ändern wird.

Beeindruckend konstant tritt der HSV auf und versprüht dabei den Geist einer absoluten Spitzenmannschaft. Da konnten auch zwei Pleiten am Stück gegen den VfB Stuttgart und Manchester City nichts anrichten. Zumal die zweite die "süßeste Niederlage meiner Karriere" (Jol) war. Das Positive steht in Hamburg im Vordergrund - auf allen Ebenen.

"Das ist keine Dreifach-Belastung, wir reden hier über eine Dreifach-Freude. Es macht einfach Spaß, die Mannschaft arbeiten zu sehen und alle drei Tage hier ein Fußball-Fest zu haben", meinte der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann bei Premiere über die Herausforderung der drei Wettbewerbe und die daraus resultierende körperliche Mehrbelastung.

Alles dreht sich um die Kräfte

"Das ist auch so - die Spieler sind wie Maschinen und so müssen sie sich auch verhalten", sagte der Trainer mit einem süffisanten Lächeln.

Noch scheint die Physis kein Problem zu sein, auch wenn bei Spielern und Trainern das zentrale Wort neuerdings "Kräfte" ist. Die müssen einmal gesammelt, dann mal wieder geschont und hier und da auch "zusammengekrempelt" (Petric) werden.

Gut und schlecht zugleich

Gegen Hannover hielt sich der Kräfteverschleiß in jedem Fall in Grenzen, da die Gäste bei der 1:2-Niederlage den Hanseaten erst nach dem Anschlusstreffer durch Mikael Forssell in den letzten 15 Minuten zusetzten.

Zuvor hatte der HSV das Spiel klar kontrolliert und mit dem frühen Führungstor durch Mladen Petric nach 62 Sekunden die Weichen früh auf Sieg und Schongang gestellt. Die erste Halbzeit glich einem besseren Freundschaftsspiel bei ordentlichen äußeren Bedingungen.

Jol hätte gerne etwas mehr gesehen von seiner Mannschaft. "Ich konnte nicht so auswechseln, wie gewünscht. Das wäre vielleicht bei einem Stand von 3:0 möglich gewesen. Deshalb war es ein gutes Spiel für uns, aber auch ein schlechtes im Hinblick auf Mittwoch." Dann trifft der HSV im DFB-Pokal-Halbfinale auf Werder Bremen.

Rotation ohne Qualitätsverlust

Der Niederländer sagte aber nur die halbe Wahrheit. Immerhin konnte er es sich leisten, Ivica Olic und den angeschlagenen Dennis Aogo auf die Bank zu setzen. Abwehrchef Joris Mathijsen war wegen seiner fünften Gelben Karte ohnehin gesperrt.

Ein Qualitätsverlust war trotzdem nicht zu erkennen. Olic-Ersatz Petric zeigte gegen 96 einmal mehr seine Klasse mit einem Doppelpack und unterstrich seine Wichtigkeit durch das siebte 1:0 in dieser Saison.

Weniger spektakulär, aber mit größtmöglicher Souveränität erledigten Mickael Tavares und Alex Silva ihre Aushilfsjobs im defensiven Mittelfeld und in der Abwehr.

Machbares Restprogramm

Für das erste von vier Duellen mit Werder Bremen in den nächsten drei Wochen dürften also genügend Kräfte vorhanden sein. "Jetzt werden wir uns zu 100 Prozent auf das DFB-Pokal-Spiel gegen Werder Bremen konzentrieren, aber auch die kommenden Aufgaben in der Bundesliga sind für uns äußerst wichtig", sagte Sportdirektor Dietmar Beiersdorfer.

In der Liga muss der HSV kommenden Samstag zu einem der formstärksten Teams der Liga: Borussia Dortmund. Danach geht es gegen die Hertha und natürlich gegen Bremen. Die abschließenden drei Partien bestreiten die Hanseaten gegen Mannschaften aus der unteren Tabellenhälfte (Bochum, Köln, Frankfurt). Ein Restprogramm, das viele Menschen in der Stadt vom ersten Meistertitel seit 1983 träumen lässt.

Die Liga steht im Vordergrund

Falls es mit der Schale nicht klappen sollte, wäre die Qualifikation für die Champions League ein dickes Trostpflaster. Dafür würden sie in Hamburg auch den DFB-Pokal oder den UEFA-Cup eintauschen.

Mit dem VfB Stuttgart drängt allerdings ein weiterer Konkurrent auf den Platz in der Königsklasse. Im schlimmsten Fall könnte man am Ende zwar in allen Wettbewerben bis zum Schluss dabei sein, nächste Saison aber wieder nur im UEFA-Cup antreten dürfen. Deshalb schärft auch Jol den Blick fürs Wesentliche.

"Wichtig ist, dass wir in der Liga voll bei der Sache sind. Die Liga ist das Wichtigste. Die Pokale sind Träumerei und Zugabe." Euphorie ist eben nicht die Sache des Martin Jol.

Hamburg - Hannover: Die SPOX-Analyse