BILD-Note 6, oder: das goldene Knie

Von Florian Bogner
Nicht nur die Bayern-Profis schwitzen im Trainingslager. Auch die Journalisten durften ran
© Getty

SPOX-Redakteur und Bayern-Experte Florian Bogner begleitet den FC Bayern ins Trainingslager an den Gardasee und gewährt mit seinem Tagebuch regelmäßig einen Blick hinter die Kulissen. Heute: Wenn Journalisten kicken.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Man kennt das ja. Elende Journalisten. Hängen in Trainingslagern immer nur rum, beschweren sich über zusammenbrechende Internetleitungen, weil irgendwer gerade wieder ein "Video" runterlädt, schlechtes Essen am Gratis-Hotel-Buffet, zu wenig los vor Ort, zu viel los vor Ort - und überhaupt: man kommt vor lauter "Arbeit" ja gar nicht dazu, in irgendwas anderes zu glotzen, als in den Hotel-Fernseher und in die Mini-Bar.

Nicht so am Lago di Garda. Zwischen all den teutonischen Krampfader-Geschwadern haben ein paar deutsche Journalisten tatsächlich einen malerischen Laufpfad zwischen den Ortschaften Riva del Garda und Torbole ausgemacht, immer am Nordufer des Gardasees - zu italienisch: Lagodigarda - entlang. Und so trifft sich nun während des Trainingslagers des bajuwarischen Fußballklubs früh morgens ein quietschfideles Grüppchen zum Morgenlauf und hopst den Pfad entlang.

Zugegeben: der SPOX-Reporter horcht zu dieser nachtschlafenden Zeit noch äußerst angestrengt an der Matratze. Aber es gibt ja noch andere Möglichkeiten, die müden Knochen zum Knacken zu bringen. Beim Gang zum Buffet, zum Beispiel. Oder mit dieser possierlichen Sportart namens "Fußball".

Todesmutig, zu allem entschlossen

FCB-Mediendirektor Markus Hörwick stellte den 77 (mindestens!) anwesenden Journalisten jedenfalls am Montag einen abendlichen Journalistenkick im Anschluss an das Training der wirklich Talentierten in Aussicht. "Logo bin ich da dabei", dachte sich da der SPOX-Reporter - und immerhin acht (sic!) weitere Kollegen auch. Die anderen 69 mussten "arbeiten". Oder vielleicht auch den Lauf-Pfad entlang hopsen. Oder die Mini-Bar leergaffen.

So standen wir also nun um 19.30 Uhr auf dem Rasen. Todesmutig, zu allem entschlossen. Dass wir den Ball schon beim Aufwärmen zweimal über den angrenzenden Zaun bolzten, störte nicht weiter.

Schnell waren zwei Teams gewählt, ein barmherziger FCB-Samariter stattete uns sogar mit Leibchen aus - nicht ohne zuvor argwöhnisch das Spielgerät nach einer FCB-Aufschrift zu untersuchen. Doch die Sorge war unbegründet, dieses Synthetik-Fabrikat hatten die BILD-Jungs todesmutig über den Brenner geschmuggelt.

Anstoß. Fehlpass. Blutgrätsche

Wir spielten uns vom Fleck weg in einen Rausch (Anstoß. Fehlpass. Blutgrätsche. usw.). Die Schweißperlen rannten in Sturzbächen an unseren Leibern danieder. Dabei waren erst 120 Sekunden gespielt. Nach etwa zehn Minuten bemerkten wir, dass wir gar keine Tore aufgestellt hatten.

Als wir die Tore positioniert hatten, vergingen weitere Minuten, bis der Ball mal über zwei Stationen flüssig lief. Kurz darauf mischten sich ein paar italienische Ordnungskräfte unter unsere Teams, was den Spielfluss erheblich störte. Beim Spiel 7-gegen-7 wurden die Räume eng, weil beide Teams durch taktisches Japsen die Raumforderung der Lungen geschickt verknappten.

Als genialer Umstand erwies sich die Zuhilfenahme der den Platz umgebenden Beton-Fassung. Eine Art Rundumbande quasi, mit der man ulkige Doppelpässe (Fuß - Beton - Gesicht) spielen konnte.

"Traumtor!"

Das Spiel gewann an Tempo. Der SPOX-Reporter legte sich beim Rückwärtslaufen auf die Nase. Einzig ein Kollege einer Nachrichtenagentur stach durch behände Ballbehandlung heraus. Der Gute hatte schließlich mal bei Unterhaching gekickt, kurz nach der letzten Eiszeit. Seine wie an der Schnur gezogenen 50-Meter-Diagonalbälle landeten immerhin stets im Zaun, nicht darüber.

Dann näherte sich das Spiel seinem ersten Höhepunkt. Ein Gurkenpass der Leibchen-Träger verheddert sich in drei (sic!) Abwehrbeinen, ehe er vom Knie eines BILD-Journalisten ins gegnerische Netz abgelenkt wurde. "Traumtor!", proklamierten die Kollegen anerkennend.

Vom Geniestreich des Kollegen beflügelt, schossen sich die Leibchen-Träger mehr oder weniger schnell eine vermeintlich beruhigende 3:1-Führung heraus. Doch dann passierte es: Ein Fehlpass des BILD-Mannes, eben noch sein goldenes Knie feiernd wie Bodo Illgner in Turin, beschwor das 2:3 herauf. Das Team des SPOX-Reporters gewann auf einen Schlag die Oberhand.

Zeitspiel? Unmöglich

Ein Italiener im hastig übergestreiften Olic-Trikot nahm den Ex-Unterhaching-Methusalem mit einem Schlag auf dessen Gehhilfe geschickt aus der Partie. Der Kollege von Eurosport wuchs als letzter Mann förmlich über sich hinaus und köpfte den Ball sogar knapp über der Grasnarbe aus der Zone.

Der immer verzweifelnder agierende Gegner versuchte durch wiederholtes Ball-auf-die-benachbarte-Baustelle-Dreschen geschickt Zeit zu schinden, hatte die Rechnung aber ohne die ansässigen Nachbarskinder gemacht, die sich stets artistisch durch ein ca. fünf mal zehn Zentimeter großes Loch im Maschendrahtzaun bogen und das Spielgerät so schnell wieder zur Verfügung stellten.

Bodo beim Gedanken an die Gattin

Es kam, wie es kommen musste: Der BILD-Mann, nun eher Bodo Illgner beim Gedanken an die eigene Gattin, hatte gleich mehrere Thomas-Kraft-in-Hannover-bzw.-Nürnberg-Momente in Serie und gab die Kugel wie Kamellewerfer an Karneval bereitwillig ans umstehende Volk ab. 3:3, 4:3, 5:3, 6:3.

Das Team des SPOX-Reporters (selbst an die taktischen Anweisungen des Trainers gebunden, Note 3) stellte die Partie vollends auf den Kopf. Dann der Schlusspfiff - müde vom vielen Ballholen sanken die Sieger auf den Rasen, die Verlierer blickten konsterniert zu Bodo. "BILD-Note 6", meinte der gebrochene Mann selbstkritisch und schlich von dannen.

Am Dienstagabend steht übrigens an selber Stelle ein Länderspiel Italien vs. Deutschland an. Ob Bodo noch mal auftaucht?

Der FC Bayern München in der Sommerpause

Artikel und Videos zum Thema