Marco Friedl von Werder Bremen: Das Wechselbad der Gefühle eines Ex-Bayern-Talents

Von Tim Ursinus
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Marco Friedl scheiterte einst wie viele andere Talente beim FC Bayern München. Bei Werder Bremen ist er inzwischen Kapitän und eines der Gesichter des Erfolgs. Dabei hätte alles ganz anders laufen können.

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Vor knapp vier Jahren, im Winter 2018, einigte sich der FC Bayern mit dem damaligen Kellerkind Werder Bremen auf eine Leihe des damals 19-jährigen Marco Friedl über anderthalb Jahre. Die anschließende feste Verpflichtung in Höhe von 3,5 Millionen Euro war die logische Konsequenz seiner guten Entwicklung, die in München wie schon bei vielen anderen Talenten nicht möglich war.

Am Dienstag (20.30 Uhr im LIVETICKER) kehrt er als Kapitän eines der größten Überraschungsteams dieser Saison in die Allianz Arena zurück. Dabei hatte Friedl nicht immer einen guten Stand an der Weser - und das ist auch sein Verschulden.

Aber der Reihe nach: Nachdem er im zweiten Jahr in Bremen nur selten in der Startelf gestanden hatte, stieg der Österreicher in der Saison 2019/20 zum Stammspieler auf. Werder sprang dem Abstieg trotz einer über weite Strecken katastrophalen Spielzeit gerade noch so von der Schippe. Als einer der Hauptschuldigen wurde auch Friedl ausgemacht.

Trainer Florian Kohfeldt hielt jedoch an dem vielseitigen Verteidiger fest. Friedl avancierte zum unangefochtenen Stammspieler, etablierte Kräfte wie Ömer Toprak oder Niklas Moisander wechselten hingegen zwischen Startelf und Bank. Dennoch war der schon länger überfällige Abstieg nicht mehr zu verhindern. Der bittere Gang in die Zweitklassigkeit? Keine Option für Friedl, der mit einem Wechsel zu Union Berlin kokettierte. Schon Ende 2020 hatten einige Vereine ihr Interesse bekundet.

Marco Friedl konnte sich beim FC Bayern nicht durchsetzen.
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Marco Friedl konnte sich beim FC Bayern nicht durchsetzen.

Marco Friedl: Streik, Fan-Hass und Denkpause

Da keine Bewegung in einen Transfer kam, traf Friedl eine folgenschwere Entscheidung. Während seine Teamkollegen ihre Gedanken an den finanziell so wichtigen Wiederaufstieg richteten, weigerte er sich, am fünften Spieltag gegen Hansa Rostock anzutreten. Ein schlimmer Fehler, wie sich schnell herausstellte.

Noch am selben Tag verdonnerte ihn die Führungsetage um Frank Baumann zu einer Geldstrafe. Viel schlimmer aber: Gegenüber Trainer Markus Anfang, der Mannschaft und vor allem den Fans fiel er in Ungnade. In den sozialen Netzwerken war er derartigem Hass ausgesetzt, dass er sogar die Kommentarfunktion in seinem Instagram-Profil deaktivierte.

Aufgrund verschiedener Vorstellungen bei der Ablöse platzte der Transfer schließlich, Friedl blieb in Bremen und fand sich erst einmal auf der Bank wieder. Union Berlin hatte ihm den Kopf verdreht, wie er später zugab.

"Das würde ich heute anders machen", sagte Friedl: "Ich traf den Entschluss aufgrund eines konkreten Angebots, welches bei Werder Bremen eintraf. Gerade zum Ende einer Transferperiode spitzen sich die Dinge zu und es bleibt wenig Zeit für Entscheidungen." In diesem "Dilemma" sei die "volle Konzentration" auf die Partie gegen Rostock nicht möglich gewesen. Mit dem "Rummel" um seine Person habe er hingegen nicht gerechnet.

Nach klärenden Gesprächen mit seinen Vorgesetzten und Mitspielern sah man aber von einer längeren Suspendierung ab. Werder ließ Gnade walten. "Viele Gedanken haben in ihm gebrodelt. Das muss man einem Spieler dann auch mal zugestehen. Man sollte ihn auf keinen Fall verteufeln", erklärte Baumann damals. Dennoch schmorte Friedl auch in den kommenden beiden Spielen auf der Bank.

