Carsten Ramelow im Interview: "Meine Schwiegermutter empfahl mich Reiner Calmund beim Frühstück"

Von Martin Hahn
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Unter Christoph Daum sind Sie dreimal Vizemeister geworden. Besonders bitter war die Saison 2000/01 als Bayern am letzten Spieltag doch noch Meister geworden ist, weil Sie in Unterhaching verloren haben. Was ist da passiert?

Ramelow: Wir waren irgendwie blockiert. Dann machte Ballack das Eigentor. Das ist kein Vorwurf, es gibt einfach manchmal so Spiele. Das ist einfach Fußball: Es gibt Dinge, die du nicht vorhersagen kannst. Am Ende musst du dich fragen, ob du es wirklich verdient hättest, wenn du so eine Chance auf die Meisterschaft nicht nutzt.

In der Spielzeit 2001/02 hat sich Ihr Team endgültig als "Vizekusen" einen Namen gemacht, nachdem Sie sowohl in der Bundesliga, im DFB-Pokal, als auch in der Champions-League Zweiter geworden sind.

Ramelow: Das ist schon verrückt. Trotzdem sind das tolle Erlebnisse, die mir keiner mehr nehmen kann. Ich kann da wirklich nicht negativ drüber reden.

Im Champions-League Finale spielten Sie gegen Real Madrid. Mit Spielern wie Raul, Zinedine Zidane oder Roberto Carlos auch damals ein absoluter Top-Verein.

Ramelow: Ich sehe Real in einer anderen Liga. Ich habe schon ein hohes Niveau gespielt. Aber solche Spieler sind noch eine Klasse darüber. Da gibt es nur eines, einfach geschlossen dagegenstellen. Und wir hatten ja damals auch eine gute Mannschaft. Gereicht hat es leider trotzdem nicht.

Dann kam die Weltmeisterschaft 2002. Damals war der deutsche Fußball in einer dauerhaften Krise. Keiner hat so wirklich an die Nationalmannschaft geglaubt.

Ramelow: Und wir sind trotzdem ins Finale gekommen. Deutschland ist eine Turnier-Mannschaft. Da sind wir einigen Nationen voraus. Wir finden oft zum richtigen Zeitpunkt die richtige Einstellung. Aber auch hier bin ich leider wieder nur Zweiter geworden.

Nehmen Sie uns nochmal mit in dieses Finale. Wie fühlt es sich an, in einem WM-Finale zu stehen?

Ramelow: Da ist natürlich eine extrem große Anspannung. Du weißt ja, dass dir überall auf der Welt die Menschen zusehen. Trotzdem war auch eine Vorfreude da. Alle haben gesagt, dass wir gewinnen. Wir hatten einige Leverkusener im Team und keiner wird viermal Zweiter in einem Jahr - haben damals viele gesagt (lacht).

Springen wir nochmal nach Leverkusen. Besonders zu ihrem damaligen Mitspieler Jens Nowotny haben Sie ein sehr gutes Verhältnis.

Ramelow: Wir haben sehr nah beieinander gespielt und brauchten keine großen Worte. Oft haben Blicke gereicht. Natürlich ist es ein großer Vorteil, wenn du dich privat gut verstehst. Dann verstehst du dich auch auf dem Platz gut. Das war wirklich großartig, als er damals ein halbes Jahr nach mir nach Leverkusen gewechselt ist.

Wenn Sie zurückblicken. Wer war der schwierigste Gegenspieler damals?

Ramelow: Schwierig zu beantworten. Wahrscheinlich das magische Dreieck aus Stuttgart. Giovane Elber, Krassimir Balakov und Fredi Bobic. Gegen die kleinen wendigen Spieler ist es immer schwierig. Aber auf einen kann ich mich nicht festlegen.

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Bis 2008 haben Sie bei Leverkusen gespielt. Dann ging Ihre aktive Karriere zu Ende. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?

