"Irgendwann verlasse ich Bayer"

Am 23. Januar 2005 absolvierte Gonzalo Castro sein erstes Bundesligaspiel für Bayer Leverkusen
© imago

Gonzalo Castro ist das Urgestein bei Bayer Leverkusen. 264 Bundesligaspiele hat der 27-Jährige schon auf dem Buckel - das ist in diesem Alter Rekord in der Bundesliga. Im Interview spricht Castro über den neuen Fußball der Werkself unter Trainer Roger Schmidt, Vor- und Nachteile seiner Flexibilität und seine Lust aufs Ausland.

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SPOX: Herr Castro, Sie spielen jetzt schon seit 1999 bei Bayer Leverkusen und gehen bald in Ihre zehnte Saison als Profi. Wie empfinden Sie das als mittlerweile 27-Jähriger?

Gonzalo Castro: Die Belastung während der Vorbereitungszeit fühlt sich schon noch ähnlich an. Der Status ist mittlerweile natürlich ein anderer. Als ich mit 17 mein erstes Trainingslager bei den Profis absolvierte, wusste ich nicht, was auf mich zukommen wird. Damals habe ich mir eigentlich nur Gedanken darüber gemacht, wie ich beim Trainer einen guten Eindruck hinterlassen kann. Jetzt bin ich fast einer der Ältesten. Die Verantwortung ist eine andere, die Wahrnehmung innerhalb der Mannschaft auch. Ich bin jetzt selbstbewusster, aber selbstbewusst zu sein, muss man lernen.

SPOX: Zur neuen Saison gibt es bei Bayer einige Umwälzungen: Michael Schade ist der neue Klub-Boss, Roger Schmidt der neue Chefcoach, man hat neue Athletiktrainer verpflichtet. Wie wichtig war es nach dem letzten Jahr, dass nun ein neuer Geist in Leverkusen weht?

Castro: Der frische Wind tut uns gut, das ist für alle ein Vorteil. Man ist ja in den meisten Fällen gespannt auf etwas Neues und nimmt das dann anders wahr als zuvor. Wir haben diese Saison etwas anders eingekauft als zuletzt und uns gut verstärkt - auch außerhalb der Mannschaft. Die neuen Athletiktrainer sind dafür da, uns körperlich auf die neue Art des Fußballs, wie wir ihn künftig spielen wollen, vorzubereiten.

SPOX: Roger Schmidt hat letztes Jahr bei Red Bull Salzburg mit einem Fußball aufhorchen lassen, der auf einer hohen Intensität und extremen Pressingverhalten fußt. Wie wird die Leverkusener Spielidee in der kommenden Saison aussehen?

Castro: Wir werden schon früh vorne anlaufen und Pressing spielen. Der Plan ist, fast nach jedem Ballverlust sofort ins Gegenpressing zu kommen und dem Gegner schon in dessen Hälfte Probleme zu bereiten. Dazu werden wir unser Tempo gerade bei den Läufen in die Offensive und Defensive um zwei Stufen erhöhen müssen. Das wird eine anspruchsvolle Aufgabe. Ich glaube aber, dass jeder Spieler besser konzentriert ist, wenn er mehrere Aufgabengebiete hat.

SPOX: Einen Fußball in dieser Ausprägung hat Leverkusen noch nie gespielt. Wie weit ist man momentan?

Castro: Klar, das ist für uns in jedem Fall eine ganz andere Herangehensweise als bislang und eine komplette Umstellung - vor allem, was die Intensität angeht. Da werden wir nochmal eine Schippe drauflegen müssen. Deshalb haben wir zuletzt sehr intensiv gearbeitet und fast jeden Tag zwei Mal trainiert. Die Mannschaft steht den Vorgaben des neuen Trainers aber sehr offen gegenüber. Ich denke auch, dass wir für diesen Fußball die richtigen Spieler in unseren Reihen haben.

SPOX: Wie geht der Trainer vor, um der Mannschaft seine Philosophie zu verinnerlichen: Läuft das meistens über Gespräche in Theoriesitzungen oder reicht es, wenn man auf dem Platz übt und wiederholt?

Castro: Theorie und Praxis sind dabei ausgewogen. Wenn man aber auf dem Platz steht, ist es etwas anderes als beim Gespräch. Die gegnerischen Spieler laufen unterschiedlicher als die eigenen Teamkollegen, die im Training ja auch gewisse Anweisungen bekommen, was die Laufwege angeht. Wir haben die Pressing-Bewegungen im Training zuletzt extrem oft eingeübt, damit wir ein Gefühl dafür bekommen, wann wir draufgehen müssen und wann nicht. Hingabe ist jetzt gefordert, der neue Fußball wird nur so funktionieren. Ich bin zuversichtlich, dass wir das bald automatisiert drin haben.

SPOX: Auch für Sie persönlich ist dies wieder etwas Neues, obwohl Sie schon so lange im Klub sind. Diese Vereinstreue, die Sie vorleben, gibt es heutzutage immer seltener. Entspricht das Ihrem Naturell oder hat sich dies auch einfach so ergeben?

Castro: Schwer zu sagen. Ich hatte schon immer den Plan, irgendwann einmal ins Ausland zu wechseln - vor allem nach Spanien. Ich würde gerne einmal etwas Neues sehen. Dass es bisher nicht dazu gekommen ist, liegt an Bayer Leverkusen. Ich fühle mich hier brutal wohl, meine Familie und ich sind mit der Stadt verwurzelt. Dazu spiele ich hier in einem richtig guten Verein, den ich sehr schätze. Und so sind bislang eben die ganzen Jahre zusammengekommen (lacht).

SPOX: Sie haben bereits über 250 Bundesligaspiele für Bayer absolviert, das hat in Deutschland in diesem Alter niemand geschafft. Dazu hat man Sie die Jahre über sehr flexibel eingesetzt, bis auf Torhüter und Innenverteidiger haben Sie eigentlich schon jede Position gespielt. Waren Sie immer glücklich mit Ihrer Variabilität?

Castro: Bis zu einem gewissen Punkt schon. Als junger Spieler nimmt man natürlich alles mit. Mir war jede Position recht, ich war froh, überhaupt im Kader zu stehen. Ab einem bestimmten Alter kam ich aber dazu zu sagen, dass mir die Verantwortung und um ehrlich zu sein auch der Spaß auf der Außenverteidigerposition zu wenig wurde. Seit längerer Zeit spiele ich jetzt regelmäßig im Mittelfeld und muss nicht mehr auf eine andere Position ausweichen. Dadurch wurde mein Spiel variabler, ich nehme aktiver am Geschehen teil und habe mehr Ballbesitz.

SPOX: Wird das unter dem neuen Trainer so bleiben?

Castro: Wir hatten gleich in der ersten Woche ein Gespräch. Er kam von sich selbst auf mich zu und meinte, dass er mich auch weiterhin im Mittelfeld sehen würde.

Seite 1: Castro über den neuen Bayer-Fußball und Nachteile seiner Flexibilität

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