Fußball-Kolumne: Weil Kahn nicht wollte - so kam es zu Hans-Joachim Watzkes Kür zum neuen DFL-Boss

Hans-Joachim Watzke lenkt seit 2005 die Geschicke beim BVB.
© getty

Vor zweieinhalb Jahren wurde Hans-Joachim Watzke bei der Wahl der DFL-Führung noch abgestraft, jetzt beinahe einstimmig zum wichtigsten Mann des Ligaverbands gewählt. Wie die Sinneswandlung beim BVB-Chef und bei den Klubs zustande kam und welche wechselhafte Rolle ein anderer Ligaboss dabei spielte. Die Fußball-Kolumne.

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Es ist keine zweieinhalb Jahre her, da schien die DFL-Karriere von Hans-Joachim Watzke beendet, bevor sie überhaupt begonnen hatte.

Schwer verärgert verließ der Geschäftsführer von Borussia Dortmund im August 2019 ein Vortreffen vor der Generalversammlung, die nach dem Abschied von BVB-Präsident Reinhard als Ligaboss die neue Führung der 36 Erst- und Zweitligisten bestimmen musste.

Am Ende beerbte in Peter Peters ausgerechnet ein Schalker Rauball als DFL-Aufsichtsratsvorsitzender und erster stellvertretender Sprecher des Präsidiums, was den schwarz-gelben Unmut über die fehlende Unterstützung nicht eben reduziert haben dürfte.

DFL: Mehrheit der Bundesligisten wollte Watzke 2019 nicht

Für Watzke war kein Platz im Gremium, weil die Mehrheit der Klubs nur einen Vertreter des Spitzenduos Dortmund und Bayern dort haben wollte - und das war Bayern-Finanzvorstand Jan-Christian Dreeßen.

Verantwortlich dafür machte das Watzke-Lager vor allem das so genannte "Team Mittelstand" aus Traditonsklubs wie dem Hamburger SV, Hertha BSC und Eintracht Frankfurt. Dessen Vorstand Axel Hellmann galt als maßgeblicher Strippenzieher dieses Zusammenschlusses, und somit auch der Ablehnung Watzkes in der DFL-Spitze.

Nun hat ebenjener Hellmann maßgeblich zur bevorstehenden Krönung Watzkes als neuer DFL-Aufsichtsratschef beigetragen, dessen offizielle Wahl zum Peters-Nachfolger im Februar nach dem einmütigen Votum mit 32 Stimmen der 34 anwesenden Klubvertreter nur noch Formsache ist. Schon im September hatte der Frankfurter Vorstandssprecher auf dem Sportbusiness-Kongress SPOBIS "namentlich Hans-Joachim Watzke und Oliver Kahn" aufgefordert, Verantwortung im Ligaverband zu übernehmen.

Bayern-Boss Kahn offenbar ohne großes Interesse

Doch der neue Bayern-Vorstandsvorsitzende Kahn stand nicht zur Verfügung. Er scheint angesichts der heimischen Dauerdominanz kein besonderes Interesse an der nationalen Liga zu haben und fokussiert sich auf sein Amt als Vize-Vorsitzender der europäischen Topteams (ECA).

Beim vorletzten Treffen in Frankfurt soll er weitgehend geschwiegen haben, was angesichts der in der Vergangenheit immer sehr meinungsstarken Beiträge von Vorgänger Karl-Heinz Rummenigge und früher von Uli Hoeneß für nachhaltige Irritation bei den anderen Teilnehmern gesorgt haben soll.

Am jüngsten Zusammenkommen am Dienstag, bei dem immerhin der langjährige DFL-Geschäftsführer Christian Seifert nach fast 17 Jahren seinen letzten Auftritt in diesem Kreis hatte und zudem die Weichen für die Zukunft gestellt wurden, nahm Kahn gar nicht teil.

