Karim Onisiwo vom 1. FSV Mainz 05 im Interview: "Von meiner Mutter wegzulaufen war mein positiver Schicksalsmoment"

Karim Onisiwo spielt seit Januar 2016 für den 1. FSV Mainz 05.
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Nach einer ziemlich erfolgreichen Leihe zum SC Ostbahn XI blieben Sie in der drittklassigen Regionalliga und wechselten 2011 zum TSV Neumarkt, wo Sie erstmals im Seniorenbereich Fuß fassen konnten. War das für Sie ein Durchbruch oder eher ein Rückschritt, nachdem Sie ja zuvor bereits einen Profivertrag unterzeichnet hatten?

Onisiwo: Gewissermaßen beides. Da ich in Wien ja schon einige Vereine durchgemacht hatte und dort im Osten auch keine bessere Perspektive mehr sah, wollte ich einfach raus und mal etwas anderes erleben. Daher ging ich zu Neumarkt in die Salzburger Gegend im Westen Österreichs. Zuvor wäre ich allerdings beinahe bei Hearts of Midlothian in Schottland gelandet.

Wie das?

Onisiwo: Ich war eine Woche zum Probetraining in Edinburgh und es hat eigentlich alles gepasst. Dort hätte ich einen Profivertrag bekommen und zunächst in der zweiten Mannschaft gespielt. Ich wäre sehr gerne dort hingegangen. Nur hatte ich damals leider einen Berater, der nicht auf mein sportliches, sondern nur auf sein finanzielles Wohl aus war und übertriebene Forderungen stellte.

Bei Neumarkt schossen Sie acht Treffer in 16 Spielen und waren bester Torschütze, sind aber nach der Hinrunde aus dem Kader geflogen. Was war passiert?

Onisiwo: Nach dem Wechsel in den Westen hatte ich meine Familie kaum gesehen. Ich besaß auch kein Auto, weil ich mir solche Dinge nicht leisten konnte. Als dann die Winterpause anstand, wollte ich mit dem Zug in die Heimat fahren, um Zeit mit meinen Lieben verbringen zu können. Die Vereinsverantwortlichen bestanden jedoch darauf, dass ich dableibe und ein-, zweimal in der Woche einen Lauf mit der Mannschaft mache. Ich habe dann vorgeschlagen, dass ich einen Pulsgurt mitnehme, die Läufe zu Hause absolviere und ich ihnen meine Werte zuschicke. Das wollten sie aber nicht. Ich bin dann trotzdem nach Wien gefahren.

Karim Onisiwo (M.) im Trikot von Austria Salzburg.
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Karim Onisiwo (M.) im Trikot von Austria Salzburg.

Und dann?

Onisiwo: Kurz vor Trainingsstart in die Rückrunde wurde mir gesagt, dass ich nicht mehr zu kommen brauche, weil ich keine Rolle mehr spielen werde.

Anschließend ging es für ein halbes Jahr in die Salzburger Landesliga zum SV Straßwalchen. Plötzlich waren Sie in der 4. Liga angekommen.

Onisiwo: Als ich in Neumarkt rausflog, dachte ich mir schon: Verdammt, was mache ich denn jetzt? Hearts of Midlothian war weiterhin ein wenig an mir dran. Ich hatte die Hoffnung, dass das vielleicht im Sommer doch noch klappen könnte und musste bis dahin also unter allen Umständen fit bleiben. Austria Salzburg wollte mich damals schon haben, aber Neumarkt hat mich nicht zu einem Ligakonkurrenten gehen lassen. Mir war dann die Liga egal, in der ich spiele. Ich wollte einfach weiter dranbleiben und regelmäßig kicken.

Gab es zu dieser Zeit Momente, an denen Sie den Glauben an eine Profikarriere verloren hatten?

Onisiwo: Es war schon ziemlich schwierig, den Glauben daran aufrecht zu erhalten. Ich hatte ihn fast verloren. Der Traum, dass ich es noch schaffe, war aber stets da, auch wenn ich zwei Jahre lang eigentlich nur Rückschritte gemacht hatte. Plötzlich war ich aber in der 4. Liga und wohnte in Straßwalchen in einem kleinen Hotelzimmer. Wir hatten nur dreimal pro Woche Training. Deshalb habe ich darauf bestanden, dass ich den Platz jederzeit für mich haben kann, um nebenbei für mich zu trainieren. Ich habe mir dann einen Ballsack geschnappt, bin eine Viertelstunde vom Hotel zum Platz gelaufen, habe Hütchen aufgestellt und die Übungen absolviert, die ich einst zusammen mit meinem Onkel gemacht habe.

Stimmt es, dass Sie während dieser Phase zwei Jahre lang keinen Berater mehr hatten?

Onisiwo: Ja. Ich habe mit meinem vorherigen Berater gebrochen und ihm gekündigt. Anschließend habe ich es erst einmal eine Weile ohne versucht.

Beim SV Mattersburg spielte sich Karim Onisiwo auf den Zettel von Mainz 05.
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Beim SV Mattersburg spielte sich Karim Onisiwo auf den Zettel von Mainz 05.

Nach sieben Toren in elf Partien für Straßwalchen ging es für Sie wieder in die Regionalliga zu Austria Salzburg. Als Sie dort spielten, nahmen Sie mit Günther Starzinger auch wieder die Dienste eines Beraters in Anspruch. War es schwer, nach Ihren schlechten Vorerfahrungen wieder Vertrauen zu einem Berater aufzubauen?

Onisiwo: Ich weiß noch, dass das von meiner Mutter ausging. Die hat mehr oder weniger verzweifelt den Günther angerufen, weil sie wollte, dass wir wieder jemanden an der Hand haben, der sich auf dem Markt auskennt. Als wir uns trafen, habe ich mich sofort gut mit ihm verstanden, auch wenn ich das volle Vertrauen zu ihm erst mit der Zeit wieder aufbauen musste. Er war aber locker und wollte nicht gleich irgendwelche Verträge unterschreiben. Er hat immer gesagt, dass wir alles auf mündlicher Basis machen. Er hat mir keinen Honig ums Maul geschmiert und erzählt, dass ich in zwei, drei Jahren in der Premier League spielen werde. Das ist in diesem Geschäft leider oft verbreitet. All dies hat mir imponiert, ich habe mich bei ihm sicherer gefühlt.

Bevor Sie sich Salzburg anschlossen, haben Sie auch unter Adi Hütter beim Zweitligisten SV Grödig vorgespielt. Wie kam das zustande?

Onisiwo: Grödig war nach Saisonende in Straßwalchen für ein Benefizspiel zur Einweihung des neuen Rasenplatzes zu Gast. Nach der Partie wurde ich für eine Probewoche nach Grödig eingeladen. Die lief auch ganz gut, ich durfte sogar in einem Testspiel gegen Red Bull Salzburg ran. Am Ende wollten sie mich haben, sagten mir aber, dass ich eher vierte, fünfte Wahl sein werde, weil sie zu den bisherigen drei Stürmern auf jeden Fall noch einen weiteren holen werden. Das wollte ich dann nicht, denn das hatte ich ja schon bei der Vienna.

Salzburg stellte sich als die richtige Wahl heraus: Sie kamen regelmäßig zum Einsatz, schossen einige Tore und lieferten Vorlagen ab.

Onisiwo: Das kann man so sagen, aber anfangs lief es auch da nicht ideal, weil ich recht schnell verletzt war und anschließend eher sporadisch zum Einsatz kam. Ich hatte dann aber eine richtig gute Vorbereitung, wurde Stammspieler und habe ein super Jahr gespielt.