Toni Kroos: Die Uhr tickt

Von Daniel Börlein
Toni Kroos kam bislang in allen Pflichtspielen der Bayern zum Einsatz
© Getty

Bei Bayer Leverkusen schaffte Toni Kroos den Durchbruch in der Bundesliga und ermöglichte sich so eine zweite Chance beim FC Bayern München. Dort läuft er den Ansprüchen allerdings bislang hinterher. Weil er mit den Gedanken woanders ist? Weil er auf der falschen Position spielt? Oder weil er sich selbst falsch einschätzt?

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Wer an Gabor Kiraly denkt, dem fällt natürlich die graue Schlabber-Jogginghose ein, die der Ungar seit Jahren bei jedem Spiel trägt. Auch an seine sieben Jahre bei Hertha BSC erinnert man sich, vielleicht noch an sein relativ erfolgloses Gastspiel in England.

Kiralys Engagement in Leverkusen dagegen hat der gemeine Fußball-Fan wohl längst vergessen - oder gar nicht erst mitbekommen. Von Ende Januar 2009 bis Ende Juni 2009 war der 34-Jährige bei Bayer angestellt. Pflichtspieleinsätze: Null.

Nur ein einziges Mal stand Kiraly in Leverkusen im Blickpunkt. Zu seiner offiziellen Vorstellung waren zahlreiche Journalisten und Fotografen erschienen. Gekommen war die Berichterstatterschar allerdings nicht wegen Kiraly, sondern in erster Linie wegen eines weiteren Neuzugangs, den Leverkusen an diesem Tag präsentierte: Toni Kroos.

"Sensationelle Zeit in Leverkusen"

Den damals 19-Jährigen hatte Bayer gerade für eineinhalb Jahre vom FC Bayern München ausgeliehen und sich damit - so die einhellige Meinung der Fachwelt - eines der größten Talente des deutschen Fußballs gesichert.

Inzwischen sind die Teamkollegen von damals in München gelandet. Während Kiraly die Nummer eins bei Zweitligist 1860 ist, nimmt Kroos den zweiten Anlauf beim Branchenkrösus Bayern.

Mit dem Rekordmeister kehrt er am Samstag (18.15 Uhr im LIVE-TICKER) nach Leverkusen zurück. Zu dem Klub also, bei dem er sich seine zweite Chance in München überhaupt erst ermöglichte.

"Ich hatte in Leverkusen eine sensationelle Zeit. Ich habe dort eineinhalb Jahre die Möglichkeit bekommen, mich zu entwickeln. Das war für mich sehr wichtig", sagt Kroos. "Die Spielzeit war Gold wert, weil ich es allen zeigen konnte, nachdem man mich in München schon fast abgeschrieben hatte."

Feiner Kerl...

Bei den Bayern war er zuvor unter Coach Jürgen Klinsmann nur noch Reservist gewesen, Leverkusen dagegen setzte voll auf Kroos. Nach einigen Verletzungsproblemen und einem halben Jahr Anlaufzeit startete er bei Bayer durch, erzielte neun Treffer, bereitete zehn Tore vor, war einer der besten Spieler der Saison und schaffte den Sprung in den DFB-Kader für die WM in Südafrika.

"Toni hat sich in Leverkusen super entwickelt. Er ist nicht nur ein toller Fußballer, sondern auch ein feiner Kerl", sagt Bayer-Mannschaftsbetreuer Hans-Peter Lehnhoff im Gespräch mit SPOX. "In Leverkusen hatte er Spaß. Toni hat sich mit seiner Klasse und seiner Fußballlust immer eingebracht."

Allzu gerne hätte man Kroos in Leverkusen behalten. "Ich habe ihm damals gesagt, dass ich nichts dagegen hätte, wenn er bei uns bleibt", erzählt Simon Rolfes. Doch daraus wurde nichts. Bayern rief - und Kroos kehrte nach München zurück.

...oder schlampiges Genie?

