"Gedacht, Stuttgart muss absteigen"

Von Interview: Oliver Mehring
Meißner ist sich unsicher, ob die VfB-Zugänge für einen Qualitätssprung aussreichen
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SPOX: Sie sind ein Kind der ostdeutschen Fußballschule und waren vor dem VfB unter anderem bei Chemnitz aktiv. Nun ist die große Nummer im Ost-Fußball RB Leipzig. Können Sie mit der Kritik am Projekt etwas anfangen?

Meißner: Zunächst wollte Red Bull bekanntlich bei Dresden einsteigen, nun hat man sich eben Leipzig rausgesucht. Für Leipzig ist es natürlich eine super Sache, auch mit dem tollen Stadion. Allerdings sehe ich den diesjährigen Aufstieg nicht so sicher, wie er von vielen gemacht wird. Aber auf lange Sicht ist das natürlich ein erfolgversprechendes Projekt. Ich würde mich jedoch nicht immer nur auf Red Bull einschießen. Auch in der Bundesliga gibt es zahlreiche potente Geldgeber, sodass es mühselig ist, sich daran aufzureiben. Selbst wenn es natürlich ein Projekt ist, das bereits in der 6. Liga gestartet wurde.

SPOX: Gibt es noch einen anderen Ost-Klub mit Potenzial für die Bundesliga?

Meißner: Da lässt sich niemand wirklich rauspicken. Dafür ist die dritte Liga inzwischen wie eine Ostliga. Da tummeln sich zahlreiche Kandidaten. Aber das Problem ist kurz nach der Wende entstanden, da hat im Umfeld das Geld gefehlt - und bis heute hinkt die Wirtschaft im Osten hinterher. Aber warum soll ein Überraschungsaufsteiger nicht auch mal aus dem Osten kommen?

SPOX: Sie persönlich sind inzwischen als Spielerberater tätig.

Meißner: Ich bin dabei, mir da etwas aufzubauen. Vielleicht kommen auch bald mal Erstliga-Kicker dazu, oder ein junges Talent mit dem Potential für ganz oben. Aber es ist in der Branche nicht ganz so einfach. Es gibt so viel Spielerberater - seit 1. April braucht man auch keine Lizenz mehr. Da machen auch viele ihren Job nicht richtig. Es geht nicht alleine um das Aushandeln von Verträgen, sondern darum, dass man die Jungs auch wirklich betreut. Nur als Beispiel: Alleine durch Facebook und die falschen Kommentare kann man sich bereits in jungen Jahren die Karriere kaputt machen.

SPOX: Ein großes Thema unter den Fans ist auf der anderen Seite immer wieder die Kritik bezüglich fehlender Typen, die durch Medientraining kaum noch als eigenständige Personen wahrgenommen werden.

Meißner: Wenn größere Sachen anstehen, dann schaue ich schon noch einmal über die Interviews meiner Jungs drüber. Dennoch: Grundsätzlich will ich mündige und eigenständige Spieler, die auch ihre Meinung vertreten können. Klar, kann man damit auch mal ordentlich Theater haben, aber auch dafür muss man geradestehen können. Diese weichgespülte Attitüde ist alleine deshalb schon der falsche Ansatz, weil man es den Leuten ohnehin nie komplett recht man kann - also wieso nicht gleich die Sache sagen, wie man sie selbst sieht? Die Bild-Zeitung findet früher oder später ohnehin neue Sachen, über die sie schreiben kann.

SPOX: Wie sah das Verhältnis zum Berater zu Ihrer aktiven Zeit aus?

Meißner: Ganz anders! Da wurden tatsächlich nur Verträge ausgehandelt und man hat sich vielleicht ein-, zweimal im Jahr gesehen. Das wäre heute unverantwortlich. Ich telefoniere eigentlich mit jedem Klienten einmal die Woche. Wenn Du ins Stadion gehst, dich auf die Tribüne hockst und denkst: 'Da unten ist jetzt einer meiner Kicker, mal schauen, wie der sich heute schlägt...' Das freut mich total!

SPOX: Sehen wir dann vielleicht bald einen VfB-Spieler, betreut von Silvio Meißner?

Meißner: Natürlich ist das mein Ziel! (lacht) Aber ich bin einfach nicht der Typ, der da bei A-Jugend-Spielen auf den Platz stürmt und Telefonnummern verteilt. Es ist besser, die Kontakte entstehen auf natürlichem Wege - Empfehlungen oder ein Spieler kommt auf mich zu. Das ist schon verrückt, was da auf den Länderpokalen los ist bei U15, U16 oder U17 .Es spielt zum Beispiel Hessen gegen Bayern - da rennen 20 Berater auf den Platz und machen die jungen Kerle ganz verrückt. Keiner kann wirklich voraussagen, ob die Jungs wirklich einmal Bundesliga spielen. Sobald sie volljährig sind, kann man dann seine Kontakte knüpfen, wenn eine Profikarriere auch langsam absehbar ist. Da muss vor allem der DFB und die Vereine eine Lösung finden.

Seite 1: Silvio Meißner über die Krise beim VfB und den Rüdiger-Wechsel

Seite 2: Silvio Meißner über RB Leipzig und windige Spielerberater

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