FC Bayern zieht nach Gala mit BVB gleich: Sie singen wieder ihren Song

Von Jonas Rütten
Husarenritt in Gladbach und gleichauf mit Spitzenreiter Borussia Dortmund: Joshua Kimmich und Thiago surfen mit dem FC Bayern auf einer Erfolgswelle.
© getty

Vor 98 Tagen hatte der FC Bayern neun Punkte Rückstand auf Tabellenführer BVB. Nun Anfang März trennen beide nur noch zwei Tore. Der Rekordmeister untermauerte mit einer Gala beim Tabellendritten Borussia Mönchengladbach seine starke Form. Anschließend bemühten alle Beteiligten zwar die Euphoriebremse, weil "nichts gemacht" sei. Die Fans wurden jedoch deutlicher und sprachen eigentlich nur das aus, was viele dachten.

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Fußball und Musik gehören zusammen. In Dortmund und Liverpool intonieren Fans vor jedem Spiel den Gänsehaut-Stadion-Evergreen "You'll never walk alone". Auf Schalke singen sie davon, wie sehr sie ihre blau-weißen Farben lieben - in guten wie in den aktuell schlechten Zeiten versteht sich. Und in München? Da bezeichnen sie sich immer gerne als "Stern des Südens", der niemals untergehen werde.

Der Vereinshymne des FC Bayern zufolge ist man auf ewig Deutscher Meister. "Ja, so war es und so ist es und so wird es immer sein", heißt es in dem Lied, das Willy Astor zur Saisoneröffnung 1998 zum ersten Mal vor Publikum spielte. Mehr als 20 Jahre ist das jetzt her und immerhin lag Astor mit seiner Weissagung schon ganze sechsmal daneben.

Und Fehlschlag Nummer sieben war eigentlich schon in der Mache. Denn vor 98 Tagen sprach die Bundesliga-Tabelle noch eine andere Sprache als Astor in seinem berühmten Chart-Stürmer, schließlich war Borussia Dortmund mit neun Punkten an der Spitze enteilt. "FC Bayern, Deutscher Meister, ja so war es ...". Und Ende der Textzeile. So der Stand der Dinge im Dezember, als die Mannschaft noch überaltert, Trainer Niko Kovac schon so gut wie entlassen und ohnehin alles schlecht war.

Bundesliga-Tabelle: FC Bayern gleichauf mit BVB

PlatzTeamSp.ToreDiffPkt.
1.Borussia Dortmund2458:273154
2.Bayern München2456:272954
3.RB Leipzig2443:202345
4.Borussia M'gladbach2443:301343

Bayern in Gladbach: "Mit das Beste, was wir abgeliefert haben"

Doch spätestens jetzt singen sie in München wieder voller Inbrunst und in nahezu prophetischer Manier ihren Song. Nicht zwangsläufig Astors One-Hit-Wonder, sondern gemeint ist das Lied von der Deutschen Meisterschaft. "Und schon wieder Deutscher Meister FCB" zum Beispiel, oder "Deutscher Meister wird nur der FCB", auf die Melodie von Yellow Submarine.

Ein momentan besonders beliebter Gassenhauer. Das stellte sich bereits früh im Topspiel gegen den Tabellendritten Borussia Mönchengladbach heraus. Keine 80 Sekunden dauerte es, da besang der mitgereiste Anhang aus München das erste Mal die Legende vom ewigen Deutschen Meister aus der bayrischen Landeshauptstadt. Javi Martinez hatte erst Nico Elvedi wegräumt - überraschenderweise ohne dafür von Schiedsrichter Felix Zwayer oder dem VAR behelligt zu werden - und dann per Kopf zur Führung getroffen.

Es war der Startschuss für eine 90-minütige Machtdemonstration, die man so nicht erwartet hätte. Ein Spiel, von dem Kovac hinterher sagte, das es "mit das Beste war, was wir in dieser Saison abgeliefert haben". Und diese Meinung hatte der Bayern-Trainer ganz und gar nicht exklusiv. Offensiv versprühte seine Mannschaft von Beginn an eine ungewohnte Spielfreude, was auch unmittelbar mit dem Startelf-Comeback von Thomas Müller zusammenhing.

Drei Bundesliga-Spiele in Folge hatte Müller zuletzt auf der Bank gesessen. Gegen Gladbach durfte er auch aufgrund der prekären Personallage wieder von Beginn an ran und feierte so etwas wie die Rückkehr des Raumdeuters, als der er gerne charakterisiert wird. Und so deutete Müller fleißig Räume, etwa als er Robert Lewandowski zweimal glänzend freispielte oder eine Hereingabe von Serge Gnabry zum 2:0 nach nur elf Minuten verwertete.

BVB-Pleite in Augsburg? Müller: "Situation wie gemalt für uns"

Dass der FC Bayern eine so starke Leistung in Gladbach zeigte, war für Müller auch psychologisch durch den erneuten Dortmunder Patzer beim FC Augsburg am Freitag bedingt. "Wir sind auch nur Menschen", gab der 29-Jährige bei Sky zu Protokoll. "So war die Situation wie gemalt für uns."