Also blieb praktisch nur noch Watzke übrig - und der griff dann auch zu und beendete damit zumindest zum großen Teil das Machtvakuum in DFL und DFB. "Ich habe mich 17 Jahre gegen so etwas erfolgreich erwehrt. Jetzt wurde ich an einem schwachen Punkt erwischt", erklärte er danach.

Der 62-Jährige hat sein Gewicht durch die sehr einflussreiche Rolle des DFL-Aufsichtsratsvorsitzenden nochmal deutlich gesteigert. Er sieht sich aber offenbar auch tatsächlich in der Pflicht, einen Beitrag im Kampf gegen die zahlreichen aktuellen Probleme zu leisten, besonders den massiven wirtschaftlichen Schäden durch die Corona-Pandemie.

Ohnehin betreibt "Aki" Watzke seit dem Ausbruch im März 2020 an vorderster Front Lobbyarbeit für die Bundesliga, was letztlich auch zu seinem Umdenken geführt haben soll, doch noch eines, wenn nicht das wichtigste Amt im deutschen Fußball zu übernehmen. Womit seine bislang inoffizielle Rolle auch faktisch nach außen demonstriert wird.

Watzkes Agenda: Pro Fans, contra Superleague

Das Alleinstellungsmerkmal des gebürtigen Sauerländers liegt unter anderem daran, dass ihm in den vergangenen Monaten die wichtigsten Mitstreiter wie Rummenigge oder der zurückgetretene DFB-Präsident Fritz Keller abhanden gekommen sind. "Aki ist der letzte starke Mann im deutschen Fußball - dann gibt es nur diese Funktion", sagt einer, der ihm nahe steht. Und die Bild erfand mit Bezug auf Watzkes Spitznamen sogar ein neues Wort: "Die Akisierung des deutschen Fußballs schreitet voran", schrieb das Blatt.

Gleichwohl hat es den Erwählten und seine Entourage selbst überrascht, dass es in der geheimen Abstimmung nur zwei Gegenstimmen gab - wovon eine mutmaßlich von Hannovers Boss Martin Kind gekommen sein dürfte, der bei der Frage eines erleichterten Investoren-Einstiegs bekanntlich völlig anderer Meinung ist als der vehemente 50+1-Verteidiger Watzke.

Auch darüber hinaus will sich der bekennende Fußball-Traditionalist für die Belange der Fans, bezahlbare Tickets und eine bessere Positionierung der Bundesliga national wie international einsetzen, was die klare Absage an die Superleague beinhaltet. Hilfreich bei den neuen Herausforderungen dürften die herausragenden Kontakte des CDU-Mitglieds in die Politik sein, von denen alle Klubs bei der Wiederaufnahme des Spielbetriebs profitierten (und dessen Aufrechterhaltung in der zweiten und dritten Welle).

Auch die guten Drähte zum Springer-Konzern sind sicherlich kein Nachteil, zumal Watzke in Zukunft eng mit der neuen DFL-Chefin Donata Hopfen zusammenarbeiten muss, der ehemaligen Vorsitzenden der Springer-Verlagsgeschäftsführung. Daher glaubt die Bild zu wissen, Watze werde künftig "Hopfens wichtigster Einflüsterer".

Mit der 44-Jährigen, die offiziell ab Januar von Seifert übernimmt, hat sich Watzkes bereits vorab getroffen. "Es war ein sehr positives Gespräch, ich habe großes Vertrauen in sie und werde ihr den Rücken stärken", erklärte er: "Ich werde mich nicht ins operative Geschäft einmischen, aber die Strategie der Liga mitbestimmen."

DFL: Watzke oder Donata Hopfen: "Wer hat die Hosen an?"

