Problem im Verborgenen

Von Stefan Rommel
Sportdirektor Fredi Bobic (l.) will mit Trainer Bruno Labbadia verlängern - aber nicht um jeden Preis
© Getty

Beim VfB Stuttgart läuft derzeit vieles nach Plan. Die Vertragsverlängerung mit Trainer Bruno Labbadia wird allerdings langsam zum lästigen Sorgenfall. Während Labbadia weiter auf Zeit spielt, erhöht der Klub den Druck. Eine gefährliche Konstellation.

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Letzte Woche häuften sich die guten Nachrichten beim VfB Stuttgart in sehr rascher Folge. In rund 80 Stunden brachte Sportdirektor Fredi Bobic sieben Vertragsverlängerungen zum Abschluss. Selbst für die umtriebigen Schwaben eine rekordverdächtige Marke.

Als die ersten Kontrakte bereits unterschrieben waren, machte sich dann der Boss höchstselbst auf ins Trainingslager nach Belek. Gerd Mäuser weilte von Dienstag bis einschließlich Samstag in der Türkei. Zum einen wollte sich der Präsident ein Bild über den Stand der Vorbereitungen seiner Spitzenkräfte machen. Und zum anderen das Gespräch suchen mit Bruno Labbadia.

Denn so erfreulich die Vertragsverlängerungen mit fünf Spielern sowie Fitnesscoach Christos Papadopoulos und Torwarttrainer Andreas Menger auch sind - die ungeklärte Zukunft des Trainers beim VfB Stuttgart überlagert weiterhin die ansonsten gute Stimmung im Klub.

Seit Monaten ziehen sich die Gespräche nun schon, in Belek sollen immerhin grundsätzliche Eckpunkte abgesteckt worden sein. "Extrem positive Signale" hat Mäuser nach dem Gespräch mit Labbadia, Bobic und Sportdirektor Jochen Schneider vermerkt. Finalisiert wurde aber erneut nichts zwischen Klub und Trainer.

Eine Art Ultimatum

Bis Ende Januar hat sich Fredi Bobic selbst Zeit gegeben, und damit auch Labbadia. Dann soll das Thema vom Tisch sein. Egal, mit welchem Ausgang. "Es ist legitim vom Klub, diese Personalie zeitnah abschließen zu wollen", sagt Bobic. Länger warten als bis zum Ende der Transferperiode will er aber nicht mehr, "weil sonst die Aufregung bei allen Beteiligten im Umfeld noch mehr wächst".

Ein Knackpunkt ist die grundsätzliche Ausrichtung des Klubs in den kommenden Jahren. Der VfB ist einer jener Vereine, der mit den "Altlasten" vergangener Champions-League-Tage umgehen müssen, ähnlich wie etwa Werder Bremen oder der Hamburger SV. Die Phase der Konsolidierung zieht sich bis hinein ins abgelaufene Geschäftsjahr, das der VfB mit rund zehn Millionen Minus abschloss. Unter anderem die Nachwehen vollkommen überhöhter Verträge mit leistungsschwachen Spielern.

Das macht die Verantwortlichen schon seit geraumer Zeit vorsichtig. Auf dem Transfermarkt war der VfB in den letzten Jahren vornehm zurückhaltend. Die beiden kostspieligsten Transfers waren die von William Kvist und Vedad Ibisevic, die zusammen rund acht Millionen Euro gekostet haben. Ansonsten wurde kaum investiert.

Weiter Sparkurs angedacht

Das soll sich auch in naher Zukunft nicht ändern, auch wenn Bobic derzeit auf der Suche nach einem Angreifer ist, für den auch zwei Millionen Euro zurückgestellt sein sollen. Tendenziell wird der Sparkurs aber fortgesetzt. Für Labbadia ein entscheidender Faktor.

Der oft bemühte, aber bis heute nicht eindeutig definierte "Stuttgarter Weg" soll wohl auch die Rückbesinnung auf die traditionellen VfB-Tugenden beinhalten: verstärktes Augenmerk auf die Jugendaus- und fortbildung, der Einbau junger Spieler in den Profikader.

