BVB-Fanbeauftragte Petra Stüker im Interview: "Meine Freundinnen bewundern mich für meinen Job"

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Acht Jahre nach Ihrem Amtsantritt gewann der BVB gegen Werder Bremen mit dem DFB-Pokal 1989 den ersten Titel. Welche Erinnerungen haben Sie daran?

Stüker: Wir hatten im Vorfeld ein Treffen beider Fanszenen in Osnabrück organisiert, weil die sich nicht gerade grün waren und wir echt Angst hatten, dass das tolle Endspiel in schlechter Erinnerung bleibt, wenn es dort zu Prügeleien kommt. Eine Woche vor dem Spiel sind wir dann mit einigen Fans - darunter übrigens der Formel-1-Kommentator Heiko Wasser - in einem kleinen Bulli nach Berlin gefahren. Dort stiegen wir in einen Doppeldecker-Bus der Union-Brauerei um, in dem unten gefühlte 40 und oben 50 Grad herrschten. Damit fuhren wir durch Berlin, um kleinere Fan-Artikel zu verteilen und die Berliner auf unsere Seite zu ziehen. Ich weiß noch, wie verdutzt Werder-Manager Willi Lemke guckte, als er vor den Pressekonferenzen aus dem Bremer Bus stieg und dort nur Fans in Schwarzgelb warteten.

Apropos Prügeleien: In den 1980er-Jahren waren viele deutsche Fanszenen von Hooliganismus und Rechtsextremismus betroffen. Beim BVB war vor allem die sogenannte "Borussenfront" berüchtigt und gefürchtet. Wie haben Sie das beobachtet?

Stüker: Die Borussenfront war im Stadion und hat versucht, Fans auf ihre politisch radikalisierte Seite zu ziehen. Das wurde vom Großteil aber abgelehnt, niemand wollte die Politik im Stadion haben. Hooligans waren insgesamt ein großes Problem, bei uns vor allem bei Spielen gegen die Blauen. Jagdszenen und Prügeleien waren an der Tagesordnung. Ich erinnere mich, wie einmal ein Fan blutend und völlig fertig in unserem kleinen Gebäude Schutz suchte, nachdem er zwischen die Fronten geraten war. Im Zuge dieser Entwicklungen gründete sich das Fanprojekt Dortmund, um diesen Leuten über Arbeitsprojekte andere Perspektiven zu vermitteln. Wir vom Verein waren ja nicht ausgebildet, wie sollten wir mit Hooligans umgehen?

Wie lange war denn das Thema Fans ausschließlich Ihres und ab wann bekamen Sie Unterstützung?

Stüker: Ich machte das über Jahre alleine und war neben Jutta Schnell von 1860 München auch eine der ersten Frauen, die Fanbeauftragte war. Erst in den 2000ern habe ich zwei Kollegen bekommen, die sich dann auch um die Ultras gekümmert haben.

Im Jahr 2005 war der BVB aufgrund der großen Finanzkrise so gut wie am Ende. Hatten Sie Angst um Ihren Arbeitsplatz?

Stüker: Merkwürdigerweise nicht. Vielleicht, weil man damals schon hörte, dass wahrscheinlich wieder Reinhard Rauball als Präsident übernehmen wird, der uns in den 1980ern schon zweimal aus finanziell sehr schlechten Situationen geholfen hatte. Damals, 1986 in der Relegation gegen Fortuna Köln, hatte ich Angst um meinen Job. Da habe ich mich beim Gang in die Geschäftsstelle gefragt, ob ich morgen noch wiederkommen werde.

Bei einer Versammlung der Anleger des Molsiris-Fonds am Düsseldorfer Flughafen am 14. März 2005 stimmten diese schließlich der Sanierung zu, die Insolvenz wurde abgewendet. Wie haben Sie diesen Tag verbracht?

Stüker: Ich saß zwar im Büro, aber arbeiten war nicht möglich. Ich lauschte nur dem Radio. Als endlich verkündet wurde, dass die Anleger zustimmten, war ich extrem erleichtert. In erster Linie nicht wegen mir, weil ich schon so lange dabei war und irgendwie nicht dachte, dass mich das direkt betreffen könnte. Ich habe mir aber Gedanken um meine Kollegen gemacht, da ja zuvor auch einige entlassen werden mussten.

Ein paar Jahre später folgte die Erfolgsära unter Jürgen Klopp, die das Wachstum des Vereins stark beschleunigte. Wie oft hatten Sie mit Klopp zu tun?

Stüker: Unregelmäßig. Durch die Fanbetreuung in den Trainingslagern waren wir im gleichen Hotel untergebracht, da kam es dann auch ab und an zu Gesprächen. Das war immer sehr nett und entspannt, er ist vor allem absolut authentisch.

Petra Stüker am Fanmobilstand anlässlich einer Veranstaltung des BVB.
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Petra Stüker am Fanmobilstand anlässlich einer Veranstaltung des BVB.

Würden Sie sagen, der Klub ist seit ihm ein anderer als zuvor?

Stüker: Ja. Durch ihn und die Spielweise seiner Mannschaft sind die Fans wieder deutlich näher an den Verein gerückt. Er ging auch selbst gerne auf die Fans zu und nahm sich Zeit. Er war der erste Trainer, der für Marketing- oder Merchandisingzwecke zu haben war - Stichwort Pöhler-Kappe. Ein Trainer, der sich mit irgendeinem Fan-Artikel schmückt, das war früher undenkbar.

Welche Klopp-Geschichte ist Ihre liebste?

Stüker: Einmal trat eine Organisation, die sich um schwer kranke Kinder kümmerte, mit dem Wunsch an uns heran, die Mannschaft zu treffen. Ich habe dann geschaut, dass die Spieler für Autogramme und Fotos bereitstehen. Jürgen kam während des Trainings plötzlich an den Spielfeldrand, wo die Kinder standen. Alle sind natürlich sofort auf ihn zu, bis auf einen Jungen, der etwas Abseits stand und sich schüchtern an einen Zaun lehnte. Als Jürgen das sah, ging er zu ihm, lehnte sich genauso wie er an den Zaun und sprach ihn an. Danach ist der Junge aufgetaut und noch richtig auf Jürgen herumgeturnt.

Klopp war einer von bislang 28 Trainern, die Sie in Ihrer Zeit beim BVB erlebten. Welcher war der Coolste?

Stüker: Schwere Frage, der Kontakt hat sich bei so vielen durchaus unterschieden. Neben den Trainern aus meiner Anfangszeit gehört auf jeden Fall Jürgen dazu. Auch zu Ottmar Hitzfeld hatte ich einen sehr guten Draht und zu Horst Köppel, der mir bei einer Lesung vor drei Jahren im Deutschen Fußball-Museum das Du anbot.

Wie sieht es diesbezüglich bei den Spielern aus?

Stüker: Neben Marcel Raducanu, mit dem sich eine private Freundschaft entwickelte, würde ich die Spieler nennen, die beim BVB in anderer Tätigkeit sind wie Nobby Dickel. Guten Kontakt habe ich auch zu den Spielern der Traditionsmannschaft. Und mit Teddy de Beer und Jörg Heinrich besuche ich die Fanklubs.

Das sind vorwiegend Spieler, die vor langer Zeit in Dortmund kickten. Können Sie sich denn noch mit der heutigen Spielergeneration identifizieren?

Stüker: Der Altersunterschied und die Entfernung zwischen unserer Geschäftsstelle und dem Trainingsgelände machen es sicherlich schwieriger. Ich bekomme die Spieler hier nicht mehr zu sehen und fahre auch nicht mehr mit in die Trainingslager.