Louis van Gaal hatte ihn im persönlichen Gespräch von seiner Perspektive bei den Bayern überzeugt. Kroos sollte der neue Spielgestalter der Bayern werden. Bislang ist er es jedoch noch nicht. Zwar stand der 20-Jährige in allen Pflichtspielen auf dem Platz und mit zwei Ausnahmen auch immer in der Startelf.

Den Ansprüchen genügt er bislang allerdings zu selten, weil er sein herausragendes Talent nur gelegentlich zeigt.

"Er pendelt regelmäßig zwischen Genie, Mittelmaß und Schlampigkeit", schrieb die "Welt" zuletzt. "Mit den Gedanken scheint er zuweilen woanders zu sein", meint die "Abendzeitung" und bringt ein Beispiel aus dem Gladbach-Spiel, als Kroos vergaß, seine Schienbeinschoner anzulegen und deshalb während der Partie in die Kabine eilen musste.

Rüffel von van Gaal

Van Gaal quittierte die Aktion mit ungläubigem Kopfschütteln und rüffelte Kroos nach der Begegnung ungewohnt deutlich für eine vergebene Torchance: "Kroos muss diese Chance nutzen. Aber vielleicht hat der liebe Gott gedacht: Dieser Spieler muss noch etwas lernen."

Ansonsten hält sich der Bayern-Coach mit einer öffentlichen Bewertung seines Mittelfeldspielers bislang zurück. Auch, weil er Kroos offensichtlich selbst noch nicht richtig einordnen kann.

Bei seinen zehn Startelfeinsätzen in der Bundesliga musste Kroos zweimal rechts und fünfmal auf der linken Seite ran, durfte sich aber nur dreimal in der Zentrale beweisen. Dabei legte er genau dort einen guten Start in München hin, bereitete beim Auftakterfolg gegen Wolfsburg einen Treffer vor und erzielte als Zehner vor zwei Wochen gegen Freiburg sein erstes Saisontor.

Bestes Spiel im DFB-Dress

"Grundsätzlich weiß jeder, dass ich mich in der Zentrale am wohlsten fühle. Da bin ich am meisten im Spiel und komme zu meinen Aktionen", sagt Kroos. "Aber in Leverkusen habe ich auch meistens auf links gespielt, und das hat gut funktioniert."

Bei den Bayern klappte es bislang allerdings nicht überzeugend. Viel zu häufig taucht Kroos ab, gerade in Phasen, in denen es auch in der Mannschaft nicht läuft. Den einzigen überragenden Auftritt lieferte er als Sechser bei der Nationalmannschaft gegen die Türkei ab.

Im Verein fehlen ihm dagegen bisweilen Robustheit und Durchsetzungsvermögen. Er selbst sieht das anders.

Konkurrent Ribery kommt zurück

"Nach ein paar Wochen bin ich - wie die gesamte Mannschaft - in ein kleines Loch gefallen", gibt Kroos zwar zu, sieht sich mittlerweile aber auf einem guten Weg. "In den letzten vier, fünf Wochen erkenne ich einen Trend bei mir, dass ich mich immer mehr steigere. Ich denke, dass ich den letzten Wochen bestätige, dass ich zurecht so viele Spielanteile bekomme."

Und: "Wenn ich so spiele wie gegen Nürnberg, dann gibt's auch keinen Grund, mich rauszunehmen." Kroos meint das nicht überheblich oder arrogant. Er gibt sich nur selbstbewusst.

Er weiß, dass man bei den Bayern eine gewisse Selbstüberzeugung an den Tag legen muss, um sich zu behaupten. Gerade jetzt, wo Franck Ribery wieder zurückgekehrt ist.

Es wird noch ein paar Spiele dauern, bis der Franzose wieder bei hundert Prozent und ein Kandidat für die Startelf ist. Solange hat Kroos noch Zeit, Werbung in eigener Sache zu betreiben und die hohen Erwartungen zu erfüllen. Die Uhr tickt...

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