Dass Labbadia Youngster wie Raphael Holzhauser oder Kevin Stöger erst nach sorgfältiger Prüfung mit höheren Aufgaben betraut hat, wurde dem Trainer lange als falsches Signal ausgelegt. Dabei konnte nur Labbadia ermessen, wie weit die beiden Teenager waren und ob es für Bundesligaansprüche reicht. Der Stuttgarter Weg, so Kritiker, wäre deshalb nur eine leere Worthülse und würde durch Labbadia und Co-Trainer Eddy Sözer nicht ausreichend mit Leben gefüllt.

Pokern im kleinen Stil

Es sind Kleinigkeiten, die dem Trainer immer noch ein gewisses Maß an Skepsis einbringen, von Vereins- wie auch Fanseite. Der VfB Stuttgart möchte mit Labbadia verlängern - er scheint aber nicht darauf angewiesen zu sein. Ebenso wenig wie offenbar auch der Trainer.

Labbadia bleibt in seinen Formulierungen schwammig, kokettiert bewusst mit Alternativen im In- und Ausland, verweist auf die durchaus erschwerten Bedingungen des Standorts Stuttgart. Pokern im kleinen Stil. Wobei man Labbadias Ansichten durchaus nachvollziehen kann.

Der Trainer hat sich dem Klub gegenüber immer loyal und korrekt verhalten, auch in den gewiss schweren Zeiten nach seinem Amtsantritt. "Durch dick und dünn" sei er mit dem VfB schon gegangen.

Kokettieren, nicht spekulieren

Dass der Abgang Mazas mit den Nachwuchsspielern Antonio Rüger und Benedikt Röcker kompensiert wird, hat Lababdia akzeptiert. Erfreut ist er darüber nicht. Das verfolgte Nachwuchskonzept sei ein ehrenwerter Weg, den der VfB beschreiten will, so Labbadia. Und wie er das sagt, schwingt immer auch ein wenig ein leises "Aber" mit.

Labbadia lässt es unbeantwortet, erklärt sich vielmehr so: "Als es schlecht lief, habe ich keinen neuen Vertrag gefordert. Nun bin ich nicht gierig darauf, einen neuen Vertrag zu bekommen."

In die Ecke des gewieften Opportunisten lässt er sich indes nicht drängen. Gerüchte, er würde unter Umständen auf ein Engagement auf Schalke spekulieren, wo sein Stuttgarter Vorgänger Jens Keller einer unsicheren Zukunft entgegensteuert, weist er energisch vom Tisch. "Wenn ich eines nicht mag, dann sind das hinterfotzige Menschen! Wenn ich etwas habe, dann sage ich es."

Als einzigen Gesprächspartner habe Labbadia derzeit den VfB, wie er noch einmal betonte. "Ich spreche mit keinem anderen Klub. Es ist schon verwunderlich, was alles über meine angeblichen Kontakte zu anderen Vereinen kolportiert wird."

Bobic: VfB auch ohne Labbadia

Auch wenn das Hickhack alle Beteiligten langsam nervt: Labbadia will sich auch deshalb Zeit lassen, weil erst nach den ersten Spielen der Rückrunde deutlicher wird, wohin der Weg des VfB in dieser Saison - und damit unweigerlich auch in der kommenden Spielzeit - gehen wird.

Über den DFB-Pokal rechnet sich Stuttgart den schnellsten Weg ins internationale Geschäft aus. Das Heimspiel im Viertelfinale gegen den VfL Bochum ist von großer Bedeutung. Im besten Fall wäre der VfB nach einem Sieg über den Zweitligisten dann nur noch ein Spiel entfernt von der Europa League. Das alles sind Fragezeichen. Fest steht allerdings, "dass wir unseren Etat im Sommer nicht erhöhen werden", so Bobic. Derzeit liegt dieser bei rund 40 Millionen Euro.

Bis tief in die Rückrunde will der VfB Stuttgart nicht warten. "Ende Januar wollen wir das Thema durch haben", wiederholt Bobic. Ansonsten greift Plan B.

Ein nachhaltiges Hindernis will sich der VfB nicht heranzüchten, auch wenn es Anzeichen dafür gibt und eine gefährliche Gemengelage entstehen kann. Die Idylle darf den Blick auf das veritable Problem nicht trüben. Das weiß auch Bobic, der schon mal vorbaut. "Wenn wir uns nicht einigen, wird es den VfB ab Sommer auch ohne Bruno Labbadia geben."

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