Dennoch sind Beobachter gespannt, wie reibungslos die Zusammenarbeit des neuen Spitzenduos gelingen wird. "Dass es sich bei dem Dortmunder um ein ausgewiesenes Alphatier handelt, das gerne breitbeinig auftritt, dürfte Frau Hopfen nicht verborgen geblieben sein. Ungefährlich ist das nicht für die neue Chefin", kommentierte die Frankfurter Rundschau unter dem Titel "Wer hat die Hosen an bei der Deutschen Fußball-Liga?", ergänzte aber: "Die Erfahrung des alten Fahrensmannes kann für die Neue natürlich auch hilfreich sein."

Watzke kann und muss der in der Fußball-Szene weitgehend unbekannten Hopfen Türen öffnen und Hindernisse aus dem Weg räumen, ansonsten dürfte es für beide schwierig werden in den neuen Aufgaben. Davon, wie man es nicht macht, kann sich die DFL ein Beispiel am DFB nehmen, wo vor allem die beiden Interimspräsidenten Peter Peters (Profis) und Rainer Koch (Amateure) seit Monaten nur noch gegen- statt miteinander arbeiten.

Nun kandidiert ausgerechnet der scheidende Watzke-Vorgänger Peters im März als neuer DFB-Präsident und will nach seiner Wahl die verfeindeten Lager versöhnen. Wie ein solcher Neuanfang aber ernsthaft gelingen soll, zumal vor dem Hintergrund, dass Peters bereits seit 14 Jahren Mitglied des DFB-Präsidiums ist, können sich selbst dessen Unterstützer kaum vorstellen.

Seifert: Verhältnis zwischen DFB und DFL "auf absolutem Tiefpunkt"

So erklärte Seifert, ebenfalls schon seit 2005 im DFB-Präsidium, am Donnerstag in einer Medienrunde, das Verhältnis zwischen Liga und Verband sei "auf einem absoluten Tiefpunkt" und: "Mit einem Präsidenten ist es nicht getan, mit nur einer Person an der Spitze ändern Sie da gar nichts."

Die Ligavertreter haben sich zwar informell auf ihrer Sitzung hinter Peters gestellt, auf eine Abstimmung zu seinen Gunsten verzichtete der Kandidat aber. Vermutlich, so erklären Insider, weil er aktuell sogar bei den Profiklubs mit einigen Gegenstimmen aus der ersten und sehr vielen aus der zweiten Liga rechnen müsste.

Watzke hingegen sagte Peters seine Unterstützung zu, wenngleich sein Statement wenig euphorisch klang. Auch die Aussicht, künftig als DFL-Chef satzungsgemäß auch als erster DFB-Vizepräsident zu amtieren und damit auch im fünfköpfigen Präsidialausschuss des Verbandes an allen wichtigen Entscheidungen beteiligt zu sein, sorgt beim Dortmunder nicht eben für Begeisterungsstürme. Vielmehr sieht er diese Zusatzrolle als "wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe".

Dabei wäre der einstige Verbandsliga-Kicker, der bis heute Vorsitzender seines Heimatvereins Rot-Weiß Erlinghausen ist, aufgrund seiner engen Bande zum Amateur-Fußball eigentlich selbst ein hervorragender Kandidat als DFB-Präsident. "Der geht ja wirklich jeden Sonntag und schaut Landesliga-Fußball. Und die Einheit des Fußballs liegt ihm echt am Herzen", sagt ein Wegbegleiter. "Aber Aki wollte nie ein Verbands-Heini werden und wird es auch nicht mehr."

Erster DFB-Vize: Rückt Frankfurts Hellmann für Watzke nach?

Vielmehr soll es sogar Überlegungen geben, Watzke durch eine Satzungsänderung vom Posten des 1. DFB-Vize zu entbinden und stattdessen ein anderes Mitglied des DFL-Aufsichtsrats mit dieser Rolle zu betrauen.

Als möglicher Kandidat dafür gilt auch wegen der räumlichen Nähe zur Verbandszentrale Eintracht-Vorstand Axel Hellmann, der zudem als gesetzt gilt als Watzkes erster Stellvertreter bei der Neuwahl der kompletten DFL-Spitze im August. So ändern sich die Zeiten.