Karim Onisiwo vom 1. FSV Mainz 05 im Interview: "Von meiner Mutter wegzulaufen war mein positiver Schicksalsmoment"

Karim Onisiwo spielt seit Januar 2016 für den 1. FSV Mainz 05.
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Mit der Austria gewannen Sie zweimal den Salzburger Pokal und wurden 2014 Meister der Regionalliga. Das entscheidende Playoff-Spiel um den Aufstieg in die 2. Liga ging jedoch verloren. Wieso wechselten Sie daraufhin zum zweitklassigen SV Mattersburg, obwohl Ihnen auch Offerten aus der österreichischen Bundesliga vorlagen?

Onisiwo: Ich saß damals mit Günther in einem Cafe und er hat mir bestimmt sieben oder acht Angebote vorgelegt. Wir haben dann mit jedem Verein Gespräche geführt. Mir war jeweils wichtig zu erfahren, wie man mich als Spieler sieht. Mattersburg hat mir einfach das beste Gefühl vermittelt. Daher haben wir entschieden, dass ich diesen Zwischenschritt doch lieber noch mache, denn wenn der funktioniert, könnte ich ein Jahr später immer noch in die erste Liga wechseln.

Für Mattersburg gelangen Ihnen 18 Tore und elf Vorlagen in 35 Pflichtspielen, am Ende stand der Aufstieg in die erste Liga. Dort kickten Sie noch 18-mal (zwei Tore, sieben Vorlagen) für den Verein, ehe Sie im Januar 2016 nach Mainz wechselten. Hatten Sie damals den expliziten Wechselwunsch oder waren Sie überrascht, als das Angebot der 05er eintrudelte?

Onisiwo: Ich befand mich zu dieser Zeit schon längere Zeit im Rechtsstreit mit Mattersburg. Ich wollte eigentlich nach dem Aufstieg wechseln, aber der Verein hat einseitig eine Vertragsverlängerung vorgenommen, die wir angefochten haben und später auch für ungültig erklärt wurde. Mein Vertrag war quasi nicht rechtskräftig. Dass ich mich dann nicht mehr wohlgefühlt habe, konnte man auch an meinen Statistiken ablesen. Im Winter war die Sache endlich so gut wie durch und ich konnte ablösefrei gehen. Damals wollten mich Austria und Rapid Wien sowie Salzburg haben. Auf einmal kam aber Mainz. Ich wusste sofort, wenn die deutsche Bundesliga anfragt, muss ich das auf jeden Fall machen und diesmal einen größeren Schritt wagen.

Sie hatten in Mainz anfangs mit einigen Verletzungen zu kämpfen, der Verein befand sich zudem meist in der Abstiegszone. In der ersten Zeit kamen Sie nicht über den Status des Ergänzungsspielers hinaus. Wollten Sie mal die Flinte ins Korn werfen und wieder gehen?

Onisiwo: Den Gedanken hatte ich in dieser Anfangsphase natürlich schon ein paar Mal. Die Verletzungen haben mich immer wieder zurückgeworfen und es war schwer, sich jedes Mal danach wieder heranzukämpfen. Ich wollte häufiger spielen. Andererseits habe ich zuvor in Österreich gerade einmal ein halbes Jahr in der höchsten Liga gekickt und brauchte einfach meine Zeit. Ich wusste auch: Wenn ich fit bin, werde ich der Mannschaft helfen können, weil ich die körperlichen Voraussetzungen und auch die Charaktereigenschaft mitbringe, dass ich das alles schaffe. Es hat nur leider länger gedauert, bis ich es unter Beweis stellen konnte.

In den vergangenen drei Spielzeiten blieben Sie weitestgehend gesund, verpassten insgesamt nur acht Bundesligaspiele und sind zum unumstrittenen Stammspieler geworden. Ihr Vertrag läuft bis 2024, dann wären Sie 32 und über acht Jahre in Mainz.

Onisiwo: Es war klar, dass ich nach den vielen Vereinswechseln in Österreich Kontinuität brauche und mich in Mainz durchbeißen muss. Dass daraus aber eine solch lange Zeit werden würde, hätte ich mir nie ausmalen können. Jetzt spiele ich regelmäßig, bin besser in der Mannschaft integriert, habe einen anderen Status, Trainer und Verein stehen auch hinter mir. Dadurch habe ich richtig Kraft gewonnen. Ich fühle mich hier sehr wohl.

Bo Svensson hat über Sie einmal gesagt: "Er ist kein Mensch, der von A bis B lebt, sondern er biegt auch mal ab und hat seine eigene Meinung." Was meinte er damit konkret?

Onisiwo: Ich glaube, er bezieht sich da auf meine sportliche Einstellung, die ich durch meinen etwas anderen Weg bekommen habe. Ich bin schon ein Mentalitätsmonster und denke, das sieht man auch an meiner Spielweise. In den Trainingseinheiten kommt es aber auch mal vor, dass er mich packt und mir in den Arsch tritt, wenn ihm etwas nicht passt. Das ist auch gut so. Ich bin allerdings auch ein Spieler, der seine Meinung deutlich vertritt. Da kann es dann auch mal krachen. Wichtig ist aber, dass das im Rahmen bleibt, beide Seiten es richtig einordnen können, man darüber redet und anschließend wieder gemeinsam in die Spur findet. Wir beide können sehr gut miteinander. Er hat mir ganz klar zu einem weiteren Sprung in meiner Entwicklung verholfen.

Ihr Traum war immer die Premier League. Glauben Sie, der ist mittlerweile ausgeträumt?

Onisiwo: Noch nicht ganz, aber ich brauche wohl ein richtiges Bombenjahr, damit sich da noch etwas tut. Ich bin da aber sehr entspannt. Ich denke, wir werden nächstes Jahr Gespräche führen und schauen, wie Mainz 05 und ich nach 2024 planen. Ich muss nicht auf meine alten Tage noch in die USA wechseln, aber ich will auch nicht ausschließen, dass ich darüber nachdenken würde, wenn so etwas kommen sollte.