Für Manuel Neuer lag der Fall hingegen anders. "Es war noch etwas offen aus dem Gladbach-Spiel, man verliert nur ungern 0:3, daher hatten wir es noch im Hinterkopf", sagte der Bayern-Kapitän und erinnerte an die überraschende Pleite in der Hinrunde.

Auch Gladbach-Trainer Dieter Hecking hatte bei der Matchplanung jenes denkwürdige Spiel im Oktober des vergangenen Jahres wohl noch im Hinterkopf, schenkte er doch der exakt gleichen Startelf das Vertrauen. Mehr als einen 20 Minuten währenden spielerischen Aufschwung vor der Pause und den zwischenzeitlichen Anschlusstreffer durch Lars Stindl bekam Hecking dafür aber nicht zurück.

"Du kannst gegen Bayern München verlieren, es kommt aber immer darauf an, wie du es machst. Und das kann ich so nicht akzeptieren", sagte Hecking hinterher auf der Pressekonferenz gereizt und attestierte seiner Mannschaft "Schläfrigkeiten", die nicht zu erklären seien.

Kovac hadert: Tabellenführung "war möglich"

Tatsächlich leisteten sich die Gladbacher immer wieder schwere Fehler im Spielaufbau, boten unheimlich viele Räume an und servierten dem FC Bayern zahlreiche gefährliche Gegenstöße auf dem Silbertablett. So fiel das 3:1 nach Wiederanpfiff, weil Jonas Hofmann und Christoph Kramer den Ball fahrlässig an Thiago verloren.

Eine Szene, die der Bayern-Block nach ekstatischem Jubel erneut mit dem lautstarken Anspruch kommentierte, die Meisterschale gehöre ausschließlich ihnen und ihrem Klub. 5,7 betrug der Expected-Goals-Wert des Rekordmeisters am Ende der Partie - der höchste gemessene Wert in einem Bundesliga-Spiel seit Beginn der Erfassung 2013/14 und Ausdruck der bajuwarischen Dominanz an diesem Abend an der Hennes-Weisweiler-Allee.

Dass die Partie nicht schon zur Pause entschieden war, lag einzig und allein an Gladbachs Torhüter Yann Sommer, der dreimal gegen Robert Lewadowski und einmal gegen Serge Gnabry glänzend parierte.

Weil Lewandowksi und seine Mitspieler gerade im ersten Durchgang derart fahrlässig mit ihren Chancen umgingen, haderte Kovac sogar hinterher mit dem verpassten Sprung an die Spitze - vorbei an den Dortmundern. Eine Konstellation, wie es sie so seit dem 6. Spieltag nicht mehr gab. Dafür hätte Bayern in Gladbach aber noch zwei Tore mehr schießen müssen.

"Es war möglich. Natürlich können wir nicht davon ausgehen, dass wir hier 5:1 gewinnen, das kann keiner, auch wir nicht. Aber aufgrund der Torchancen hätte man heute sicher Erster werden können", sagte Kovac, schob jedoch mit Blick auf die nun gleiche Anzahl an Punkten mit dem BVB hinterher, dass man "auf Null gestellt", sprich "resettet" habe.

FC Bayern tritt auf die Euphoriebremse: "Es ist nichts gemacht"

Dem stimmte auch Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge zu. Der wurde in der Mixed Zone mit den Worten "Glückwunsch zur Deutschen Meisterschaft" empfangen. Rummenigge lehnte nicht dankend ab. "Erstmal sind wir nicht Tabellenführer", sagte Rummenigge und im Hinblick auf zehn verbleibende Spieltage: "Es ist noch nichts gemacht."

Man sei an der Säbener Straße nicht so vermessen anzunehmen, es sei alles erklärt, stellte Rummenigge klar. Der Mannschaft machte er "ein großes Kompliment", weil sie auch defensiv wenig zugelassen habe und attestierte ihr, einen guten Mix aus "alten Kempen" und "jungen Burschen" zu haben. Ein kleines verschmitztes Grinsen huschte Rummenigge dabei dennoch immer wieder über das Gesicht.

Zu groß war das Ausrufezeichen, das die Bayern an diesem Samstag an die Bundesliga und insbesondere an den BVB im Meisterrennen gesendet hatten. Was Dortmund angeht, wollte Rummenigge "die Klappe halten", weil der BVB sie in der Krise "ja auch nicht mit hämischen oder gar arroganten Kommentaren" belästigt habe. Das taten ihm an diesem Abend alle Bayern-Spieler und Funktionäre gleich. Von Müller über Neuer bis hin zum Trainer. Sie alle wollten eigentlich die Klappe halten.

Sie wollten nach Spielende lieber vor der Kurve tanzen. Dabei sangen sie gemeinsam mit den Fans ihren Song. Ein letztes Mal an diesem Abend. "Deutscher Meister wird nur der FCB." 14 Jahre ist es übrigens her, dass zwei Mannschaften nach dem 24. Spieltag punktgleich waren. Eine davon war der FC Schalke 04. Und wer die andere Mannschaft war, ist ohnehin klar.

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