Marco Friedl: Ein Aufstellungsbogen brachte die Wende

Nach drei Partien war die Denkpause schließlich beendet, auch weil Werder das Nordderby gegen den Hamburger SV mit 0:2 verloren hatte. Die Wende leitete Friedl allerdings schon früher ein. Bereits im ersten Spiel nach dem Wechseltheater zog er einen symbolischen Schlussstrich, indem er den noch in der Kabine hängenden Aufstellungsbogen vom Spiel gegen Rostock in den Müll warf.

"Da Marco mich am Abend vorher angerufen hatte und nicht spielen wollte, habe ich ihn nicht draufgeschrieben", erklärte Anfang: "Vorgestern kam er dann in die Kabine, hat das Plakat abgerissen und gesagt: 'Jetzt reicht's auch langsam. Ich will wieder dabei sein!'"

Die Aktion imponierte dem ehemaligen Werder-Coach ("ich finde es positiv"), weshalb er auch keine Bedenken hatte, Friedl im dritten Spiel nach dem Streik wieder für die Startelf zu nominieren - und aus dieser rückte er für die restliche Saison auch nicht mehr heraus. Lediglich eine Corona-Erkrankung und eine Bauchmuskelverletzung verhinderten eine volle Ausbeute an Spielminuten. In den restlichen Partien stand er bis zum Abpfiff auf dem Platz und hatte somit maßgeblichen Anteil an der Rückkehr in die Bundesliga.

Im Sommer war sich Friedl dann erneut attraktiven Angeboten, dem Vernehmen nach auch von Vereinen aus der Champions League, ausgesetzt. Die Spekulationen erstickte er aber sofort im Keim und verlängerte bis 2026.

Außerdem lernte Friedl aus den Querelen und ließ sich eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag verankern - womöglich um sich seinen "Traum" von Spanien irgendwann zu erfüllen. Sein guter Freund David Alaba hatte ihn bereits nach Madrid eingeladen und ihm das Land schmackhaft gemacht. Böse Zungen würden behaupten, dass dieser sich hinsichtlich seines Wechsels vom FC Bayern zu Real auch mit weniger stillen Abgängen auskennt.

Marco Friedl ist seit dieser Saison Kapitän von Werder Bremen.
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Marco Friedl ist seit dieser Saison Kapitän von Werder Bremen.

Marco Friedl: Kapitän und Fixpunkt der Werder-Defensive

Mindestens bis zum Saisonende dürfte das aber Zukunftsmusik sein. "Ich habe mit dem Verein jetzt eigentlich alles durchlebt: eine super erste Saison, als wir knapp die Europa League verpasst haben, dann die Relegation, den Abstieg, den Aufstieg. Ich war immer mittendrin und bin zu der Erkenntnis gekommen, dass ich gerade in der letzten Reihe ein Führungsspieler sein muss", sagte Friedl kurz nach seiner Vertragsunterschrift.

Als Belohnung stattete ihn Aufstiegstrainer Ole Werner auch noch mit der Kapitänsbinde aus. Ein neuer Höhepunkt in der wechselhaften Karriere von Friedl, der sich nun auch selbst gefunden zu haben scheint. Und bei der Erfolgsgeschichte ist noch kein Ende in Sicht.

21 Punkte aus 13 Spielen bedeuten einen hervorragenden Tabellenplatz sieben, dem Europapokal ist Werder deutlich näher als dem Abstieg. Friedl ist der Fixpunkt der Dreier- respektive Fünferkette von Bremen, die das Fundament für den mutigen Offensivfußball (hohes Pressing) von Coach Werner bildet.

Beim 3:2-Sieg gegen den BVB stellte Werder seine Qualitäten gegen stärkere Gegner bereits eindrucksvoll unter Beweis. Der FC Bayern dürfte also gewarnt sein. Und Friedl? Der muss sich mit der Zweitklassigkeit vorerst nicht mehr beschäftigen.

Marco Friedl: Leistungsdaten als Profi

  • Angaben von transfermarkt.de
SaisonPflichtspiele (Minuten)Tore (Assists)
2022/2313 (1.067)-
2021/2228 (2.463)3 (3)
2020/2134 (2.966)0 (1)
2019/2032 (2.578)2 (5)
2018/199 (652)0 (1)
2017/18*11 (731)-

*zwei Einsätze für den FC Bayern

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