Ramelow: In dieser Phase gegen Ende habe ich schon gemerkt: Es geht nicht mehr alles so schnell. Ich habe immer von meiner Power gelebt und die hat einfach nachgelassen gegen Ende.

Statt noch mal zu wechseln haben Sie Ihre Karriere dann aber in Leverkusen beendet.

Ramelow: Ich wollte da konsequent sein. Ich wollte nicht noch in die 2. Liga. Ich habe die Entscheidung getroffen, ich möchte aufhören und wollte diese dann auch durchziehen. Ich hatte darüber nachgedacht in die USA zu wechseln. Auch wegen der Sprache und die Familie mitzunehmen. Aber mit meinen Verletzungsproblemen wollte ich das keinem Verein mehr antun.

Sie haben dann noch einige Spiele für die zweite Mannschaft von Bayer Leverkusen gemacht. Wie kam es dazu?

Ramelow: Ich wollte damals bei Ulf Kirsten als Trainer reinschauen. Der Ulf hat sich gewünscht, dass ich ab und an noch spiele. Das war mir aber nach einem halben Jahr zu viel und ich habe einen Schlussstrich gezogen. Ich wollte einfach mal eine Pause vom Fußball.

Sie können auf eine lange und ereignisreiche Karriere zurückblicken mit zahlreichen Mitspielern. Wenn Sie nun eine letzte Elf aus Ihrer aktiven Spielzeit nominieren müssten, wer wäre mit dabei?

Ramelow: Ins Tor würde ich Hans-Jörg Butt stellen. Ein guter Torwart, der auch selbst Elfmeter sehr gut verwandelt hat. Dann natürlich mein alter Kumpel Jens Nowotny. Daneben nehme ich Boris Zivkovic. Für mich ist immer das Menschliche wichtig. Zivko ist ein riesen Typ, der kam damals aus dem Krieg zu uns. Links setze ich auf Diego Placente und rechts auf Bernd Schneider, den weißen Brasilianer.

Und wer soll ins Mittelfeld?

Ramelow: Links vor mir hätte ich gerne Ze Roberto, der ja heute noch total durchtrainiert ist. Der hat uns früher im Training oft schwindelig gespielt. Rechts stelle ich Paulo Sergio auf, der hatte immer gute Laune und war unheimlich wichtig für die Mannschaft. Dann nehme ich noch Ballack. Zu ihm muss ich nicht viel sagen.

Dann fehlen noch zwei Stürmer.

Ramelow: Im Sturm hätte ich gerne Ulf Kirsten. Er kommt zwar manchmal brummig rüber, so habe ich ihn auch erlebt. Aber vom Typ her ein ganz feiner Mensch. Jetzt muss ich überlegen. Aber ich würde mich noch für Kießling entscheiden. Er war lange im Verein und hat immer hart gearbeitet.

Sie sind heute Vizepräsident der Vereinigung der Vertragsfußballer. Warum brauchen Fußballer eine Gewerkschaft?

Ramelow: Es ist eine Frage der Solidarität. Letztlich sind wir Fußballer alle Kollegen. Auch über die verschiedenen Ligen hinweg. Wir als Gewerkschaft sind nicht unbedingt für Thomas Müller oder Marco Reus da. Wir sind die Stimme aller Spieler. Da geht es gar nicht unbedingt um die Gehälter.

Um was kümmern Sie sich dann?

Ramelow: Es gibt viele Themen, die du nur gemeinsam bewältigen kannst. Das fängt schon im Jugendbereich an. Wie wird ein junger Spieler vorbereitet, wenn er Profi wird? Wie sieht sein Arbeitsvertrag aus und wie wird er beraten? Aber auch Spielmanipulation ist beispielsweise immer noch ein Thema in Deutschland. Die Leute kriegen das nur nicht so mit. Oder auch Anti-Doping-Maßnahmen. Ich habe das alles aktiv miterlebt und möchte das den jungen Spielern gerne vermitteln.

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