"Der Fall Jonas Hector macht allen Mut"

SPOX traf Stefan Bell im Rahmen der DFB-Ehrungsveranstaltung "Club 100" in Hannover
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SPOX: Heute heißt Ihr Trainer Martin Schmidt, der ähnlich wie Tuchel an der Seitenlinie energisch mitfiebert. Der deutlich ruhigere Kasper Hjulmand hatte weniger Erfolg. Braucht es in Mainz einfach diese Art Trainer?

Bell: Ich glaube, es ist nicht so wichtig, dass an der Linie viel Zirkus veranstaltet wird. Vielmehr kommt es darauf an, dass die Spielphilosophie der Mannschaft zum Verein passt. Das Problem unter Kasper Hjulmand war wohl, dass er einen anderen Fußball spielen lassen wollte als er zu Mainz passt und man es hier auch gewohnt ist. Es gibt trotzdem viele ruhige und zurückhaltende Trainer, die emotionalen und leidenschaftlichen Fußball spielen lassen.

SPOX: In den vergangenen Jahren musste der FSV immer wieder Abgänge wichtiger Leistungsträger verkraften. Einige konnten ihre Leistungen aus Mainzer Zeiten bei den vermeintlich größeren Vereinen häufig aber nicht bestätigen. Worauf führen Sie das zurück?

Bell: Das zeigt, welche Qualität die Trainer in den letzten Jahren in Mainz hatten. Hier wird das Maximum aus jedem herausgeholt. Dass sich viele Spieler bei anderen Vereinen schwer tun, ist ein Kompliment für uns.

SPOX: Ihr Manager Christian Heidel schaffte es, die Verluste mit talentierten Neuzugängen zu kompensieren. Im kommenden Sommer droht sein Abgang. Wie sehr trifft die Thematik auch das Team?

Bell: Gerade diejenigen, die schon länger im Verein sind, können zu einhundert Prozent nachvollziehen, dass andere Vereine Interesse an Christian Heidel haben. Er ist ein super Manager, der einen großen Anteil an der aktuellen Situation in Mainz hat. Man spricht in der Mannschaft mal darüber, jedoch beschäftigt uns das Thema nicht, wenn wir auf dem Platz stehen. Sollte er wirklich gehen, kann man ihn aber nicht eins zu eins ersetzen. Er hat aber noch nie öffentlich erklärt, dass er wechseln möchte. Von daher sind das sowieso alles nur Spekulationen.

SPOX: Sportlich ist der FSV aber ohnehin gut aufgestellt. In den letzten Jahren schaffte man zweimal sogar fast den Sprung in die Europa League. Ist es langfristig ein Ziel, dauerhaft in den oberen Tabellenregionen mitzuspielen?

Bell: Dass wir Jahr für Jahr zumindest auf einem gesicherten Mittelfeldplatz stehen, zeigt, dass wir vieles richtig gemacht haben in den vergangenen Jahren. Von daher sollte man diesen Erfolg auch nicht kleiner reden als er ist. Trotzdem gibt bei uns keiner die Parole aus, dass wir in die Europa League kommen müssen. Das wäre auch wiederum etwas träumerisch. Wenn wir jetzt anfangen, das als Ziel auszugeben, machen wir den Fehler, den in den letzten Jahren viele andere Klubs gemacht haben, was sie dann auch in Probleme gebracht hat.

SPOX: Wie sieht die Zielsetzung bei Ihnen persönlich aus? Sie haben für die deutsche U19, U20 und U21 gespielt. Wann klappt es denn mit der A-Nationalmannschaft?

Bell: Damit beschäftige ich mich aktuell nicht, auch wenn ich einige U-Länderspiele bestritten habe. Die A-Nationalmannschaft ist weit weg. Ich bin in Mainz sehr glücklich und habe derzeit andere Ziele, als mich unbedingt in die DFB-Elf zu spielen.

SPOX: Wer die U-Mannschaften durchlaufen hat, will aber sicher auch den ganz großen Schritt schaffen?

Bell: Jeder, der mal für Deutschland gespielt hat, möchte es irgendwann auch in die A-Nationalmannschaft schaffen. Es bringt einen persönlich aber nicht weiter, wenn man sich einen Zeitplan aufstellt, bis wann man es spätestens geschafft haben möchte. Entweder es kommt so oder nicht. Das ändert nichts daran, dass ich am Wochenende meine Leistung auf dem Platz bringen will.

SPOX: Jonas Hector ist das beste Beispiel dafür, dass ein Nationalspieler nicht unbedingt bei Bayern, Dortmund oder einem europäischen Topklub spielen muss. Dient er als eine Art Vorbild?

Bell: Ich glaube, es ist verständlich, dass ein Großteil der Nationalspieler aus den Vereinen stammt, die in der Champions League spielen oder in der Tabelle weit oben stehen. Der Fall Jonas Hector macht aber allen Spielern Mut. Es ist schön zu sehen, dass man den Sprung auch in einem kleineren Verein schaffen kann. Es gehört aber auch immer ein bisschen Glück dazu, dass die eigene Position nicht schon ausreichend mit Spielern aus den Topvereinen besetzt ist, sondern vielleicht mal eine kleine Lücke da ist, in die man reinstoßen kann.

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