Oliver Glasner vom VfL Wolfsburg im Interview: "Im Krankenhaus wurde mir klar, was wichtig im Leben ist"

Von Max Schrader
Oliver Glasner trainiert seit Sommer den VfL Wolfsburg.
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Bei Ihrer Vorstellung in Wolfsburg haben Sie erklärt, dass Sie eine Wand Ihres Büros einreißen ließen. Kommen dadurch mehr Spieler ins Trainerbüro als sonst?

Glasner: Nein, das wurde vielleicht auch falsch verstanden. Ich habe die Wand einreißen lassen, damit ich mit meinem gesamten Stab arbeiten oder auch einfach mal zusammensitzen kann. Und es hat den Vorteil, dass alle stets auf dem gleichen Wissenstand sind.

Sie haben als Spieler über 500 Spiele abgerissen und sind 2008 bei der Wahl zu Österreichs Fußballer des Jahres auf Platz fünf gelandet. Welche Qualitäten hatte denn der Spieler Glasner?

Glasner: Für die deutsche Bundesliga hätte es eher nicht gereicht. Ich kann aber sagen, dass ich auch als Spieler ein absoluter Teamplayer war. Und ich wollte nie etwas dem Zufall überlassen. Das hat sich bis heute nicht geändert. Solche Ehrungen bedeuten mir aber wenig, da Fußball ein Mannschaftssport ist.

Wie ergeht es Ihnen als Trainer bei der Umstellung von der österreichischen auf die deutsche Bundesliga?

Glasner: Mit der Sprache ist es nicht so schlimm. Ich habe damit eigentlich keine Probleme. Man muss sich mit der Philosophie immer ein bisschen anpassen, ohne aber seine Grundtugenden zu verlassen. Das fängt bei der Mannschaft an.

Inwiefern?

Glasner: Sie konnte anfangs die Trainingsintensität, die ich nach vier Jahren in Linz gewohnt war, nicht mitgehen. Ihnen wurde es einfach zu viel. Ich hatte dann zwei Möglichkeiten: Entweder ziehe ich voll durch, doch dann hätten wir etliche Muskelverletzungen bekommen - oder ich passe mich eben an. Mittlerweile sind wir angekommen, wie ich es mir vorstelle.

Aufgrund der Belastungen durch die Europa League werden Sie häufiger rotieren müssen. Der VfL trifft in der Gruppenphase auf KAA Gent, AS Saint-Etienne und den ukrainischen Klub PFK Olexandrija. Leichte oder schwere Gruppe?

Glasner: Es sind nicht die großen Namen, aber ist dennoch eine spannende Gruppe - und keinesfalls eine leichte. Alle Teams sind aus den Top-9 der jeweiligen Länder-Koeffizienten. Wenn wir als Sechster der Bundesliga gegen den Fünften der Ligue 1 spielen, dann ist das kein Klassenunterschied, wie man bei Frankfurt gegen Straßburg gesehen hat.

Muss ein Bundesligaverein den Anspruch haben, die Europa League zu gewinnen?

Glasner: Letzte Saison haben wir alle gesehen, wie stark die englischen Klubs sind. Eintracht Frankfurt hat eine außergewöhnliche Europa-League-Saison gespielt und war dem Erreichen des Finales so nah wie zuvor keine deutsche Mannschaft. Dass man wahrscheinlich in der Runde der letzten 32 gegen einen Gruppendritten aus der Champions League spielen muss, macht das Unterfangen nicht einfacher. Das muss man bei allem berechtigten Anspruchsdenken berücksichtigen.

Abschließend noch ein übergeordnetes Thema: 2016 sind Sie als Trainer des Linzer AK bei einer Partie auf den Platz gestürmt, um den Schiedsrichter auf rassistische Äußerungen der Zuschauer aufmerksam zu machen. Dafür wurden Sie dann auf die Tribüne verwiesen. Würden Sie dies wieder tun?

Glasner: Ganz klares Ja!

Wie beurteilen Sie in diesem Kontext die aktuellen Entwicklungen hinsichtlich rassistischer Äußerungen von manchen Fans?

Glasner: Das ist absolut katastrophal. Das Stadion darf kein rechtsfreier Raum sein. Wenn ich jemanden im Einkaufszentrum mit einer Flasche bewerfe, werde ich angezeigt. Es müssen im Stadion die gleichen Vorschriften wie überall gelten. Wenngleich hoffentlich jedem klar ist, dass das kein reines Problem des Fußballs, sondern ein gesamtgesellschaftliches ist.

In Deutschland wurde in den vergangenen Jahren die AfD immer stärker, in Österreich die FPÖ. Wie beobachten Sie das?

Glasner: Ich finde das erschreckend. Ich kenne mich zwar nicht über die Maßen gut mit Geschichte aus, aber alles, was in der Vergangenheit mit Rassismus und Unterdrückung zu tun hatte, ist nie gut ausgegangen. In Europa müssen wir langsam merken, dass wir auf den völlig falschen Dampfer kommen. Dass jemand eine andere Hautfarbe oder Religion hat, ist kein Grund für irgendeine Abgrenzung. Ich finde es schlimm, wenn sich Menschen über andere stellen.

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